Im Krieg spielt Symbolik eine große Rolle
Warum die Homepage der Stadt Augsburg blau ist
Von Siegfried Zagler
Vier Farben: Blau
Das Medien- und Kommunikationsamt Augsburg hat die Homepage der Stadt Augsburg stark verbessert. Die Navigation ist übersichtlicher und bedürfnisorientierter gestaltet worden. Das war notwendig. Die 50.000 Euro teure Neugestaltung ist gelungen. Die neue Homepage der Stadt ist um Klassen besser als ihr Vorgänger. Falsch ist „nur“ die werbepsychologische Ausrichtung. Blau hat nichts mit der Stadt Augsburg zu tun. Das Augsburger Stadtwappen ist mit den Farben Rot-Grün-Weiß gestaltet. Rot-Grün-Weiß sind seit Jahrhunderten die Farben der Stadt Augsburg. Andernorts ändert auch das digitale Zeitalter nicht die historische Farbsetzung: Die Münchner Homepage spiegelt die Farben der Stadt München wider, die Nürnberger Homepage die Farben der Stadt Nürnberg, die Regensburger Homepage die Regensburger Stadtfarben, die Ingolstädter Homepage die Farben der Stadt Ingolstadt undsoweiter. Auf den Homepages der bayerischen Städte tauchen stets die Farben der Stadtwappen auf. Man könnte diese Liste mit jeder beliebigen Stadt in anderen Bundesländern beinahe endlos fortsetzen, nur Augsburg kann man nicht anführen, denn die Homepage der Stadt ist wie gesagt durchgehend blau, blau in vielen Abstufungen.
Die Grünen haben das zuerst öffentlich moniert. Sie kritisierten bei dieser Gestaltung das „CSU-Blau“. Dafür haben sie sich eine schallende Ohrfeige der Augsburger Allgemeinen eingefangen. Es handle sich um ein peinliches Eigentor auf der krampfhaften Suche nach Wahlkampfthemen, so die Stoßrichtung eines Kommentars, der in allen Journalistenschulen als Mustertext Eingang finden sollte, um angehenden Journalisten zu zeigen, wie man sich als Kommentator mit einem Schnellschuss aus dem Platzpatronen-Gewehr am leichtesten blamieren kann.
Am folgenden Tag brach nämlich eine politische Diskussion aus, die dem Sachverhalt Bedeutungshöhe verlieh. Die größte Fraktion im Augsburger Rathaus, die Augsburger SPD, titelte via Pressemitteilung: „CSU-OB kapert städtischen Internetauftritt“, da die neue Homepage der Stadt nicht zwischen Informationen der Stadt und Werbung für den CSU-OB trenne. Neben der unsensiblen Farbdramaturgie ist die Verlinkung mit der CSU-Homepage ebenfalls schwer in der Kritik. Die CSU-Homepage verlinkt unter der Rubrik „Bürgermeister“ direkt auf die Homepage der Stadt, ganz so als wäre sie ein Teil der CSU. „Ich habe Herrn Gribl aufgefordert, dies schleunigst zu unterbinden“, so der OB-Kandidat der Augsburger SPD, Stefan Kiefer. Ins gleiche Horn bläst Claudia Eberle, Fraktionsvorsitzende der CSM: „Dieses Handeln nach Gutsherrenart hat die CSU Bayern auf Landesebene schon die absolute Mehrheit gekostet, es ist erstaunlich, dass die CSU in Augsburg noch immer nicht verstanden hat, dass sie von den Bürgern für die Bürger gewählt wird.“
Festzuhalten ist, dass im Krieg die Symbolik der Kriegsparteien eine große Rolle spielt und Wahlkampf eine Art Krieg ist, da man es am Ende vieler Schlachten mit Gewinnern und Verlierern zu hat. Das Corporate Identity Stadt-Oberbürgermeister-CSU ist eine unerlaubte Waffe in einer politischen Auseinandersetzung, die in ihrem ureigenen Sinn mit Worten, also mit Bilanzen und einzuhaltenden politischen Versprechungen zu führen wäre, aber immer stärker zu einer Marketing-Show verkommt, wie man beispielsweise lehrbuchhaft bei der OB-Nominierung der CSU zur Kenntnis nehmen konnte. Wähler sind beeinflussbar. Köpfe sind wichtiger als Programme und die Präsentation eines Arguments ist wichtiger als dessen Inhalt. Die Grundsätze des politischen Marketings hat sich Augsburgs Oberbürgermeister einverleibt, wie ein Bodybuilder das tägliche Hanteltraining. Auch nach beinahe sechs Jahren Amtszeit gehört es noch zu den Schwächen des Augsburger Oberbürgermeisters, dass er mehr auf seine Marketing-Agentur denn auf das sauber geschliffene politische Argument setzt.
Blau ist eine wunderbare Farbe. Das Mittelmeer ist zum Beispiel südlich von Kreta dergestalt blau, dass man darin ertrinken möchte. Es ist aber nicht so, dass dieses betörende Blau die Nationalflagge der Griechen geprägt hat. Das Blau der Griechen ist wie ein Fähnchen im Wind: Während der Zeit des Königs Otto I. wurde ein Mittelblau nach Vorbild des Wappens der bayrischen Wittelsbacher verwendet. Die Griechische Militärjunta zwischen 1967 und 1974 benutzte ein sehr dunkles Blau. Im heutigen Flaggengesetz ist ein Hellblau vorgeschrieben, allerdings hält sich daran niemand, da sich in der Praxis ein Ultramarinblau durchgesetzt hat, so auch auf der Webseite des griechischen Präsidenten. Ähnlich verhält es sich mit dem Blau der städtischen Homepage.
In welchen Blauton sich die Stadt-Home auch verschiebt, im politischen Augsburg ist es immer ein wahrgenommenes Wittelsbacher-CSU-Blau, das den Wähler im Dreiklang (Stadt-OB-CSU) zu beeinflussen trachtet. Marketingtechnisch gesehen ein sehr funktionaler Schachzug des Medien- und Kommunikationsamtes, das es in dieser Form nicht mehr geben wird, falls Kurt Gribl die Wahl verlieren sollte. Dumm ist nur, dass auch der raffinierteste Techniker vor Eigentoren nicht gefeit ist. Die Augsburger Linken wollen im kommenden Stadtrat über einen Antrag die Farbgestaltung der Stadthomepage geregelt wissen. Es ist davon auszugehen, dass es dafür eine breite Mehrheit gibt.