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Dienstag, 23.07.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

„Ich gehe davon aus, dass die Regierung von Schwaben den Haushalt mit Auflagen genehmigen wird“

CSU-Fraktionschef Bernd Kränzle im großen DAZ-Interview

Bernd Kränzle kann hinreißend sein. Brechtfestivalleiter Joachim Lang nannte ihn wohlmeinend „einen der letzten Anarchisten“, Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer einen „echten Kameraden“. Für die DAZ ist Bernd Kränzle „Mister Klebstoff“, also ein Meister der parteiinternen Streitschlichtung. Außerdem ist unumstritten, dass niemand so süffisant und ironisierend über ein halbes Jahrhundert politische Geschichte, inklusive der Ereignisse der Gegenwart, erzählen kann wie Bernd Kränzle. Der Fraktionsvorsitzende der Augsburger CSU stellte sich zu Beginn der Woche den Fragen der DAZ. Kränzle zeigte sich dabei optimistisch hinsichtlich des Haushaltsgenehmigungsverfahrens der Regierung von Schwaben und beschrieb den „so genannten dritten Weg“ der CSU beim Atomausstieg.

Bernd Kränzle im Gespräch mit DAZ-Herausgeber Siegfried Zagler (rechts)

DAZ: Herr Kränzle, bevor wir uns in die Ebenen der Augsburger Lokalpolitik begeben, möchte ich von Ihnen wissen, wie sich ihrer Einschätzung nach die Position der CSU in Sachen Energiepolitik nach Fukushima entwickeln wird. Sie sind Landtagsabgeordneter der Augsburger CSU und haben einen sehr guten Draht zu Ministerpräsident Horst Seehofer. Wäre es denkbar, dass sich die CSU energiepolitisch ähnlich entschieden Richtung Ausstieg aus der Kernkraft positioniert wie in etwa die Grünen?

Kränzle: Staatsminister Söder hat ein Wettrennen der Bundesländer um den Ausstieg aus der Atomkraft angekündigt. Er denkt dabei an einen Wettbewerb mit Baden – Württemberg. – Unser Ministerpräsident definiert die künftige Atompolitik wie folgt: Zügig zu überprüfen, welche Folgerungen aus den Vorfällen in Japan für die deutschen Kernkraftwerke gezogen werden können. Ergreifung von Maßnahmen zur Beschleunigung der Energiewende bis hin zu den erneuerbaren Energien und auch die Durchsetzung international höchster Sicherheitsstandards bei Kernkraftwerken.” Die CSU beschreitet also einen so genannten dritten Weg.

DAZ: In der letzten Stadtratssitzung lehnten die Fraktionen von CSU, Pro Augsburg und den Freien Wählern die Forderung der Grünen nach einem schnellstmöglichen Ausstieg und einer Rücknahme der Laufzeitverlängerung der zwei Blöcke in Gundremmingen ab, die CSU lehnte den Punkt des Grünen-Antrages ab, weil …

Kränzle: … für ein übereiltes Handeln derzeit keine Anhaltspunkte vorliegen.

DAZ: Gundremmingen ist nah, und es handelt sich um ein sehr altes Kraftwerk.

“Die Überprüfungen werden zeigen, ob Gundremmingen den verstärkten Sicherheitsbedingungen standhält”



Kränzle: Bekanntlich hat Bundeskanzlerin Merkel ein Moratorium für die Aussetzung der Laufzeitverlängerung bei den deutschen Kernkraftwerken verkündet. Dieses Moratorium wird drei Monate lang gelten. In diesen drei Monaten sollen alle 17 deutschen Kernkraftwerke neuerlich überprüft werden (Stresstest), insbesondere auch dahingehend, ob Vorfälle wie derzeit in Japan auch bei deutschen Kernkraftwerken geschehen könnten. Sieben Kraftwerke, die vor 1980 in Betrieb genommen worden sind, werden während dieser Zeit vorerst abgeschalteten sein. Gundremmingen gehört nicht zu diesen Kraftwerken, da die Inbetriebnahme erst 1984 erfolgte. Die angelaufenen Überprüfungen werden dann zeigen, ob Gundremmingen den verstärkten Sicherheitsbedingungen standhält.

