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Dienstag, 23.07.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Kommentar

Höhmannhaus: Der Skandal besteht darin, einen Systemfehler am Verhalten einer Einzelperson festmachen zu wollen

Warum die “Causa Höhmannhaus” schwerwiegende Systemfehler in der Verwaltung offenlegt und warum die Stadt Augsburg gegen sich selbst “dienstrechtliche Maßnahmen” einleiten sollte

Kommentar von Siegfried Zagler

“Nach erster Sichtung könnte die Stadt Augsburg von einem Schaden in nicht unerheblicher Höhe betroffen sein.” Dieser Satz ist verheerend – und zutreffend. Allerdings nicht in diesem inhaltlichen Zusammenhang, wie er von Kulturreferent Thomas Weitzel intendiert war. Im “Fall Höhmannhaus” geht es längst um mehr als um die Frage, ob die dort aufgerufenen Mieten zu hoch sind oder nicht. 

Es geht um einen fahrlässigen Umgang mit der bürgerlichen Existenz von städtischen Angestellten und um einen nachlässigen Umgang mit der geschichtlichen Bedeutung der Stadt Augsburg. Und es geht um einen Schadensfall, der das Vertrauen in die Gremien und die Organisationsstrukturen der Stadt erschüttert und beschädigt hat wie kein zweiter Fall in der jüngeren Stadtgeschichte.

Der Fall Höhmannhaus führt vor, dass es der Stadt bis heute nicht gelungen ist, transparente und saubere Regelverfahren für ihren Immobilienbesitz herzustellen. Und darüber macht er ein politisches Versagen sichtbar, das mit Kommunikationsdefiziten auf der Referentenebene zu erklären ist.

Der Skandal besteht darin, dass die Stadt versucht, ihre organisatorischen Defizite als Fehlverhalten einer Einzelperson darzustellen 

Die banale Feststellung des Augsburger Rechnungsprüfungsamtes, dass nämlich die Mieten im Höhmannhaus zu niedrig angesetzt sind, hat nicht zur Behebung des mutmaßlichen Schadens geführt, sondern zur Vergrößerung, besser gesagt: Die Stadt hat mit ihren organisatorischen Defiziten Schaden generiert und versucht ihn nun als Fehlverhalten einer Einzelperson darzustellen. Darin besteht der Skandal – und nicht in der thematisierten Miethöhe. 

Es gäbe brennende Fragen im Verfahren gegen Christof Trepesch, das Kulturreferent Thomas Weitzel gegenüber der DAZ mehrmals “Disziplinarverfahren” nannte, laut “Stadtsprecher” Richard Goerlich aber nicht mehr als eine “dienstrechtliche Maßnahme” ist, also ein Feststellungsverfahren darstellt, das untersucht und prüft, ob überhaupt ein Fehlverhalten seitens des Leiters der städtischen Kunstsammlungen vorliegt. 

Dass es zwei verschiedene Begriffe dafür gibt, was die Stadt unternimmt, um den Vorschlägen des Rechnungsprüfungsamtes zu folgen, ist kurios. Dass man aber zur Einleitung einer Untersuchung, welcher Art auch immer, zwei sich widersprechende städtische Wertaussagen von zwei verschiedenen Ämtern verwendet, ist ein Indiz dafür, wie tief das Misstrauen zwischen den einzelnen Verwaltungsabteilungen der Stadt Augsburg geworden ist.

Einen prominenten Mann der Kunstverwaltung öffentlich an den Pranger zu stellen und ihn pauschal vorzuverurteilen, ist ein Vorgang, den es so bisher nicht gegeben hat. Dass dies geschehen konnte und geschieht, ist Ausdruck der aktuellen politischen Verkapselung, die sich in Organisations- und Kommunikationsdefiziten der Verwaltung widerspiegelt.

