John Dew inszeniert „Cabaret“
Premiere auf der Freilichtbühne ist am 2. Juli
Von Frank Heindl
Eine Oper, die einmal als Provokation gemeint gewesen ist, muss auch eine Provokation bleiben. Das sicherzustellen, sei, so ist es auf der Homepage von John Dew zu lesen, die Pflicht des Regisseurs. Ob Dew diesem Diktum auch als Musical-Regisseur treu bleibt, kann man im Augsburg ab Juli nachprüfen: Dew, einer der renommiertesten deutschen Opernregisseure, zeichnet verantwortlich für die Inszenierung des Musical „Cabaret“ auf der Augsburger Freilichtbühne. Wenn das Wetter mitspielt, wird das Stück vom 2. Juli an 19 Mal zu sehen sein.
Es sei eine „sehr große Ehre“ für das Theater Augsburg, so Intendantin Juliane Votteler am Freitag anlässlich einer Pressekonferenz zum Thema „Cabaret“, dass man mit Dew „einen der ganz, ganz großen Opern- und Musiktheater-Regisseure“ habe verpflichten können, der für seine „sehr mutigen Aktualisierungen“ berühmt sei. Dew selbst ging das Thema dann sehr viel nüchterner an: Er habe zunächst mal zu diesem Musical „überhaupt kein Verhältnis“ gehabt, betont er, wenngleich er dem Musical-Genre „enormen Respekt“ zolle. Doch Dew redet sich schnell warm und offenbart dann doch eine langwierige Geschichte persönlicher Auseinandersetzung mit dem Stück: Er habe „Cabaret“ in New York als Kammer-Inszenierung erlebt, eine andere „Metamorphose“ des Stoffes in London und schließlich auch den Film von Bob Fosse aus dem Jahr 1972 (mit Liza Minelli in der Hauptrolle) gesehen – und schließlich betont er auch seine persönliche Bekanntschaft mit Kurt Weills Ehefrau Lotte Lenya, die 1960 in der Uraufführung des Stückes die Rolle des Fräulein Schneider spielte.
Die Zuschauer sollen „mit ein paar Gedanken“ nach Hause gehen
Es sei gänzlich untypisch für das Musiktheater, dass es „unendlich viele Fassungen“ von „Cabaret“ zu geben scheine. Normalerweise, so Dew, sei in diesem Genre der Text „in Stein gemeißelt“, jede kleine Veränderung sorge für Probleme und bringe „Strukturen ins Wanken“. Inhaltlich bewege ihn das Stück heute „noch mehr als früher“ – Dew gilt als Experte für Opern, die unter der Nazi-Diktatur als „entartete Kunst“ verboten waren. Er betont denn auch die „Ernsthaftigkeit“ des Musicals und sein Ziel, der Zuschauer solle zwar Spaß haben, es sei aber auch wichtig, „dass man mit ein paar Gedanken nach Hause geht.“ Ob hier die berühmten Dew’schen „Provokationen“ zu erwarten sind, ließ sich bei der Pressekonferenz nicht herausfinden, wohl aber, dass, dem historischen Stoff geschuldet, auf der Freilichtbühne diesmal vorübergehend auch Hakenkreuzfahnen wehen werden.
Wie er nun konkret mit dem Stück über Cabaret und Liebe in Berlin zu Beginn der 30er-Jahre und das unübersehbare Heraufziehen der Nazizeit umgehen will, offenbart John Dew nicht. Mit dem Bühnenbild, soviel wird immerhin offenbart, sei aber schon mal die „Quadratur des Kreises“ geglückt – sie hat etwas von einem Adventskalender: Markus Erik Meyer hat eine lange Zimmerflucht im Stile einer großbürgerlichen Berliner Stadtwohnung geschaffen. Aus deren einzelnen Türen werden sich auf der Freilichtbühne mal einzeln, mal gleichzeitig Räume mit verschiedenen Spielorten öffnen – mal ein Zugabteil, mal ein Obstladen, mal ein Showvorhang. Daneben wird es natürlich große Außenszenen geben, die die „Naturbühne“ am Roten Tor augsburgtypisch ins Spiel integrieren und trotzdem deren gefährliche „Dominanz“ in Zaum halten sollen.
Der Choreograf ist begeistert
Choreograf Julio Viera zeigte sich sehr angetan von den Tänzern. In schnellstem Spanisch (anschließend übersetzt von John Dew) macht er seiner Begeisterung Luft über die Tatsache, dass mit Künstler arbeite, die nicht nur die Tanzschritte drauf hätten, sondern auch mühelos die Symbiose meisterten zu dem, was John Dew und er schauspielerisch erwarten – das habe er anderswo schon anders erlebt.
Während die Freilichtbühnen-Produktionen in den letzten Jahren immer auf eine Band mit externen Musikern zurückgriffen, wird die Musik diesmal von den Augsburger Philharmonikern kommen. Der musikalische Leiter Piotr Kaczmarczyk sieht in der Tonsprache des Musicals Elemente von Filmmusik – mit der Besonderheit, dass bei „Cabaret“ Gitarre und Akkordeon das Orchester ergänzen und durchgängig ein Schlagzeug mitspielt. Die Partitur sei sogar derart aufwändig, dass man sich entschlossen hat, den Schlagzeugpart auf zwei Drummer zu verteilen. Neben dem Theaterchor gehören übrigens auch zwei Mitglieder der Domsingknaben Gesangsensemble in – in welchen Rollen, wurde nicht verraten. Die Hauptrolle der Sängerin Sally Bowles spielt und singt übrigens Veronika Hörmann – man kennt sie vom vergangenen Sommer aus „Hair“. Wer mehr wissen möchte, kann sich am 18.6. von 12 – 18 Uhr beim Tag der offenen Tür des Theaters Augsburg informieren. Auf einer großen Bühne zwischen Großem Haus und Brechtbühne gibt es dann unter anderem ein paar der richtig großen Show-Nummern aus „Cabaret“ zu sehen. Aber ob John Dews Interpretation auch „Provokationen“ liefert, wird man wohl erst bei der Premiere am 2. Juli erfahren. Zu John Dews Webseite geht’s hier.
—— Foto: John Dew auf der Pressekonferenz im Theater Augsburg