DAZ: Helmut Kohl hat den politischen Kurs von Angela Merkel sehr deutlich kommentiert. In Deutschland hätte sich durch die Ereignisse in Japan erst einmal nichts verändert. “Die Kernenergienutzung in Deutschland ist durch das Unglück in Japan nicht gefährlicher geworden, als sie es vorher gewesen ist”, so Helmut Kohl, der damit sicherlich nicht Unrecht hat. Kohl warnt vor einer “Rolle rückwärts” in der Energiepolitik. Ich teile diese Position nicht, aber immerhin hat Kohl eine Position, während man nicht so genau weiß, in welche Richtung sich die Energiepolitik der C-Parteien nach Fukushima entwickeln wird. Augsburg liegt mit 40 Kilometer Entfernung zu Gundremmingen. Wäre es nicht das Gebot der Stunde, das schnellstmögliche Abschalten in Gundremmingen und andernorts von Augsburg aus, von Bayern aus, politisch voranzutreiben?

Kränzle: Aktuellen Zahlen der Deutschen Energieagentur dena zufolge wurden 2010 rund 18 Prozent des Stroms in Deutschland aus erneuerbaren Energien gewonnen. Die Atomenergie machte noch 22,4 Prozent der Stromerzeugung aus. – Zwar könnten nach Einschätzung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung kurzfristig bis zu vier oder fünf Kernreaktoren vom Netz genommen werden, und diese Maßnahme könnte mit dem Überschuss an Strom in Deutschland kompensiert werden. Allerdings gehen im kommenden Jahrzehnt viele alte Kohlekraftwerke auch vom Netz. Das heißt, dass zuerst ein sinnvolles Energiekonzept mit verträglichen Strompreisen geschaffen werden muss, über das dann diskutiert werden kann. Ein planloses Abschalten würde die Strompreise in die Höhe schnellen lassen und unsere Wirtschaft gefährden.

DAZ: “Planloses Abschalten” klingt ein wenig krawallig. Aber gut, lassen wir das einfach mal so stehen und wenden uns der Lokalpolitik zu. Die Augsburger CSU hat in den zurückliegenden Monaten aus der Not heraus zwei starke Ideen entwickelt. Die Frage muss erlaubt sein, wer im Augsburger CSU-Vorstand auf die Idee kam, nachträglich in die fertige Kö – Umbauplanungen die so genannte Entlastungsstraße “einzubauen”?



Kränzle: Die Kö-Umbauplanungen lagen fertig auf dem Tisch. Ziel der CSU-Fraktion war es gemeinsam mit Pro Augsburg eine große Mehrheit des Stadtrates für dieses Projekt zu gewinnen. Um hier auch die SPD aber auch IHK, Einzelhandel, Gewerbeverband mit ins Boot holen zu können, war die von der SPD geforderte vorsorgliche Entlastungs-Strasse eine sich anbietende Verhandlungsvariante. Das entsprechende Zugeständnis hat letztlich auch die große Mehrheit beim Ratsbegehren gesichert.

DAZ: Damit hat die CSU mehr oder weniger eins zu eins im Herbst einen SPD-Vorschlag aufgenommen, den sie noch im Sommer einstimmig abgeschmettert hatte. Mit der Entlastungsstraße haben Sie die SPD ins Boot gezwungen und zugleich die Kritiker in der eigenen Fraktion ruhig gestellt.

“Übereinstimmung in einer ganz wichtigen Entwicklungsfrage für die Stadt Augsburg”

Kränzle: Der Königsplatz als ein ganz zentraler wichtiger Baustein in der Mobilitätsdrehscheibe ist so eminent wichtig, dass im Rahmen von Parteiüberlegungen, Vermittlungsstrategien zur Abwägung Eingang finden dürfen. Einen Kompromiss zu suchen ist auch immer im Sinn der Demokratie und hat auch sicherlich im Stadtrat zu großer Übereinstimmung in der Bewertung einer ganz wichtigen zentralen Entwicklungsfrage für die Stadt Augsburg geführt.

DAZ: Bei der zweiten starken Idee muss ich das von der Augsburger Allgemeinen nicht selten kolportierte “System Kränzle” ins Spiel bringen, indem ich die unverschämte Frage stelle, ob Sie Volker Ullrich jemals in der Vergangenheit einen Referentenposten in Aussicht gestellt haben. Haben Sie?

Kränzle: Das Fell kann man erst verteilen, wenn der Bär erlegt ist. Insofern hat sich eine diesbezüglich theoretische Spekulation beziehungsweise in Aussichtstellung erübrigt. Dr. Volker Ulrich war aber wie Sie wissen, schon lange in verschiedenen Positionen in der Partei und auch in der Fraktion im Gespräch.

