Gribl in Schwierigkeiten, Grüne in Not
Warum Kurt Gribl bei der geplanten Fusion zwischen der Erdgas Schwaben GmbH und der Stadtwerke Energie GmbH keinen Bürgerentscheid will und warum die geplante Fusion die Grünen zerlegt
Kommentar von Siegfried Zagler
I Die Bürger können entscheiden
Ob eine Fusion zwischen Erdgas Schwaben und Stadtwerke Energie GmbH für die Stadtwerke Augsburg insgesamt einen Fortschritt bedeutet und somit auch für die Bürger der Stadt, ist in der Tat eine schwierige Frage, die aber auch nicht schwieriger zu entscheiden ist als die Frage des Bürgerentscheids am 25. November 2007 zum Königsplatz. Um was es dort im Einzelnen ging, ob die Fördermittel für das Gesamtprojekt gefährdet waren oder nicht, wenn man für den von Kurt Gribl und der CSU unterstützten Bürgerentscheid stimmte: Wer konnte das damals schon wissen? Die Bürger misstrauten der damaligen Stadtwerke-Planung und stimmten für einen Neustart (Ideenwettbewerb). Das war der Beginn einer neuen politischen Ära und der Beginn einer Karriere aus dem politischen Nichts: Mit Kurt Gribl betrat ein Mann die politische Stadt, dessen Gestaltungswille selbst die Granden der CSU zu überraschen schien.
Natürlich können die Bürger über die Fusion entscheiden. Sie können es allein schon deshalb, weil die Gemeindeordnung es zulässt, und sie können es natürlich auch deshalb, weil das Ganze nicht so komplex ist, wie OB Gribl es vorgibt: Zwei Unternehmen wollen sich zusammenschließen, um mittels Arbeitsplatzabbau und anderen Rationalisierungsmaßnahmen höhere Gewinne zu erzielen. Eine Firma ist zu 100 Prozent im Eigentum der Stadt, die andere (Erdgas Schwaben) zu 35 Prozent, die restlichen 65 Prozent gehören der Thüga, einem komplizierten Firmengeflecht, das nach der Fusion zirka 25 bis 30 Prozent der Anteile der neuen Firma besitzen würde. Die Stadt würde weiterhin 70 bis 75 Prozent ihrer ehemaligen 100-prozentigen Tochterfirma behalten. Betriebsbedingte Kündigungen würde es nicht geben, Wasser und Verkehr blieben zu 100 Prozent bei den Stadtwerken und somit weiterhin zu 100 Prozent in Bürgers Hand. Nach Informationen der DAZ sollen in der neuen Firma bis zum Jahr 2020 zirka 200 Arbeitsplätze abgebaut werden, indem die Arbeitsplätze der Personen, die in Ruhestand gehen, nicht mehr besetzt werden. Der damit verbundene „Synergieeffekt“ lässt sich in Zahlen beziffern: Zwischen 9 und 14 Millionen Euro zusätzlich könnte die neue Firma erwirtschaften, so die Prognosen der ersten Machbarkeitsstudie. Nach der Gewinnabführung an die Thüga bliebe zusätzlich „gutes Geld“ für die Bürger übrig. Damit könnte man die Sanierung und den kostspieligen Unterhalt der städtischen Bäder sicherstellen, die die Stadtregierung den Stadtwerken gerne „aufs Auge drücken“ würde. Damit könnte man noch sicherer als bisher den defizitären Betrieb der „städtischen Verkehrs-GmbH“ subventionieren. Wem das zu kompliziert oder zu einfach vorkommt, wer weitere Fragen hat, kann sich bei den Fusionsgegnern oder bei den Informationsveranstaltungen der Stadtwerke informieren.
