Kaisersee: „Nicht hinnehmbarer Journalismus“
Das „Projekt Kaisersee“ ist am Donnerstag vergangener Woche in der nicht öffentlichen Sitzung überraschend vom Stadtrat abgelehnt worden. Die DAZ berichtete. Die Augsburger Allgemeine auch, allerdings so, als wäre das Projekt beschlossen worden: „Kleine Lösung für den Kaisersee“ titelte „unsere Heimatzeitung“ freitags.
Der verantwortliche Journalist hatte für die Stadtratsitzung zwei Artikel vorgeschrieben, weil er davon ausging, dass der Stadtrat – wie immer – keine Rücksicht auf den Redaktionsschluss nehmen werde und weil er aus nachvollziehbaren Gründen rechtzeitig in Nürnberg sein wollte. Gestern erschien zu der sieben Tage alten „Kaisersee-Ente“ in der Augsburger Allgemeinen ein Leserbrief, dessen Autor sich darüber aufregte, wie die Stadt für eine „Liegewiese“ soviel Geld ausgeben könne. Diesen Leserbrief nahm der Fraktionschef der Grünen, Reiner Erben zum Anlass, die Augsburger Allgemeine aufzufordern, die Bürger endlich davon zu unterrichten, dass die „qualifizierte Badeseevariante“ vom Stadtrat abgelehnt wurde, dass es keine „Kleine Lösung für den Kaisersee“ gebe und dass alle in der DAZ stehenden Fakten richtig sind.
Außerdem versuchte Erben die Augsburger Allgemeine darauf aufmerksam zu machen, welche politischen Implikationen das Abstimmungsergebnis beinhalten könnte, da die Regierungskoalition nicht in der Lage gewesen sei, Mehrheiten zu organisieren. Vier Stadträte von Pro Augsburg und ein Mitglied der CSU-Fraktion hatten mit der Opposition gegen das Projekt gestimmt, das immerhin auf der 100-Punkte-Liste von OB Kurt Gribl steht.
„Trotzdem sind wir ein verlässlicher Partner“
Rose-Marie Kranzfelder-Poth (FDP) gratulierte der DAZ zu ihrer Berichterstattung. „Ohne Ihre Zeitung hätte ich geglaubt, ich sei im falschen Film gewesen“ – und die Stadträtin schob noch empört hinterher, dass die Berichterstattung in der Augsburger Allgemeinen nicht hinnehmbarer Journalismus sei: „Nicht das erste Mal wurde der Öffentlichkeit eine Meinung vermittelt, die genau das Gegenteil von dem beinhaltet was beschlossen wurde.“
Nico Kummer, Vereinsvorsitzender von Pro Augsburg und Karl Heinz Englet, Pro-Augsburg-Stadtrat, kommentierten Pro Augsburgs Beitrag zum Abstimmungsdebakel der Regierungskoalition ziemlich gelassen. „Unsere Fraktion hat den höchsten Individualisierungsgrad an Persönlichkeiten, alle keine Mitläufer sondern Individualisten, weshalb unterschiedliche Auffassungen und offene Diskurse nicht von oben herab zu kanalisieren sind. Trotzdem sind wir ein verlässlicher Partner in der Koalition“, so Kummer. Auf zu beachtende Spielregeln im politischen Alltag angesprochen, meinte Kummer nur: „Schon richtig, aber wir geben das Denken deshalb nicht an der Garderobe ab.“ Karl Heinz Englet, der in wenigen Tagen seinen siebzigsten Geburtstag feiert, pflichtete bei: „Wir sind alle gestandene Männer, und wir wollen nur das, was für Augsburg gut ist.“ Mit „gestandene Männer“ meinte Englet sich selbst und die Pro-Augsburg-Stadträte Dr. Holzapfel, Dr. Lorbeer und Prof. Harzmann, die „ihre Chefs“ (Peter Grab und Beate Schabert-Zeidler) im Regen stehen ließen und trotz erheblichem politischen Druck den Mut hatten, auf ihren eigenen Verstand zu hören. Stefan Quarg (SPD) kommentierte das Geschehen „nicht mit Schadenfreude, aber mit Freude darüber, dass Schaden von der Stadt abgewendet wurde.“
Der CSU-Stadtrat, der mit seiner Gegenstimme das Zünglein an der Waage war, hat gegenüber der DAZ den Wunsch geäußert, namentlich nicht genannt zu werden.
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