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Montag, 22.07.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Herbstliche Literatur-Reflexionen

Um Bücher geht’s in der Stadtbücherei, bei der Spät-Lese und im Literarischen Salon

Von Frank Heindl

Am vergangenen Donnerstag gab’s zum ersten Mal in der neuen Saison wieder den „Literarischen Salon“ im Foyer des Stadttheaters, am gestrigen Dienstag ging auch schon die erste Veranstaltung der herbstlichen „Spät-Lese“-Reihe über die Bühne – das literarische Leben in Augsburg erwacht zu einem interessanten Herbst. Augsburgs „Chef-Leser“ und Buch-Protegé Kurt Idrizovic hatte schon in der vergangenen Woche zur Pressekonferenz in die Stadtbücherei eingeladen, um das literarische Herbstprogramm vorzustellen.

Allerdings stemmt natürlich nicht Idrizovic allein die vielfältigen Aktivitäten rings ums Buch, lobt stattdessen, dass der Literatur in Augsburg mit der Neuen Stadtbücherei ein stabiles Standbein gewachsen ist. Auch Büchereichef Manfred Lutzenberger und seine Veranstaltungs-Koordinatorin Christine Hempel freuen sich, dass es die Bücherei binnen kurzer Zeit geschafft habe, „zu einem kulturellen Zentrum der Stadt zu werden“ – nicht zuletzt, wie Hempel betont, aufgrund der interkulturellen Öffnung der Bücherei. So finden denn auch bis auf eine Ausnahme alle Veranstaltungen der Spät-Lese in der Stadtbücherei statt – Bücher müssen schließlich dort präsentiert werden, wo sie hingehören.

Tatort-Carlo liest Bronski-Krimis

In der nächsten Veranstaltung der Spät-Lese-Reihe wird am Samstag, 23. Oktober (19.30h) der als Carlo Menzinger – Assistent der Münchner Tatort-Kommissare – sattsam bekannte Michael Fitz aus den ebenso bekannten München-Krimis von Max Bronski lesen. Zwar bestreitet Fitz wie eh, selbst der Autor der Krimis zu sein – der echte Schriftsteller Bronski sei unbekannt und äußere sich nur literarisch, er, Fitz, vertrete ihn aber bei Lesungen – jedenfalls aber liest er vor, als ob’s ein Stück von ihm selber wäre.






Es folgen in lockerem Abstand der Augsburger Erfolgsautor Peter Dempf, der nicht nur aus neuen Werken lesen, sondern auch Einblicke in seine „literarische Werkstatt“ und Arbeitsweise geben wird (Mittwoch, 10. November, 19.30h), anschließend parliert der Schriftsteller und Kolumnist Jochen Schmidt über „Weltall. Erde. Mensch.“ Ein wenig aus der Reihe fällt am Samstag, 19. November um 19.30h die CD-Präsentation „Dass nichts bleibt, wie es war.“ Sie findet ausnahmsweise nicht in der Stadtbücherei statt, sondern in Brechts Bistro (Auf dem Rain 6). Der Herausgeber Dr. Jürgen Schebera aus Berlin präsentiert seine bei der Büchergilde erschienene Sammlung von Arbeiter- und Friedensliedern. „Wir sind ja eine Arbeiterstadt“, meint Kurt Idrizovic, „und dazu bekennen wir uns.“ Aus den 280 Aufnahmen wird Schebera die prägnantesten vorstellen – man wird Ernst Busch, Hannes Wader, Dieter Süverkrüp und viele mehr zu hören bekommen.

Von Verleger- und Dichterfürsten

Am 30. November folgt dann noch eine Lesung mit Norbert Gstrein – er liest aus seinem Werk „Die ganze Wahrheit“, das in literarischen Kreisen für Furore sorgt, weil es relativ unverschlüsselt über die Vorgänge im Verlagshaus Suhrkamp nach dem Tod des Verlegers Siegfried Unseld berichtet. Gstrein bestreitet zwar, dass es sich um einen „Schlüsselroman“ handle – die Parallelen zur vielfach als skandalös empfundenen Machtübernahme durch Suhrkamps Frau Ulla Berkéwicz sind aber unübersehbar. Zum Schluss gibt’s dann noch eine der deutschen Literaturgeschichte gewidmete Veranstaltung: Der Philosoph Rüdiger Safranski liest aus seinem Buch „Goethe und Schiller“ – die Doppelbiographie einer Schriftsteller-Freundschaft, in der auch Liebe, Neid und Eifersucht ihre Rollen spielen, stellt die beiden Dichterfürsten in ein teilweise neues Licht.