Kurt Gribl will keinen Bürgerentscheid, weil dieser seinem Gestaltungswillen gefährlich im Weg stehen könnte. Dabei scheint Augsburgs Oberbürgermeister darüber hinweg zu sehen, dass er u.a. ins Amt kam, weil er als OB-Kandidat mindestens zwei Bürgerbegehren unterstützte, die nicht weniger kompliziert waren. Wie erwähnt, das sogenannte „Kö-Begehren“ und das sogenannte „Wasserbegehren“. Oberbürgermeister Kurt Gribl sollte deshalb seine politische Umsetzungsstrategie zur Fusion ändern und seine unhaltbare Positionierung aufgeben, dass der Sachverhalt „Fusion“ für einen Bürgerentscheid zu komplex sei. Einfach die Strategie wechseln und mit offenem Visier und mit guten Argumenten in einen Bürgerentscheid zu gehen, erscheint Kurt Gribl aber offensichtlich zu riskant. Schließlich wurde das Vorhaben professionell und auf den Ebenen der technischen Machbarkeit vorbereitet. Nach der Beurteilung dessen, was bisher geschah, würde alles andere als ein Bürgerentscheid über die Fusion, wenn sie denn ohne Bürgerentscheid käme, als ausgetüftelte OB-Trickserei in die Annalen der politischen Stadtgeschichte eingehen.
II Die Grünen wären als Bündnispartner nicht in Frage gekommen, hätten sie ein No-Go zur Fusion signalisiert
Das erste politische Instrument zur Umsetzung der von der CSU und Kurt Gribl ins Auge gefassten Fusion waren die Grünen, die bereits am 20. März 2014, also vier Tage nach den Stadtratswahlen, eingeweiht wurden, dass der Geschäftsführer von Erdgas Schwaben sich als Stadtwerke-Geschäftsführer wohl bewerben werde, da Interesse an einer Fusion bestehe. Ein Protokoll mit diesem Vermerk liegt der DAZ vor. Der Grüne Kommentar zu dieser CSU-Positionierung: „Fusion Erdgas Schwaben sinnvoll.“
Die Grüne Delegation (Reiner Erben, Martina Wild, Stefanie Schuhknecht und Matthias Strobel) befanden sich als Vertreter der Grünen Partei und Fraktion auf dem ersten Sondierungstreffen. Kurt Gribl und die CSU hatten sie geladen. Den Grünen war eine Kooperation mit der neuen Stadtregierung in Aussicht gestellt worden. Einstiegsticket dafür war ihr Okay zur Fusion. Inwieweit dies den Grünen im Subtext oder eindeutig signalisiert wurde, ist nicht geklärt. Klar ist jedenfalls nach Informationsstand der DAZ, dass die Grünen als Kooperationspartner für die CSU nicht in Frage gekommen wären, hätten sie ein rigoroses No-Go zur Fusion signalisiert. Die Grünen wurden von Gribl mit dieser (möglicherweise unausgesprochenen) Vorgabe als kompetente Fusionsgegner eliminiert. Eine Raffinesse, die Sinn macht, schließlich werden die Vorbereitungskosten der Fusion einschließlich der beiden Machbarkeitsstudien auf 3 Millionen Euro geschätzt.
Kurz nach der Kommunalwahl lag nach Informationen der DAZ bereits das unproblematische Fusions-Okay seitens der SPD vor. Auch bei den Sozis sollte die Fusion später in den großen Gremien der Partei nicht thematisiert werden. Die Grünen zu „nützlichen Idioten“ zu machen war nur deshalb möglich, weil seitens der SPD nicht die geringsten Bedenken gegenüber einer Fusion signalisiert wurden, sondern das Gegenteil.
Unschuld geopfert? Grüne, CSU und SPD am 17. April 2014 bei der Unterzeichnung der Kooperationsverträge für die Stadtratsperiode 2014 - 2020 (Foto: Siegfried Kerpf/ Stadt Augsburg)
Man könnte meinen, Kurt Gribl hat Niccolò Machiavellis Meisterwerk „Der Fürst“, eine bisher in ihrer Schlichtheit unerreichte Beschreibung über die Mechanik der Macht, mit der Muttermilch einverleibt bekommen. Der Preis allerdings für die planerische Voraussicht, die Grünen als mobilisierungsfähige Fusionsgegner auszuschalten, indem man sie zu Partnern macht, war hoch. Die CSU gab ein Referat preis und opferte ihren Umweltreferenten Rainer Schaal. Die Grünen konnten dem Lockruf der Macht nicht widerstehen und opferten ihre Unschuld. – Einige schriftliche Dokumente und viele Gesprächsstunden sowie damit verbundene bestätigende Kommentare aus den innersten Zirkeln der Beteiligten lassen diese Auslegung als die einzig mögliche zu.
