Im Labyrinth der Grausamkeit
Wer erfahren will, welchen Stellenwert die Kultur in Augsburg hat, dem sei der Gang durch das Labyrinth der Grausamkeit empfohlen.
Kommentar von Siegfried Zagler
In einer vor langer Zeit geschriebenen Kolumne von Jürgen Marks wurde Peter Grab als ein Kulturreferent bezeichnet, der eine positive Bilanz vorzuweisen hat. Die These wurde mit nicht viel mehr als mit deutlich erhöhten Betriebsmittelzuschüssen des Freistaats für das Stadttheater begründet. Ein weiteres zur Legendenbildung taugliches Phänomen ist der Umstand, dass die Brechtbühne als Erfolgsgeschichte begriffen wird. Der Container-Bau wurde geplant und erstellt, als Grab Kulturreferent war. Die Erstellung des temporären Schauspielhauses gehört zu den größeren Skandalen der jüngeren Stadtgeschichte. Während der Ausschreibungsphase befanden sich laut Baureferent Merkle einige Personen mit einem Bein im Gefängnis. Auch zum fertig gestellten Projekt ist nicht viel Positives zu sagen. Die Brechtbühne ist ein viel zu teures Guckkasten-Provisorium. Die Sicht von den oberen Reihen ist katastrophal, die Akustik bescheiden. Ein Bau, der ohne die raffinierte Wirkung des Schlichten, ohne Anflug von Geist oder spannungsvoller Atmosphäre auskommt, aber mit der Aura einer Kindertagesstätte versehen ist. Und ein Bau, der, kaum ist der Geruch des Neuen verflogen, in Bälde bei der Sanierung des Großen Hauses im Weg steht.
Weder für die erhöhten Fördermittel noch für die misslungene Guckkasten-Bühne ist Peter Grab verantwortlich. Wofür stehen also sechs Jahre Peter Grab? Die Antwort ist schwer zu verstehen: Für nichts! Das Nichts ist nicht zu begreifen, nicht zu erklären und somit nicht zu verstehen. – Was natürlich nicht ganz wahr ist. Aber selbst “die Wahrheit” war und ist nicht viel mehr als ein von Ahnung und Gefühl gesteuertes Konstrukt, mit dem gerne Schindluder getrieben wurde und wird. Will man aber eine konkrete Erfahrung machen und somit mehr als ein Gefühl dafür bekommen, wofür Peter Grab steht, dann muss man das neue Erlebnismuseum im Domviertel besuchen. Wer das Museum ohne Schamesröte verlässt, besitzt das Gemüt eines Fleischerhundes.
Noch genauer umreißt aber das Brechtmuseum die Ära Grab. Seine letzte Tat: Er beauftragte die Regio, das Brechtmuseum zu betreiben. Der neue Kulturreferent Thomas Weitzel bremste den emsigen Regio-Chef Götz Beck zwar ein wenig ein, konnte aber nicht verhindern, dass Beck mit roten Teppichen, roten Sofas und roten Regalen eine Lounge im Erdgeschoß einrichtete. Der vorläufige Höhepunkt dieser „geschmackvollen Museumskiste“ ist aber ein Bildschirm, den Beck (so die Legende) eigenhändig an eine Collage hing, die berühmte Brecht-Inszenierungen abbildet. Anzunehmen ist, dass der Bildschirm an einem Nagel hängt – oder an einer Schraube. Eine Collage, die es nur einmal gibt und den Status der Kunst innehat und immerhin ein wesentliches Gestaltungselement des Brechtmuseums darstellt(e), wurde nicht abgehängt, sondern als Aufhängung für einen Bildschirm verwendet. Auf diese Collage einen Bildschirm zu nageln, ist nur möglich, wenn man davon ausgeht, dass es sich dabei nicht um Kunst, sondern um Müll handelt.
In Sachen Brechtmuseum ist die Stadt nicht viel weiter als in den Achtzigern: Multimedia schlägt Fotocollage. Das so genannte “Mozarthaus” ist nicht weit entfernt und es hebt sich in seiner Erbärmlichkeit weder vom Brechtmuseum noch vom Fugger-Erlebnismuseum ab. Der Besuch dieser Orte in Folge erfordert Tapferkeit. Es handelt sich nämlich um einen Gang durch das Labyrinth der Grausamkeit. Die genannten musealen Orte spiegeln in keinster Weise den historischen Stellenwert der Personen wider, die an diesen Orten reflektiert werden sollten, sie bezeugen vielmehr etwas anderes, nämlich die „Höhe“ der Kulturpolitik der Stadt Augsburg.