Hallo Herr Weinzierl: Auf Schalke verbrennen Trainer wie Motten im Licht
Markus Weinzierl sollte den FCA nach dieser Saison verlassen. Zu lange dauern die Spekulationen über seinen vorzeitigen Abschied aus Augsburg. Man hat das Thema längst satt und will kaum noch darüber sprechen und noch viel weniger darüber schreiben: Hauptsache das Schmierentheater findet schnellstmöglich ein Ende. Vielleicht landet Weinzierl nun doch noch bei einer der besten Bundesligaadressen, nämlich bei Borussia Mönchengladbach, vielleicht aber auch bei Schalke, wo Weinzierl natürlich untergehen würde.
Kommentar von Siegfried Zagler
Uli Maslo gehörte zu den zwei Trainern auf Schalke, die lange genug beim Revierklub beschäftigt waren, um dort eine eigene Handschrift entwickeln zu können: Fünf Jahre war Maslo Trainer in Gelsenkirchen. Uli Maslo? Das liegt über 40 Jahre zurück. Der nächste Trainer, der den Rauswurf-Turnus von ein oder zwei Jahren unterbrechen konnte, hieß Huub Stevens. Stevens erstes Engagement bei Schalke dauerte von 1996 bis 2002. Stevens führte den Schalker Skandalklub aus der Krise zum Gewinn des UEFA-Cups und konnte mit seiner einfachen Philosophie und und seiner distanzierten und zugleich aggressiven Art den tödlichen „Schalker Kreisel“ mit den Mitteln der Gleichgültigkeit von sich fernhalten – bis der Erfolg ausblieb. 43 Trainerwechsel in 40 Jahren ist ein Schalker Weltrekord der besonderen Art. Würde man die 11 Maslo/Stevens-Jahre abziehen, käme man auf eine durchschnittliche „Trainerverweildauer“ von acht Monaten.
Während man in München und südlicheren Gefilden eher dazu neigt, die Trainer auf einen Schild zu heben, dessen Höhe nicht immer gerechtfertigt scheint, neigt man in Gelsenkirchen dazu, die Fußballlehrer zu verteufeln. Man hasst sie deshalb schnell, weil sie das ewige Versprechen nicht einlösen, das sie insgeheim geben, wenn sie bei Schalke unterschreiben, nämlich die Deutsche Meisterschaft und die Champions League zu gewinnen. Ein Trainer auf Schalke bleibt nur über den Tag hinaus unangefochten auf seinem Schild, wenn er das Schwert aus dem Stein zieht und beweisen kann, der rechtmäßige, der wahre Trainer-König für einen Verein zu sein, der eine der letzten Mythen nährt, die in der Moderne noch am Leben geblieben sind. Auf Schalke sind Trainer Kumpel & König oder eben Marionetten einer Maschinerie, die selbst jene nicht mehr verstehen, die sie erfunden haben und täglich antreiben.
Markus Weinzierl Trainer auf Schalke? Warum nicht? Nach Jens Keller und Andre Breitenreiter ginge alles! Allerdings, soweit sollte Weinzierl zusammen mit seinem Berater Roman Grill denken können, ist nicht damit zu rechnen, dass Weinzierl wie einst König Artus eine unlösbare Aufgabe zu lösen in der Lage ist. Schalke ist eine straff organisierte und hoch funktionale Trainervernichtungsmaschine. Viele Schalke-Trainer verschwanden nach Schalke in der Versenkung oder erholten sich nur langsam von den narzisstischen Kränkungen, die sie dort erdulden mussten. Gelsenkirchen, mit 250.000 Einwohnern ein wenig kleiner als Augsburg, definiert sich über seinen Fußballverein. Der Klub ist von Bildzeitungsinformanten durchsetzt, die Fans neigen zur Hysterie und das Management zur Ungeduld. Ein beschauliches Arbeiten wie in Augsburg ist dort unmöglich. Weinzierl zöge von einer Allgäuer Berghütte ins Zentrum von Tokio um, wechselte er nach Gelsenkirchen. Auf Schalke verbrennen Trainer wie Motten im Licht. – „Und wenn sie verbrennen, dann wundert das nicht”, frei nach Marlene Dietrich, einst selbst eine Königin. Mit Christian Heidel und Markus Weinzierl soll in Schalke eine neue Zeitrechnung beginnen. Wer aus dem Stegreif heraus denkt, dass das klappen könnte, kann sich auch vorstellen, dass Madonna mit Frank Elstner glücklich werden könnte.