Gribl: Galionsfigur statt Steuermann
Nachdem sich der Pulverdampf wenige Tage nach der ersten „Containerschlacht“ im Augsburger Stadtrat ein wenig verzogen hat, muss man konstatieren, dass Augsburgs Oberbürgermeister Kurt Gribl mit seiner Art der Krisenbewältigung auf gefährlichen Pfaden wandelt. Beim CFS-Debakel wie beim Container-Crash setzte sich Gribl an die Spitze von Gruppierungen, die kaum mehr im Sinn haben, als ihre ureigenen Interessen durchzusetzen.
Von Siegfried Zagler
Die Panther-Fans wollen zwar ein Stadion, in dem alle gut sehen, aber sie wollten in erster Linie „auf Teufel komm raus“, dass die Stadt „ihren“ Vorschlag realisiert. Dass die Eishockeyfans dabei eine schmutzige Image-Kampagne gegen die Stadionplaner und gegen die städtische Tochter AGS führten, hat Gribl möglicherweise auf die Palme gebracht, aber es hat ihn nicht davon abhalten können, sich an die Spitze der Bewegung zu setzen, um im vom Druck der Straße eingeschüchterten Stadtrat zwei CFS-Sanierungsvarianten durchzudrücken, die offensichtlich gegen das bayerische Baurecht verstoßen. 25 Zentimeter Stufenhöhe will Gribl nun „politisch genehmigen lassen“. Hätte die Verwaltung den Stadionplanern zuvor die beantragten 22,5 Zentimeter Stufenhöhe genehmigt, hätte es das ganze Theater um die Sichtlinien nicht gegeben.
Kompliziert wie bei Mozarts Figaro
„Ich mache es nicht!“, so polterte die Intendantin zornig auf der Figaro-Premierenfeier durch das Foyer, als nach der verunglückten Ausschreibung nur ein einziges Container-Angebot ins Haus flatterte und deshalb die Standortdiskussion bezüglich der Interimsspielstätte für das Schauspiels neu aufflackerte. Kurt Gribl ergriff als Premierenbesucher mit Pro-Container-Button am Revers das Wort, zeigte Humor und eine große Portion Übermut. So schwer, wie es gewesen sei, in Mozarts Verwirrstück den Überblick zu bewahren, so kompliziert seien inzwischen auch die Ereignisse um den Container geworden. Er stehe aber fest zu den getroffenen Entscheidungen, halte an der Ersatzspielstätte am Theater fest, lehne das tim als Dauerspielort ab und suche nach Lösungsmöglichkeiten innerhalb der zwei Optionen, entweder die Ersatzspielstätte neu zu definieren, um so ein Angebot im Rahmen der zur Verfügung stehenden 4,2 Mio. Euro zu erhalten, oder mehr Geld aufzutreiben, um das vorliegende, teurere Angebot annehmen zu können. Er halte an der Absicht fest, ohne neue, zeitaufwändige Ausschreibung zügig weiter zu planen und zu bauen, so Gribl in seiner launigen Rede im Dezember 2010 vor der applaudierenden Fangemeinde des Theaters.
Die Theaterleitung verkennt die gefährliche Situation
Ob man Augsburgs Oberbürgermeister einen Schwimmreifen oder einen Panther-Schal um den Hals hängt oder ihm einen Container-Button an den Anzug heftet: Gribl hat diese „Federn“ stets angenommen und musste ab diesem Moment in eine bestimmte Richtung flattern. Anders gesagt: bestimmte Interessen vertreten und sich somit an die vereinbarten Lösungswege halten. Eine Strategie, die sich aus der Not und nicht aus politischem Gestaltungswillen heraus entwickelte und eine Strategie, die ihn bisher mehr zur Galionsfigur als zum Steuermann diverser Flotten machte. Eine Notfallstrategie, die in den politischen Abgrund führen würde, würde sich Gribl nicht an die Vereinbarungen halten. Nur so lässt sich das scheuklappenartige Vorgehen Gribls in Sachen Container auf der Stadtratssitzung am Donnerstag verstehen. Beim Container steht Gribl allerdings mit dieser Fraternisierungsstrategie auf demselben dünnen Eis wie beim CFS-Debakel. Bei der Theaterleitung liegen ähnlich wie bei den Pantherfans partikulare Interessenslagen vor. Interessen, die sich beim Container möglicherweise genau gegen das richten könnten, was sie vorgeben zu verfolgen. Die Theaterleitung verkennt möglicherweise die gefährliche Situation, wenn sie stets so tut, als ob nur der Container direkt am Theater das Drei-Sparten-Haus in Augsburg auf Dauer sichern könne. Wer dergestalt fordernd in einer Stadt wie Augsburg vom Baum ruft, riskiert Haus und Hof.