Wie geschickt die Grüne Spitze dieses Ticket an die Macht zu nutzen wusste, zeigt die die Verfahrensweise der Grünen Führungscrew mit der Basis, also den zirka 260 Parteimitgliedern des Kreisverbandes Augsburg, die über die Regierungsbeteiligung der Grünen abstimmen durften. Das Wissen um die avisierte Fusion wurde zwar im Parteivorstand und der Fraktion kurz thematisiert, aber nicht im Kooperationspapier der CSU und den Grünen vermerkt. Nur der Kooperationsvertrag war inhaltlicher Gegenstand, an dem sich die Basis reiben konnte. Mit anderen Worten: Das vielleicht (neben der Theatersanierung) wichtigste Thema der kommenden Stadtratsperiode wurde der Grünen Basis verschwiegen. „Wäre die Fusion im Kooperationspapier aufgetaucht“, so die Grüne Vorstandssprecherin Marianne Weiß, die damals nur dem erweiterten Vorstand angehörte, „hätten wir einer Regierungsbeteiligung niemals zugestimmt.“ Immerhin lehnten auch ohne die Information über die bereits im Raum stehende Fusion noch 29 Prozent der Grünen Mitglieder eine Regierungspartizipation ab. Der Riss, der aufgrund der aktuellen Fusionsdebatte durch die Grünen geht, hat nicht nur Partei und Fraktion gespalten, sondern für nachhaltige Verwerfungen auf der menschlichen Ebene gesorgt. In Partei und Fraktion der Grünen herrscht in etwa die gleiche eisige Stimmung wie bei der CSU vor der CSM-Abspaltung: Einzelne Fraktionsmitglieder erwägen, aus der Fraktion auszutreten. Über den Vorstoß des Grünen Umweltreferenten Reiner Erben, der sich vor Fertigstellung der zweiten Machbarkeitsstudie öffentlich als Teil einer Werbekampagne hergab, die die Grünen scharf verurteilen, und sich (wenn auch verblümt) als Fusionsbefürworter outete, rief in Fraktion und Partei tagelang Irritation hervor. Schließlich war in allen Gremien der Grünen vereinbart worden, dass man sich nicht vor der Fertigstellung der (von der Grünen Fraktion eingeforderten) zweiten Machbarkeitsstudie pro oder contra Fusion äußert.
Mit der zweiten Machbarkeitsstudie ist aber erst Mitte März zu rechnen. Dafür wurde am heutigen Montag der Grüne Referent ohne Namensnennung vom Parteivorstand via Pressemitteilung gerüffelt: „Obwohl im Stadtrat ein ergebnisoffener Entscheidungsprozess beschlossen wurde, wird in der Öffentlichkeit bereits massiv eine Fusion beworben. Dabei konnte der Nutzen einer Fusion gegenüber einer Kooperation oder dem Status Quo bisher nicht argumentativ überzeugend dargestellt werden“, so Marianne Weiß, Vorsitzende der Augsburger Grünen. Eine weitere Vorgehensweise relativiert jedoch den Partei-Leitlinien-Verstoß des Grünen Umweltreferenten: Am 18. März soll im höchsten Gremium der Augsburger Grünen, der sogenannten „Stadtversammlung“, auf der alle Grünen Mitglieder abstimmen dürfen, darüber entschieden werden, ob die Grünen als Partei und Fraktion für oder gegen eine Fusion sind. Die Frage, ob diese Abstimmung denn auch vorgesehen sei, wenn die zweite Machbarkeitsstudie noch nicht veröffentlicht ist, beantwortete der Grüne Vorstandssprecher Matthias Strobel mit „Ja“, da im Prinzip die meisten Grünen Mitglieder davon ausgingen, dass die zweite Machbarkeitsstudie keine neuen Erkenntnisse bringe.
Die CSU-Strategie, die Grünen als Fusionsgegner auszuschalten, scheint in mehrfacher Hinsicht aufzugehen. Die Grünen wissen nicht mehr, wo ihnen der Kopf steht, was oben und unten ist und wer sie eigentlich sind.
» Protokoll des Sondierungsgesprächs am 20.3.2014, Auszug (pdf, 410 kB)