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Donnerstag, 29.08.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Große Koalitionen vergiften die politische Kultur der Eindeutigkeit

Manchmal muss nur einer schreien, damit alle aufwachen. Warum der “Schulz-Effekt” Anlass zur Hoffnung gibt.

Kommentar von Siegfried Zagler

Afghanistan ist nicht sicher! Wenn die Informationen der Süddeutschen Zeitung vom 10. Februar zutreffen, dann ist ein aus dem Raum Bamberg abgeschobener Afghane bei einem Anschlag verletzt worden. Dass man Menschen, die in Deutschland Schutz suchten, wieder den Gefahren aussetzt, vor denen sie geflohen sind, ist Rechtsbruch und eine Verhöhnung des Grundgesetzes. Zehntausende Flüchtlinge sollen in den nächsten Monaten nach Afghanistan abgeschoben werden, weil es dort sicher sei, wie der Innenminister meint. Das ist eine irrsinnige Behauptung, die einer machtpolitischen Überlegung geschuldet ist: Angela Merkels emotionale Flüchtlingspolitik soll vor der Bundestagswahl mit einem zynischen Kniefall vor den rechten Populisten dieses Landes repariert werden.

Afghanistan versinkt im Chaos von Bürgerkrieg und Terrorismus. Die Taliban sind nicht unterzukriegen. Selbst die Bundeswehr ist nicht mehr in der Lage, deutsche Einrichtungen zu schützen. Schussgefechte, Entführungen und Anschläge sind in den als “sichersten Regionen” bezeichneten Teilen des Landes an der Tagesordnung. Es wird getötet, gefoltert und entführt.

Deshalb ist es wohltuend, wenn sich Menschenrechtsorganisationen (wie in Augsburg zum Beispiel der Flüchtlingsrat) zusammenschließen, um sich gegen das schreiende Unrecht und die menschenverachtende Haltung der Bundesregierung zur Wehr zu setzen – und um genau das zu unternehmen, was die Politik der Großen Koalitionen vermeidet, nämlich Verbrechen gegen die Menschlichkeit eben genau als diese zu bezeichnen.

Eine weitere Hoffnung auf eine Politik der Menschlichkeit beruht auf dem sogenannten “Schulz-Effekt”. Nach einer von der BILD am Sonntag in Auftrag gegebenen Umfrage befindet sich die SPD mit 32 Prozent auf dem höchsten Wert seit 10 Jahren. Die Grünen sinken zwar, aber die rechtspopulistische AfD ebenfalls. Nach Emnid müssen die Grünen mit nur 7 Prozent der Wählerstimmen um den erneuten Einzug in den Bundestag bangen. Die Union liegt bei 33 Prozent, die AfD bei 10 Prozent. Unverändert bleiben die Linken (8 Prozent) und die FDP (6 Prozent).

Damit soll die Momentaufnahme Gültigkeit bekommen, dass die von Willy Brandt beschworene “Mehrheit links der Mitte” nicht auf dem Müllhaufen der Geschichte verschwunden ist, weil Schröder und Co. die Kraft dieser Mehrheit mit ihrem Ich-AG-Geschwätz, also mit dem Gift des Neoliberalismus nachhaltig betäubt hatten. Die Politik muss wieder eine klare Sprache finden und das Eindeutige eindeutig benennen. Wer das deutsche Asylrecht mit Füßen tritt, soll als Rechtsbrecher benannt werden und in einer Zivilgesellschaft als unwählbar dargestellt werden.

Es wäre ein zu wünschender demokratischer Grundsatz, die humanistischen Leitsätze unserer politischen Kultur im Bund wie in den Ländern und in den Kommunen nicht von den vorübergehenden Umfrageerfolgen einer rechtspopulistischen AfD oder einer Stammtischpartei wie der bayerischen CSU abhängig zu machen. Die Politik lebt von den großen Themen wie Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Und nicht davon, wer von der aktuellen Steuerpolitik den größten Profit zu erwarten hat.