Auf das Drei-Sparten-Haus kann die Stadtgesellschaft stolz sein
Augsburg ist die einzige Stadt in Bayern, die sich den Luxus eines städtischen Theaters mit drei Sparten leistet. Darauf kann die Bürgerschaft zu Recht stolz sein. Jahrzehnt für Jahrzehnt hat die Stadt die Mittel für das Drei-Sparten-Theater bereitgestellt, ohne die Notwendigkeit dafür auch nur in Ansätzen zu hinterfragen. Obwohl es in den letzten Jahren immer deutlicher wurde, dass es in den städtischen Schulen, Jugendzentren und Altenheimen an allen Ecken und Enden brannte und weiterhin brennt, standen die zirka 14 Millionen Euro städtischen Zuschüsse für das Stadttheater nie zur Disposition. Das könnte zum Beispiel mit der emotionalen Verankerung der Komödie in der Stadtgesellschaft zu erklären sein, und möglicherweise war das Drei-Sparten-Theater in Augsburg nur deshalb durch alle Zeiten krisensicher zu schippern, weil man ein halbes Jahrhundert auf ein billiges wie positiv besetztes Provisorium gebaut hatte und die Stadt jede Begehrlichkeit der jeweiligen Intendanz mit dem Florett abzuwehren verstand.
Die bürgerliche Verpflichtung und politische Verbundenheit gegenüber einem Drei-Sparten-Haus ist noch immer eine der wenigen gemeinsamen Schnittmengen bezüglich kulturpolitischer Fragen, quer durch alle Parteien, und zwar ungeachtet der Frage, wohin sich die Kulturstadt Augsburg in einer sich immer schneller drehenden Kunst- und Kommunikationslandschaft entwickeln soll. Eine Schnittmenge, die die Stadt kulturpolitisch halbwegs zusammenhielt – bisher.
Sturheit könnte dramatische Konsequenzen nach sich ziehen
Die kulturpolitische Einigkeit der Parteien und kulturpolitischen Meinungsführer könnte aber nun ins Bröseln kommen, wenn Votteler und Gribl weiterhin so tiefe Gräben in die Stadt ziehen, indem sie hemdsärmelig den Container predigen. Diese schwer nachvollziehbare Positionierung könnte möglicherweise eine für Theaterfreunde gefährliche Diskussion lostreten. Die Frage, ob man sich in dieser Stadt angesichts der dauerhaften finanziellen Notlage der Kommunen weiterhin ein Drei-Sparten-Haus leisten wolle, könnte plötzlich gestellt und nachhaltig debattiert werden – und dramatische Konsequenzen nach sich ziehen.
Welche Funktion der Container neben logistischen und sanierungstechnischen Verbesserungen für das Theater im Sinne der Kunst bringen soll, ist eine weitere Schlüsselfrage, die die Theaterleitung ins Schwitzen bringen könnte. Die Frage, ob der Container für das Theater einen künstlerischen Mehrwert bringt, ist jedenfalls bisher zu kurz gekommen. Darüber hinaus ist die These, dass die Sanierung des Großen Hauses nur funktioniere, wenn der Container am Theater stehe, eine Behauptung, die im Lauf der Zeit zum Trugbild geworden scheint, zumal niemand wirklich glaubt, dass die 100 Millionen teure Gesamtsanierung jemals in der Form, wie sie von pfp-Architekt Jörg Friedrich vorgestellt wurde, von der Stadt in Angriff genommen wird.
Wer sich auf dem Eis zu lange dreht, geht unter
„Kann man in einer Bruchbude gutes Theater machen?“, fragte der neue Heimatpfleger Professor Hubert Schulz bei seiner Vorstellung im Stadtrat vergangenen Donnerstag in die Runde. „Ja, man kann!“, lieferte Schulz die Antwort gleich mit. Eine Antwort, die selbstverständlich auch für die Frage gilt, ob man in einem modernen Schauspielhaus schlechtes Theater machen könne. Für Kurt Gribl besteht die Container-Problematik durch den Lauf der Dinge nun in erster Linie aus formaljuristischen Erklärungsversuchen, die ihm niemand so richtig abnimmt – und eben aus einer leichtfertig vorgenommenen Positionierung, der er sich wie ein Ritter der Tafelrunde verpflichtet fühlt, obwohl festzustellen ist, dass nach der gescheiterten Vergabe die vielzitierte Grundlagenermittlung für den besten Standort der Interimsspielstätte längst Makulatur geworden ist – falls sie das eh nicht schon immer war. Augsburgs OB Kurt Gribl macht derzeit nicht den Eindruck, als ginge es ihm um die beste Lösung im Sinne der Stadt. Lösungsorientiertes Krisenmanagement und politische Schadensbegrenzung sind verschiedene Dinge. Gribl zeigt großen Willen, den politischen Schaden in Grenzen zu halten und verliert dabei den Blick aufs Ganze. Augsburgs Oberbürgermeister hat sich von der Intendanz wie von den Pantherfans auf sehr dünnes Eis locken lassen. Wer sich dort zu lange im Kreis dreht, bricht ein und geht unter.