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Freitag, 19.04.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Im Gespräch: Christian Stock, Organisator des Augsburger Jazzsommers

Am heutigen Mittwoch beginnt zum 27. Mal der Augsburger Jazzsommer – wie immer mit einer Reihe hochkarätiger Konzerte im Rosenpavillon des Botanischen Gartens. Christian Stock ist im Stress, muss Musiker abholen und letzte Vorbereitungen arrangieren – aber zwischendurch hat er trotzdem noch Zeit für ein kurzes DAZ-Interview.

Bildnachweis: Stadt Augsburg

 Herr Stock, täusche ich mich oder hat sich das Augsburger Jazzfestival in den letzten Jahren zu einem noch moderneren Festival gewandelt?

Das kann man nicht so generell sagen, der Schwerpunkt lag ja schon immer auf zeitgenössischem Jazz. Wir hatten zum Beispiel schon vor zehn Jahren den Saxophonisten Charles Lloyd im Botanischen Garten …

…. aber dann auch mal jemanden wie Paul Kuhn.

Ja klar, aber der war ein hervorragender Swing-Pianist mit seinem eigenen Stil…

…. und der Botanische Garten war bombenvoll!

Und zwar zurecht! Paul Kuhn hat eine ganze Generation des deutschen Jazz repräsentiert und zu seiner Zeit war Swing ja auch noch etwas ganz anderes als heute.

Ist dagegen ein Programmpunkt wie etwa Markus Stockhausen nicht auch ein gewisses Risiko? Kriegt man mit ihm den Rosenpavillon voll?

Da bin ich mir sowas von sicher!

Gar keine Sorgen, dass der Sohn von Karlheinz Stockhausen, der ja, doch ein bisschen verschroben und schwer verständlich war –  das Publikum abschrecken könnte?

Markus Stockhausen macht astreinen Jazz! Er benutzt auch Elektronik, aber als Klangmittel im Sinn des zeitgenössischen Jazz – das sind keine schrägen Experimente. Man kann ihn nicht mit seinem Vater vergleichen.

Trotzdem kommt einem dagegen das letzte Konzert der diesjährigen Reihe mit dem Kenny Barron Trio fast schon wieder konservativ vor. Barron ist mittlerweile 74, ich habe ihn gerade in meinem CD-Regal unter anderem in einer Anthologie des Jazzklaviers gefunden – der Mann ist schon Geschichte und steht da in einer Reihe mit Leuten wie Scott Joplin oder Fats Waller!

Da gehört er ja auch hin! Kenny Barron – das ist die Krone des klassischen Jazztrios, der hat Musikgeschichte geschrieben! Die ganzen Standards, die heute die Jazzmusiker aus dem Realbook rauf und runter spielen – für ihn sind das nicht konservative Standards, sondern er war dabei, er hat sie schon gespielt, als sie brandneu waren. Er gehört einer Pianisten-Generation an, die die ganze Moderne des Jazz miterlebt hat.

Danilo Pérez dagegen, mit dem das Jazzfestival im Botanischen Garten am heutigen Mittwoch startet…

… den kann man natürlich wirklich nicht als konservativ bezeichnen. Er ist immerhin der Pianist von Wayne Shorter. Wir hatten ihn vor ein paar Jahren schon mal hier mit seinem „Children of the Light Trio“ – das war sehr moderner, zeitgenössischer Jazz. Und auch diesmal werden wir wieder sehr Modernes von ihm hören in seinem großartigen Trio, unter anderem mit Chris Potter am Sax…

…den man wiederum aus seinem Umgang mit unglaublich innovativen Musikern wie Paul Motian, John Patitucci oder auch Michael Brecker und John Scofield kennt…

… und der neben Joe Lovano einer der innovativsten Saxophonisten ist, die es gibt.

Womit wir dann auch schon bei James Carter wären, mit dem Sie und Ihr Christian Stock Trio sich am 24. Juli die Bühne teilen werden.

James Carter geht noch mehr in die experimentelle, in die noch freiere Richtung. Es ist enorm interessant, mit Musikern wie ihm zu spielen. Er inspiriert die Band ungemein, weil er viele Dinge ganz anders spielt, ganz anders interpretiert. Da geht es in den Proben überhaupt nicht mehr darum, ein Stück „richtig“ zu spielen, sondern man diskutiert, wie man an das Stück rangehen will, wie man es öffnet, wie man den Charakter der Komposition auffasst, wie man ihn entwickeln kann.

Zum Schluss bitte: Hand aufs Herz und Auskunft darüber, welche Träume sie im Botanischen Garten noch nicht verwirklichen konnten.

Nach 27 Jahren haben nahezu alle mit Rang und Namen schon mal im Botanischen Garten gespielt. Manche werden wir trotzdem nie kriegen. Wayne Shorter zum Beispiel – Gagen im fünfstelligen Bereich können wir nicht aufbringen. Solche Leute brauchen ein Publikum von zweitausend Menschen, die spielen in ganz Europa vielleicht fünfmal und nur auf den ganz großen Festivals wie etwa in Den Haag – das würde unseren Rahmen sprengen.

Herr Stock, vielen Dank für das Gespräch —————————————- Fragen: Frank Heindl