Die Stadt geht nachlässig mit ihrem historischen Bestand um 

Kunstmäzenin Dr. Ruth Höhmann vermachte der Stadt bekanntermaßen ihr gesamtes Anwesen in der Maximilianstraße mit der Auflage, es “auf Dauer in ihrem Gemeindevermögen zu behalten und zu erhalten und als Sondervermögen gesondert von ihrem übrigen Vermögen zu verwalten.” Frau Höhmann verstarb 2004 und wusste wohl zu Lebzeiten, wie nachlässig und wenig wertschätzend die Stadt Augsburg mit ihrem historischen Bestand umgeht. Als Beispiel der jüngeren Geschichte ist die Staats- und Stadtbibliothek zu nennen. Die erste Stadtregierung unter OB Kurt Gribl erwog den Verkauf des Hauses an einen privaten Investor, weil sie den Unterhalt des Hauses als zu kostspielig empfand. Federführende Akteure bei diesem Vorhaben waren der damalige Finanzreferent Hermann Weber und die CSU. Die Idee scheiterte am Widerstand der “Freunde der Stadtbibliothek”, die sich zusammen mit dem damaligen Bibliotheksdirektor Dr. Helmut Gier und dem damaligen Kulturreferenten Peter Grab gegen diese Barbarei ins Zeug legten, bis der Freistaat der Stadt entgegenkam und diese großartige Bibliothek verstaatlichte.

Weitere Beispiele? Gerne: Die städtische Immobile “Maximilianstraße 54” verkaufte die Stadt an einen Investor mit der Begründung, dass sie zu wenig Geld habe, um den Unterhalt zu stemmen. Der Verkaufspreis des riesigen Anwesens: 1,2 Millionen Euro. Ein Schnäppchen. Das war 2012. Die Mieter dieses städtischen Anwesens bezahlten damals deutlich weniger als Museumsdirektor Christof Trepesch und seine Lebensgefährtin im Höhmannhaus, nämlich 2,50 Euro pro Quadratmeter.

Über das Gignouxhaus in der Altstadt sollte man kein Wort verlieren: Jahrzehntelang sah die Stadt dem Verfall dieses historisch wertvollen Gebäudes zu und fügte sich dankbar wie willenlos in die Sanierungsvorstellungen eines Münchner Investors.

Über den jahrzehntelang andauernden baulichen Verfall des Stadttheaters und die damit extrem angestiegenen Sanierungskosten wurde viel berichtet. Auch der bauliche Zustand der Schulen lässt tief blicken. Als letztes Beispiel für einen leichtfertigen Umgang mit städtischem Eigentum ist die Fuggerstraße 12 anzuführen. Für 2,7 Millionen verkaufte die Stadt das Gebäude im vergangenen Jahr an einen Augsburger Radiosender, der dort seine Verwaltung einziehen lassen will. Damit werde die Innenstadt kulturell aufgewertet, ließ die zuständige Referentin Eva Weber die Öffentlichkeit wissen. Die Opposition geißelte diesen Verkauf, weil daraus für die Stadt Kosten resultierten, die den Verkaufspreis um mehr als die doppelte Verkaufssumme überragten.

Nach Informationen der DAZ lassen Stadträte aktuell von Fachanwälten überprüfen, ob die Stadt das Gebäude gemäß Gemeindeordnung überhaupt hätte verkaufen dürfen.

Hermann Weber ging durch die Referate wie ein Sensenmann mit Rotstift

In ihrer Not, einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen zu müssen, neigt die Stadt dazu, ihren historischen Besitz zu verkaufen und ihre Pflichtaufgaben zu vernachlässigen. Dazu gehört auch die Pflege und Erhaltung der städtischen Gebäude. So liegt nach Informationen der DAZ ein Aktenvermerk vor, der belegt, dass die Kämmerei die Städtischen Kunstsammlungen dazu aufgefordert hat, die Mietzahlungen für das Erdgeschoss im Höhmannhaus an das “Sondervermögen Höhmannhaus” einzustellen. Das war im Jahr 2012. Damals stand die Stadt unter erhöhtem Sparzwang und der damalige Finanzreferent Hermann Weber ging durch die Referate wie ein Sensenmann mit Rotstift.