DAZ: Zuletzt ging es aber in der Hauptsache darum, ob er aus der Fraktion fliegt. Sie waren 22 Jahre CSU-Bezirkschef, zwischen 1976 und 1980 Ordnungsreferent und stets ein OB-Macher erster Güte. Sie waren und sind einer der ganz großen Politikerpersönlichkeiten in Augsburg. Ein CSU-Super-Grande sozusagen. Ihr Führungsstil sei sehr stark von Versprechungen auf Posten geprägt. Unfriede sei immer dann entstanden, wenn ein Versprechen nicht eingehalten werden konnte, so die Legende zum “System Kränzle”. Um naiv zu fragen: Stimmt das?



Kränzle: Spurensuche? Politik ist die Kunst des Möglichen: also auch die Kunst, Einwände zu entkräften, oder viel eleganter, in sich zusammenfallen zu lassen. Führung, um ein politisches Ziel zu verwirklichen, heißt handeln. Weiter zu denken und die richtigen Entscheidungen besser vorzubereiten um im richtigen, entscheidenden Zeitpunkt zu verwirklichen. In Personalfragen müssen Verantwortung, Augenmaß, Motivation, und Überzeugungskraft Grundlage sein, um die Entscheidung für die richtigen Bewerber zu finden.

DAZ: Eine Frage komplett zu umschiffen, ist auch eine Antwort. Okay, aber nun konkret zu Volker Ullrich, der von der CSU als neuer Ordnungsreferent vorgesehen ist. Ullrich kann den Job vermutlich sehr gut mit Inhalten füllen. So gesehen: ein Fortschritt. Wenn man noch hinzufügt, dass für Ullrich Juri Heiser nachrückt, dann wird aus dem Gedanken, den Ordnungsreferenten aus der eigenen Fraktion heraus zu bestellen, eine richtig starke wahltaktische Idee, da Herr Heiser aufgrund seines russischen Migrationhintergrunds 2014 neue Wähler für die CSU gewinnen könnte. Außerdem hätte man den “Stänkerer” Ullrich aus dem politischen Tagesgeschäft entfernt – und somit den Unruheherd Ullrich und um Ullrich herum ein wenig beruhigt. Herr Kränzle, jetzt veräppeln Sie bitte nicht unsere Leser, indem Sie sagen, an diesen Überlegungen sei überhaupt nichts dran.

“Teilweise hat sich Volker Ullrich durch sein Verhalten selbst ins Abseits gebracht”

Kränzle: Zunächst einmal hat die Nachfolge unseres Freundes Juri Heiser überhaupt nichts mit der Person und Wahl unseres Kollegen Ullrich zu tun. Bei Ausscheiden eines Fraktionsmitglieds rückt listen mäßig Herr Heiser nach. Dass mit dem Nachrücken von Juri Heiser, auch die Migranten insbesondere die starke Vertretung der Deutschen aus Russland sich im Stadtrat vertreten sehen ist ein positiver Effekt, der sich aufgrund der Sachlage und nicht aufgrund taktischer Ideen ergibt.

Ohne Zweifel hat sich Volker Ullrich teilweise durch sein Verhalten selbst ins Abseits gebracht. Andererseits verfügt Herr Dr. Ullrich über die erforderlich fachliche Qualifikationen und politische Fähigkeiten, die es durchaus nahe erscheinen lassen, ihn die Verantwortung für das Ordnungsreferat zu übertragen. Insofern teile ich ihre Einschätzung. Dass mit dieser Entscheidung auch die nachrückende Jugend in die künftige Politik eingebunden wird ist sicherlich ein beruhigender und positiver Effekt, den ich nicht verneinen mag.

DAZ: Noch ein Wort zu Eva Weber. Trauen Sie ihr den politischen Knochenjob des “Augsburger Wirtschaftsministers” tatsächlich zu?

Kränzle: Frau Weber hat als Abwesenheitsvertreterin seit Monaten bewiesen, den an eine Referatsleitung gestellten fachlichen, aber auch Führungsanforderungen gerecht zu werden. OB Dr. Gribl wie auch Bürgermeister Weber haben ihre Tätigkeit stets äußerst positiv bewertet.

DAZ: Der Innovationspark ist wohl derzeit das einzige Großprojekt der Stadt, bei dem es nicht um Sanierung, beziehungsweise Umbau geht. Ein visionäres Projekt, dem vielleicht ein erfahrenes Projekt- und Entwicklungsmanagement mit Reputation gut zu Gesicht stünde.

