THEATER
Käthchen von Heilbronn: Ernsthafter Klamauk mit schrägen Figuren
Kleists „großes historisches Ritterspiel“ gibt Rätsel auf: Kann eine so krude und skurrile Handlung ernst gemeint sein? Wohl eher nicht. Ist es eher als Parodie, als Klamauk oder als Märchen zu inszenieren?
Von Halrun Reinholz
Mit diesen Fragen müssen sich Regisseure auseinandersetzen, die das Stück heute auf die Bühne bringen. Da gibt es einiges an Potenzial und Gestaltungsmöglichkeiten. Nicht zufällig hat Dieter Dorn für seinen Abgang vom Münchner Residenztheater dieses Stück gewählt und dafür alle Mittel der Bühnentechnik, vor allem der Pyrotechnik, beeindruckend ausgeschöpft.
Die Augsburger Interims-Bühne im Martinipark ist bühnentechnisch etwas beschränkt, dennoch bietet sie Möglichkeiten. Der Bühnen- und Kostümbildner Oliver Kostecka schafft einen märchenhaften Raum mit Schiebetüre und schrägen Kostümen. Mit Schwert und Schild bewaffnete Ritter (urkomisch der Knecht Gottschalk alias Daniel Schmidt) auf Steckenpferdchen tragen ihre Konflikte aus, während augenfällige Damen, wie die Super-Intrigantin Kunigunde (unglaublich wandelbar: Ute Fiedler) und ihre Kammerzofe Rosalie (Marlene Hoffmann), in abenteuerlich schriller Kostümierung einherschreiten.
Eine skurrile Erscheinung ist auch das rauchende, hustende und Geheimnisse preisgebende „Mütterchen“ (Katharina Rehn). Als Höhepunkt erscheint die dominante Über-Mutter des Grafen vom Strahl (in voller Frauenmontur gespielt von Gerald Fiedler), um die phantastische Unwirklichkeit der Ritter- und Grafenwelt zu verdeutlichen.
Denn eigentlich geht es um Käthchen, ein 15-jähriges Mädchen (Karoline Stegemann), die beim Anblick des Grafen vom Strahl (Patrick Rupar) weiß, dass er ihr von einem „Cherub“ als Ehemann prophezeit worden ist. Gegen alle Logik und zur Verzweiflung ihres Vaters (Klaus Müller) folgt sie dieser Bestimmung. Bei allem Wahn kommt sie, auch optisch, am „normalsten“ daher. Intrigen, Feuer und Gift können ihr nichts anhaben – und schließlich, wie könnte es anders sein, löst sich alles so auf, wie es vorhergesagt wurde.
Christian von Treskow, in Augsburg zuletzt als Regisseur des „Fatzer“ (und schon früher mit „Mahagonny“) in Erscheinung getreten, hat keine Berührungsängste mit dem teils ernsthaften, teils vollkommen abwegigen Inhalt. Er baut geschickt und einfühlsam eine unterhaltsame Geschichte auf, die dennoch nie in den reinen Slapstick abgleitet. Jens-Uwe Beyer hat dazu eigens eine Musik geschrieben, die sich nicht besonders eingängig in das Gesamtbild einfügt und genauso kryptisch und aufgesetzt bleibt wie die dominante Neon-Leuchtschrift auf der Bühne: „Your true nature is luminous“.
Das Premierenpublikum applaudierte freundlich.