Die Kunstsammlungen folgten dieser Aufforderung und mussten somit in sechs Jahren auf knapp 400.000 Euro verzichten. Damit missachtete die Stadt den Vermächtnis-Willen von Ruth Höhmann, die festlegen ließ, dass das Anwesen nur für kulturelle Zwecke zu nutzen sei. Ausgenommen davon sind die Wohnungen und Geschäftsräume, die “weiterhin vermietet werden sollen”, wie es im Höhmann-Vermächtnis heißt. Diese Einnahmen sollten, so wollte es die Stifterin, “der Pflege und Erhaltung des Anwesens zur Verfügung stehen”.

Die Stadt hätte das Anwesen längst in ein nachvollziehbare Vertragssituation überführen müssen

Es ist darüber hinaus davon auszugehen, dass das Verhältnis von Vorbesitzer/Vermieter/Mieter im Höhmannhaus von den städtischen Kunstsammlungen nicht selbst in eine übersichtliche und nachvollziehbare Vertragssituation zu überführen war, weshalb dies vom zuständigen Referat hätte geschehen sollen. Weder die Verwaltung des ehemaligen Kulturreferenten Peter Grab noch die von Kulturreferent Thomas Weitzel ist diesbezüglich aktiv geworden. 

Mehr als einen Ordner vom Büro des Nachlassverwalters ins Büro der Kunstsammlungen zu stellen, ist nicht geschehen. Darin liegt der Systemfehler, den Kulturreferent Thomas Weitzel auf die Spitze trieb, indem er nicht handelte, als Handeln noch geholfen hätte. Weitzel hätte längst dafür sorgen müssen, dass Trepesch und Co. einen höheren Mietzins zahlen, indem er zum Beispiel dafür gesorgt hätte, dass die Verwaltung des Höhmannhauses einer anderen Dienststelle übertragen worden wäre, was nun ja geschehen soll – nachdem der Kollateralschaden längst eingetreten ist.

Unklar bleibt auch die Frage, ob sich die testamentarische Verfügung, die Mieten des Höhmannhauses “ortsüblich” bzw. “marktgerecht” anzupassen, auf städtische Immobilien bezieht oder auf den gesamten Wohnungsmarkt der Stadt. Letzteres erscheint eher unwahrscheinlich, denn sonst hätten Ruth Höhmann und Verwalter Franz Xaver Kuppelmayr ihren Mietzins nicht so niedrig angesetzt, wie das zu ihren Lebzeiten der Fall war.

Dass die Kämmerei dem Höhmannhaus Unterhaltsmittel entzieht und zugleich einen zu niedrigen Mietzins moniert, ist in keinem Gutachten vermerkt 

Das Paradoxon, dass die Stadt hochrangigen städtischen Beamten vorwirft, durch zu geringe Mietsetzungen einen “Schaden in nicht unerheblicher Höhe” zu verursachen und zugleich selbst die Unterhaltsmittel für das Höhmannhaus in “nicht unerheblicher Höhe” kürzt, ist weder im Kampe-Gutachten noch in einer anderen Untersuchung vermerkt. Vergleichsmieten von Immobilien, die 150 Quadratmeter übersteigen, kennt das vom Rechnungsprüfungsamt beauftragte Gutachten von anderen Städten. Mietpreise von anderen Mietverhältnissen städtischer Liegenschaften kennt das Gutachten wohl eher nicht.

Die Stadt müsste in Sachen Höhmannhaus gegen sich selbst “dienstrechtliche Maßnahmen” einleiten, besser: ein Disziplinarverfahren durchführen, auf jeden Fall ein Verfahren, das von einer Person geleitet wird, die nicht persönlich in die “Causa Höhmannhaus” verwickelt ist. Schließlich geht es auch um die Klärung einer politischen Frage, die als Ethik-Richtschnur einer Kommune erkennbar sein sollte.

Gemeint ist, dass man gegenüber dem freien Wohnungsmarkt eine ethische Differenz zu gestalten hat, die einer Gemeinwohl-Verpflichtung geschuldet ist. Dass die Stadt Augsburg in dieser Angelegenheit von einem schweren Systemfehler geschlagen ist, ist eine Erkenntnis, die man dem “Fall Höhmannhaus” zu verdanken hat.