Kränzle: Für das Projekt “Innovationspark” wurde bereits ein Team im Wirtschaftsreferat, sowie eines Kompetenzrates mit empfehlenden und beratenden Charakter installiert. Welche organisatorischen weiteren Maßnahmen erforderlich sind, wird sich in den kommenden Monaten abzeichnen.

DAZ: Die 2008 gewählte Stadtregierung hat die Hälfte der Zeit hinter sich. Der Königsplatzumbau, die Sanierung des Zentralklinikums mit einer 350 Millionen Finanzspritze inklusive Umwandlung in eine Uni-Klinik, der Startschuss zum Innovationspark, die Messe, die Sanierung der Kongresshalle sind große Projekte, bei denen die Stadtregierung punkten wird. So sieht es jedenfalls momentan aus. Wie sieht ihre Halbzeitbilanz aus? Was würden Sie dieser Erfolgsliste noch hinzufügen wollen, was muss, was soll, was könnte noch hinzukommen?

“Die Haushaltslage hemmt den Elan bei der Bädersanierung”

Kränzle: Wir haben uns Ziele bis 2014 gesetzt und werden uns Ziele darüber hinaus setzen. Das von Ihnen Angesprochene gehört dazu. Weiter würde ich nennen: den Neubau der Kinderklinik, die Schaffung der Grundlagen für das Leopold-Mozart-Zentrum, unseren Neuen Standort der Stadtarchäologie, die Umsetzung des Masterplans Feuerwehr, Sanierung des Plärrerbades, Neugestaltung des Brechtfestivals, die Fertigstellung des Wieselhauses bis 2012, die Interimsspielstätte Theater und die Ganztagsschulen.

DAZ: Was ist eigentlich aus der Sanierung der Bäderlandschaft geworden? Nach dem Bürgerentscheid gegen den Verkauf des Alten Stadtbades hat man gedacht, es geht postwendend los. Nun scheinen die ehrgeizigen Pläne aus haushalterischen Gründen ins Stottern gekommen zu sein.



Kränzle: Es ist richtig, dass die Haushaltslage den Elan in der Sanierung der Bäderlandschaft hemmt. Dennoch ist etwas geschehen. Ich denke hierbei an die Sanierung des Plärrerbades, aber auch an die Rettung des Naturfreibades Haunstetten durch Findung eines neues Trägers. Im Verwaltungshaushalt sind Sanierungen in diesem Jahr in den Hallenbäder Göggingen und Haunstetten sowie im Spickelbad vorgesehen. Beim alten Stadtbad steht die Erneuerung der zentralen Leittechnik an. Konkret besonders erfreulich ist die Entscheidung in diesen Tagen, das Dampfbad unverzüglich sanieren zu lassen. Weitere Maßnahmen sind dem Vermögenshaushalt entsprechend mit dem Bädermasterplan vorgesehen.

DAZ: Das Curt-Frenzel-Stadion fehlt in ihrer Aufzählung. Das CFS-Debakel geht nun offenbar als reiner Architekten-Pfusch in die Stadtgeschichte ein. Politische Verantwortung scheint es dafür nicht zu geben. Darüber ließe sich natürlich trefflich streiten. Sicher ist für uns allerdings – und dies ohne Wenn und Aber – dass sich die Stadtregierung schwere Versäumnisse bei der Containerausschreibung zuschreiben lassen muss. Sehen Sie das anders?

Kränzle: Am 20. Januar 2010 wurde das Stadttheater vom Stadtrat mit einem Investitionszuschuss von 162.000 Euro ausgestattet und ermächtigt, in Bauherrenfunktion das Architekturbüro PFP und drei weitere Fachbüros mit der Entwurfsplanung und Funktionalausschreibung für den Container zu beauftragen. Insoweit muss sich die Stadtregierung keine Versäumnisse bei der Containerausschreibung zuschreiben lassen. Dass der damals im Leistungsverzeichnis fixierte Stahlbau nicht den technischen Spezifikationen einer Funktionalausschreibung entsprach war nicht offenkundig.

DAZ: Aus unserer Sicht ist die Beruhigung der nächtlichen Maximilianstraße gescheitert. Das sogenannte Dönerverbot wurde durch das Verwaltungsgericht in München aufgehoben, die Anwohner beklagen sich nach wie vor über unzumutbare Bedingungen. Richard Goerlich hätte zusammen mit Raphael Brandmiller ein neues kulturelles Nutzungskonzept für die Maxstraße entwickeln sollen. Wo ist das geblieben?