Damit allerdings sind noch längst nicht alle Veranstaltungen aus der Literatur und angrenzenden Gebieten in der Neuen Stadtbücherei erwähnt, geschweige denn gewürdigt. Gleich am kommenden Sonntag, 10. Oktober präsentiert beispielsweise Christian Krug in einer Matinee (11 Uhr) „Nachdenkliches zum 150. Geburtstag“ von Anton Tschechow, am 13. Oktober (19.30 Uhr) erzählt Henrik Broder aus seinem neuesten Buch „Früher war alles besser“ – man darf sich da auf einen interessanten, auch kontroversen Abend mit dem streitbaren und sehr streitfreudigen Journalisten freuen. Am 15. Oktober (20 Uhr) präsentieren die Schauspielerin Karla Andrä und der Musiker Josef Holzhauser ihr Programm mit Lyrik von Bertolt Brecht unter dem Titel „O Lust des Beginnens“, am 29. Oktober (19.30 Uhr) liest Georg Klein aus seinem „Roman unserer Kindheit“ – und, und, und. Das vollständige Programm gibt’s auf Flyern und demnächst auch auf den Internetseiten der Stadtbücherei.

Literatursalon startet einmütig

Schon am vergangenen Mittwoch (29.9.) war im Foyer des Stadttheaters der Startschuss für den „Literarischen Salon“ in der neuen Theatersaison. Moderiert von der Schauspielerin Daniela Nering (S’ensemble Theater) diskutierten im voll besetzten Foyer der Erste Kapellmeister des Stadttheater Kevin John Edusei, Michael Schreiner, Kulturchef der Augsburger Allgemeinen, und Christiane Hempel von der Stadtbücherei über drei literarische Neuerscheinungen. Im Großen und Ganzen herrschte auf dem Podium Einigkeit über die Bewertung der drei vorgestellten Romane – es gab wenig Kontroverses zu hören. Martin Suters „Der Koch“, vorgestellt von Christiane Hempel, von als „leichte Kost“ bewertet, Schreiner fand das Buch „stellenweise zu platt“, lesenswert scheint es trotzdem zu sein. Ein schwerer Brocken ist wohl „Cash“ von Richard Price. Edusei war von der „filmischen Schreibweise“ des US-Autoren beeindruckt, Schreiner nannte das einen „Stil mit schnellen Schnitten“ und zeigte sich auch begeistert von den langen, durchweg spannenden Dialogen. Eine Verhörszene, die sich über 48 Stunden und 100 Buchseiten hinzieht, sei zu keiner Zeit langweilig geworden.

Während in Price’s Roman ein Mord am Schluss aufgeklärt wird, ohne das allerdings das Problem von schuldig und nicht schuldig gelöst werden kann, ist das in Paul Austers neuem Buch ganz anders. Auch er handelt in New York, und auch hier geht es um einen Mord. Doch was wirklich passiert ist, was Phantasie der Beteiligten, was bewusste Täuschung durch den Schriftsteller ist, bleibt auch am Schluss ungeklärt. „Typisch Auster“, erklärte Michael Schreiner, der das Buch vorstellte, und auch hier waren sich die drei Diskutanten einig: Auster schaffe es auf brillante Weise, den Leser „mit in die Werkstatt des Schreibens rein“ zu nehmen (Hempel), das Buch sei „unglaublich souverän und meisterhaft komponiert“ (Schreiner), der Leser werde beständig hinters Licht geführt (Edusei). Ein bisschen Kritik kam da lediglich von den Zuhörern: Sie finde den Roman „maniriert und konstruiert“ klagte eine Frau aus dem Publikum.

Die besprochenen Bücher:

* Martin Suter, Der Koch. Diogenes Verlag, Zürich 2010. 272 Seiten, 21,90€.

* Richard Price: Cash. Fischer Verlag, Frankfurt 2010. 521 Seiten, 19,95 €.

* Paul Auster: Unsichtbar. Rowohlt Verlag, Reinbeck 2010. 320 Seiten, 19,95 €.


Der nächste Literarische Salon findet am Mittwoch, 27. Oktober, um 20 Uhr wiederum im Foyer des Stadttheaters statt. Karten gibt es zu 5 Euro an der Theaterkasse. Es diskutieren Roland Marzinowski (Dramaturg am Stadttheater), Kurt Idrizovic (LiteraturTeam) und Frank Heindl (DAZ). Die Moderation übernimmt Christiane de Santana von der IG Metall Augsburg. Vorgestellt werden: „Unter dieser furchterregenden Sonne“ von Carlos Busquet, „Die ganze Wahrheit“ von Norbert Gstrein, „Drei starke Frauen“ von Marie Ndiaye.