Offener Brief: Kein Querschuss, sondern ein Beitrag zur Qualifizierung des Projekts
Warum die Forderung nach einem Moratorium bei der Theatersanierung sinnvoll ist
Kommentar von Siegfried Zagler
Fast alle Unterzeichner des Offenen Briefes an OB Gribl bezüglich der Theatersanierung wussten, was auf sie zukommen könnte. Sie waren auf alles gefasst und wurden nicht enttäuscht. Sie wurden von der Zeitung als Performer diffamiert, die die eigene Bedeutungslosigkeit plagt, als „Freie Szene“ kategorisiert und von den Grünen und der CSU als „Theatersanierungsgegner“ bagatellisiert. An dieser Stelle ist festzuhalten, dass diese Form der Zusprechung bezüglich der Identitäten und Motive der Unterzeichner weit daneben zielt. Der Offene Brief stellt keinen Querschuss dar, sondern einen Warnschuss, der nicht nur als Schuss vor den Bug, sondern auch als Beitrag verstanden werden sollte, wie man das Sanierungsprojekt qualifiziert zu Ende bringen könnte.
Das größte Bauprojekt der Augsburger Nachkriegsgeschichte wurde ohne qualifiziertes Bürgerbeteiligungsverfahren entwickelt. Es wurde mit dem Bau der Brechtbühne chaotisch vorbereitet und ohne Bedarfsanalysen eingeleitet. Und es wurde, was ebenfalls verwundert, ohne einen Kostendeckel geplant. Per Grundsatzbeschluss wurde vom Stadtrat vor vier Jahren ein Fahrzeug bestellt und es wurde ein Rolls Royce geliefert. Dass es dazu kommen konnte, stellt den ersten großen Skandal dieser Stadtratsperiode dar, die im Prinzip nahtlos an die von Skandalen gebeutelte zurückliegende Stadtratsperiode anknüpft: Baureferent und Kulturreferent waren und sind damit überfordert, ein 235 Millionenprojekt inhaltlich zu plausibilisieren und sie sind auch nicht in der Lage, das Projekt kultur- wie gesellschaftspolitisch zu rechtfertigen.
Das könnte auch der Grund dafür sein, weshalb Oberbürgermeister Kurt Gribl im April-Stadtrat unverfroren darüber räsonierte, welche Abteilungen man aus dem verwinkelten Megaprojekt auslagern könnte, um von den Kosten herunter zu kommen. Inzwischen sei man in den Verhandlungen mit dem Freistaat soweit fortgeschritten, dass man die Kosten um 50 Millionen Euro gesenkt habe.
Welches Theater soll denn nun nach der Sanierung am Kennedy-Platz stehen? Eines mit den Werkstätten am Schmiedberg und der Verwaltung in der Grottenau? Ein Theater, dessen Lagerräume auf der Grünen Wiese gebaut werden sollen oder ein Theater, bei dem alles um das Große Haus herum verschachtelt wird? Weder das eine noch das andere erscheint sinnvoll.
Die Stadt Augsburg braucht ein Theater, das der Geschichte dieser Stadt gerecht wird, ein Theater, das sich in die Stadtgesellschaft hinein transformiert. Ob das mit einer Planung funktioniert, die die Aura eines Festungsbaus verspricht, ist fraglich.
Seit mehr als dreißig Jahren wird die Theatersanierung verschoben und nun soll ein Moratorium, ein professionelles Bürgerbeteiligungsverfahren nicht mehr möglich sein? Die Augsburger Grünen haben sich nach ihrer parteischädigenden Entscheidungsverschleppung in Sachen Fusion zum zweiten Mal in einen tiefen und dunklen Wald begeben, in dem sie gegen ihre eigenen demokratischen Überzeugungen Sturm laufen. Die CSU hat sich seit mehr als 30 Jahren in diesem Wald verlaufen, ohne es zu bemerken, während die SPD verzweifelt nach einem Ausgang sucht.
Wohin sich das Theater der Stadt Augsburg entwickeln soll, wurde noch nicht verhandelt. Es wird höchste Zeit, dass diese Diskussion geführt wird.