Kränzle: Die Beschwerdelage ist nicht mehr die gleiche. Der Stadtjugendring spricht sogar davon, dass sich die Verhältnisse beruhigt haben. Vergleichen Sie hierzu den AZ-Artikel vom 6. April zur Debatte über die Sperrzeit. Ein neues Nutzungskonzept liegt noch nicht vor, ist aber auch nicht aus der hohlen Hand zu schütteln, sondern braucht viele Mitstreiter und eine politische Willensbildung. Allerdings: Dem OB liegt eine Sachstandserhebung mit Empfehlungen vor. Ich rege zur weiteren Umsetzung an, das bestehende Innenstadtkonzept sowie die verkehrsplanerische Maßnahmen einzubeziehen.

DAZ: Ein anderes Konzept, dazu noch ein umgesetztes, nämlich das zum Brechtfestival hat Sie kürzlich im Kulturausschuss ins Schwärmen gebracht. Sie hätten viel über Brecht gelernt und seien begeistert. Erklären Sie unseren Lesern, was an dem Festivalformat von Lang aus ihrer Sicht so grandios ist?

Kränzle: Das Brechtfestival ist auf dem besten Weg, Augsburg das Alleinstellungsmerkmal zu sichern. Wer, wenn nicht die Stadt Augsburg, kann in der Geschichte, ob durch Literatur, Politik, Philosophie mit Brecht auf Dauer eine weitere Seite aufschlagen? Brecht ist in der Gedankenwelt der Augsburger fest zu verankern.

DAZ: Am Ende ihrer Lobrede zum diesjährigen Brechtfest haben Sie im Kulturausschuss die Forderungen in den Raum gestellt, dass sich Kulturreferent Peter Grab um eine weitere Verlängerung des Augsburger Brechtfestes mit Festivalleiter Joachim Lang bemühen solle, also beim Bund und beim Freistaat weitere Fördermittel beantragen solle. Das war ein Tag nach Beendigung des Brechtfestivals. Mir sind zwei Dinge zu Ohren gekommen, erstens, dass das bereits geschehen sei und zweitens, dass dies derzeit vorbereitet wird. Was stimmt denn nun?

“Beim Theatercontainer ist alles korrekt, wohl aber unglücklich verlaufen”

Kränzle: Richtig ist, und das bestätigt ihre Vermutung: Die ersten zielführenden Gespräche habe ich in meiner Stellung als Abgeordneter (Kulturausschuss im Bayerischen Landtag) geführt.

DAZ: Noch ein Wort zum Theatercontainer. Die erste Ausschreibung von dem Büro in Hamburg hat bekanntermaßen dazu geführt, dass nur ein Bieter ein überteuertes Angebot eingebracht hat. Kulturreferent Peter Grab nannte das über viele Wochen schlicht “Pech”. Ich unterstelle Ihnen jetzt mal einfach, dass Sie mit mir die Einsicht teilen, dass es die Kategorie “Pech” in der Politik nicht gibt. Woran lag es also, dass die Ausschreibung so weit am Markt vorbeizielte?

Kränzle: Das hat damit zu tun, dass der damals im Leistungsverzeichnis fixierte Stahlbau nicht den technischen Spezifikationen einer Funktionalausschreibung entsprach.

DAZ: Oberbürgermeister Kurt Gribl benannte in seiner Halbzeitbilanz nur den “unglücklichen Verlauf” um die Interimsspielstätte des Theaters als einzigen schwarzen Fleck in seiner bisherigen Amtszeit. Bei der Interimsspielstätte hätte man die “Klugheit von heute” gebraucht, so Gribl. Die aktuelle Ausschreibung sieht nun ganz anders aus als die erste. Warum hat die Stadt so lange zugesehen? Oder gar weggesehen. Warum hat Baureferent Merkle so spät – als alle Felle den Bach runter waren – die Ausschreibung übernommen?

Kränzle: Da das Baureferat ausgelastet war, wurde die Ausschreibung bekanntlich extern vergeben. Aufgrund der Kürze der Ausschreibung als auch ihres spezifischen Inhalts wegen war nur ein Angebot eingegangen. Die Kosten schnellten zwischenzeitlich von 4,2 Millionen Euro auf rund 6,6 Millionen Euro. Aus diesem Grund musste die Ausschreibung auf breiterer Basis wiederholt werden und läuft zurzeit noch.

