Kommunalwahl 2020
In Augsburg sind nun die Grünen gefragt
Augsburg hat gewählt wie 2002 – Ein Regenbogen schimmert über der Stadt
Kommentar von Siegfried Zagler
Es ist gewählt. Die Wahllokale sind geschlossen. Die Wählerstimmen, die keine Liste gewählt haben, werden aktuell noch ausgezählt. Das offizielle Ergebnis steht noch nicht fest, aber es ist davon auszugehen, dass sich nicht mehr viel am Gesamtbild ändern wird.
Die CSU wird wohl noch einen oder zwei Sitze verlieren (von aktuell 22), die Grünen vielleicht noch einen dazu gewinnen, bei den Kleinen könnte noch etwas Entscheidendes passieren. Im Lauf des Tages oder möglicherweise erst am Dienstag sollte das endgültige Wahlergebnis feststehen.
Dann muss noch die Stichwahl abgewartet werden. Danach wird hinter verschlossenen Türen ausgehandelt, wer koaliert, wer Bürgermeister wird und wer ein Referat erhält. Festzuhalten ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt Folgendes:
Die Mehrheitsverhältnisse des Stadtrats 2020 ähneln denjenigen von 2002, als eine Rot-Grüne Stadtregierung zustande kam. Damals wurde eine CSU mit 43 Prozent und 25 Sitzen in die Opposition geschickt. Damals waren versierte Parteistrategen wie Hermann Knipfer und Karl-Heinz Schneider am Regenbogen-Werk beteiligt.
Zählt man heute die Stimmenanteile von Grün-Rot zusammen, liegen sie (wie 2002) knapp über dem CSU-Ergebnis. Sollten die Grünen Dirk Wurm bei der kommenden OB-Wahl unterstützen und sich Wurm (SPD) gegen Weber (CSU) bei der OB-Stichwahl durchsetzen, dann sollten die Grünen und die SPD einen Wählerauftrag zur Bildung einer Stadtregierung erkennen. Dass Eva Weber die Stichwahl gegen Dirk Wurm verliert, ist vorstellbar.
Dass die Grünen sich von der CSU und Eva Weber distanzieren ist dagegen kaum vorstellbar. Zu unsicher ist Wurms Stichwahlsieg, zu sicher sind die Posten, die den Spitzenkräften (Wild und Erben) in Aussicht stehen, falls sie sich bei der Stichwahl für Eva Weber aussprechen.
Hätten die Grünen den Willen zur Macht, also den Willen ihre politischen Inhalte schnellstmöglich durchzusetzen, also Augsburg zu einer klimaneutralen Fahrradstadt zu machen, dann sollten sie die Programme der ÖDP, der Linken, der Freien Wähler, von AIB und der V-Partei studieren. Nimmt man die SPD noch dazu, dann gilt die Feststellung, dass Augsburg bis zum Anschlag Grün gewählt hat – und es dafür wohl auch ein knappes Mehrheitsbild im Stadtrat gibt.
Die politische Praxis sieht anders aus. In den vergangenen Jahrzehnten haben sich die SPD und die Grünen politisch voneinander entfernt. Für die bayerischen Grünen ist es einfacher geworden, zusammen mit der CSU Ziele zu formulieren, die man langfristig abarbeiten kann, als mit einer schwer einschätzbaren SPD zusammen mit einer Handvoll Einzelstadträte in eine gemeinsame Programmatik zu gehen.
Die Augsburger Grünen haben 2014 ihre Mitglieder befragt, ob sie mit der CSU ins Bündnis gehen dürfen. 2020 sind Augsburger Grünen dergestalt bürgerlich aufgestellt, sodass man sich die Spitze verkneifen muss, ob sie wohl wieder eine Mitgliederbefragung durchführen würden, hätten sie die Möglichkeit mit der SPD zu koalieren.
Es war ein Fehler, Martina Wild als OB-Kandidatin aufzustellen. Ein verzeihlicher Fehler, da Frau Wild gerne verzichtet hätte, hätten die Augsburger Grünen einen stärkeren Kandidaten, eine stärkere Kandidatin gefunden. Im Kandidaten-Wahlkampf auf konservative Urtugenden wie Familie und Heimat zu setzen, war dagegen eine fatale Strategie. Wild war die konservativere Kandidatin als Eva Weber, die es verstand, in verschiedenen Wählermilieus zu fischen, ohne dabei Stammwähler der CSU zu vergraulen. Wild dagegen scheint für linke Grüne keine Versprechung gewesen zu sein.
Wie es in Augsburg weiter geht, hängt nun in hohem Maß von den Grünen ab. Ein „Weiter-so-wie-bisher“ ist zu befürchten.