DAZ: Müsste man Peter Grab und Finanzreferent Weber nicht auch in die Pflicht nehmen? Schließlich sind bei der ersten Ausschreibung 180.000 Euro zum Fenster hinausgeworfen worden. Warum also hat man so lange zugesehen? Warum hat man die in bautechnischen wie baurechtlichen Angelegenheiten offensichtlich überforderte Theaterleitung so lange machen lassen?

Kränzle: Meines Wissens ist alles korrekt, wohl aber unglücklich, verlaufen. Insofern stellt sich die Frage nicht.

DAZ: Derzeit brütet die Regierung Schwaben darüber, ob sie dem aktuellen Haushalt mit einer Neuverschuldung von 50 Millionen Euro zustimmen soll. Im Stadtrat müssen Sie sich keine Sorgen um Zustimmung machen, nachdem die SPD ihr OK zur Neuverschuldung gegeben hat. Wird die Regierung ihre Zustimmung geben?

Kränzle: Ich gehe davon aus, dass die Regierung von Schwaben den Haushalt mit einer Neuverschuldung mit Auflagen genehmigen wird.

DAZ: Warum musste die Stadt dieses Jahr so hoch überziehen?



Kränzle: Die Ursache liegt hauptsächlich am Haushaltsfehlbetrag 2009 in Höhe von 38 Millionen Euro, der spätestes 2011 abzudecken war. Trotz der größten Finanz- und Wirtschaftskrise seit der Nachkriegszeit ist es uns gelungen – mit dem größten Investitionsvolumen seit Jahrzehnten – die Stadt nicht nur zu verwalten, sondern auch zu gestalten. Zwar musste die Umsetzung einiger Projekte aufgrund der Finanz- und Wirtschaftskrise gestreckt werden, jedoch eröffnete die Krise auch die Möglichkeit aufgrund des Konjunkturpakets II neue Projekte aufzunehmen. Mit einem Stufenplan ist vorgesehen bis Ende der Legislaturperiode zu einem ausgeglichenen Haushalt zurückzukehren.

DAZ: Herr Kränzle, Sie sind Jahrgang 1942 und werden somit dieses Jahr im September 69 Jahre alt. Niemand kann sich nach einem halben Jahrhundert in Augsburg vorstellen, wer oder was nach der Ära Kränzle in der CSU passiert. Frage: Können Sie sich überhaupt vorstellen, sich aus dem politischen Tagesgeschäft zurückzuziehen?

Kränzle: Mir macht Politik noch richtig Spaß: Erfahrung aus langer politischer Tätigkeit und der stets vorhandenen Neugier, was kommt und was es zu lösen gilt, das hält im politischen Geschäft jung. Ich weiß aber auch: Alles was ist, endet.

DAZ: Im Berufsleben weiß man normalerweise, wann das der Fall sein wird.

Kränzle: Zur “rechten Zeit”.

DAZ: Schafft der FCA heuer den Aufstieg?

Kränzle: Ja. Wenn nicht 2011, wann dann?

DAZ: Als ich bei der Recherche zu diesem Gespräch erfuhr, dass Sie Kurt Haseneder – neben Helmut Haller und Bernd Schuster – für den besten Augsburger Fußballer aller Zeiten halten, dachte ich, dass Sie möglicherweise zur Gilde der Augsburger Fußballversteher gehören könnten. Können Sie sich an den 27. Dezember 1964 erinnern?

Kränzle: Leider habe ich das Spiel*) nicht gesehen. Aber Ihre Fragen, danke, macht Erinnerungen wach. Die größte Fußballstadt: Fusion Schwaben / BCA, Länderspiele Bulgarien, Griechenland, Österreich (B) und vor allem 1973/74. Damals ein Beinaheaufstieg. 2011 der Aufstieg. Schade das Max Gutmann nicht mehr dabei sein kann.

DAZ: Herr Kränzle, vielen Dank für das Gespräch.

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Fragen: Siegfried Zagler.

*) Anmerkung der Redaktion: Am 27. Dezember 1964 spielte der TSV Schwaben um den Süddeutschen Pokal in Augsburg gegen Bayern München. Kurt Haseneder traf als Mittelstürmer beim 7:3 Erfolg gegen die Bayern mit Franz Beckenbauer vier Mal in das Tor von Sepp Maier.