Staatstheater
Gottes Liebling im Schauspiel: Peter Shaffers „Amadeus“ als Beitrag des Theaters zum Mozart-Jubiläumsjahr
Die Premiere des Schauspiels „Amadeus“ am gestrigen Samstag ist gelungen, die Inszenierung im Martinipark hat das Zeug zum „Publikumsrenner“, wie DAZ-Autorin Halrun Reinholz feststellt.
Mit einem „Miau“ macht sich Wolfgang Amadeus Mozart bemerkbar, bevor er die Bühne über den Zuschauerraum mit spektakulärer Akrobatik betritt und bei den Herren mit den verstaubten Perücken Verwirrung und Entsetzen auslöst. Seine unkonventionelle Art stößt in den (immer noch) feudalen Strukturen am Hof Josephs II. auf Befremden, doch sein Genie wird auch von den Funktionsträgern (an)erkannt. Peter Shaffers Stück macht den Konflikt zwischen den alten und den neuen Strukturen, den Generationenkonflikt im Musikerleben, an der Person des Hofkomponisten Antonio Salieri als Gegenpart zum jungen Mozart fest. Unabhängig von der historisch nicht verbürgten Feindschaft der beiden bietet die Konstellation des (linien)treuen Staatsdieners Salieri gegenüber dem Freiberufler (und Freigeist) Mozart reichlich dramaturgisches Potenzial.
Regisseur David Ortmann ist klug genug, sich für die Inszenierung von Amadeus weitgehend von dem bekannten Milos-Forman-Film zu lösen. Als dramaturgischen Kniff bringt er „Frau Dr. Hermann“ ins Spiel, deren Funktion nicht ganz klar ist: Eine Journalistin, die die Erinnerungen Salieris dokumentiert und kommentiert? Oder eine Therapeutin, die Salieris Geständnisse kommentierend begleitet? Marlene Hoffmann spielt diese Rolle, wird aber auch immer wieder zu der energischen und lebenspraktischen Konstanze Mozart. Damit ist der Frauenpart dieser Inszenierung auch schon erschöpft.
Für das feudale Hofschranzentum stehen die drei „Perückenmänner“ Graf Franz Orsini-Rosenberg, Direktor der Oper (Klaus Müller), Baron Gottfried van Swieten, Präfekt der Nationalbibliothek (Kai Windhövel) sowie Graf von Strack, Kaiserlicher Kammerherr und Förderer Mozarts (Sebastian Baumgart). Und natürlich der Herrscher selbst, Joseph II., (Sebastian Müller-Stahl mit „römischer“ Toga) ein eigentlich aufgeklärter Monarch, der sich schwer tut, seine eigenen Restriktionen zu überwinden.
Die eigentliche Auseinandersetzung geschieht jedoch zwischen den Hauptakteuren Mozart (Anatol Käbisch) und Salieri (Thomas Pratzak). Der Intrigant Salieri erzählt aus seiner Perspektive, wie er den beruflichen Werdegang des jungen (und von ihm durchaus erkannten) Genies Mozart hintertrieben hat. Anatol Käbisch als hervorragend besetzter und feuerrot gekleideter „Amadeus“ bringt in jeder Hinsicht und mit filmreifem körperlichen Einsatz Bewegung in die Inszenierung. Besonders eindrucksvoll sind die Szenen, wo er sich (auch mal gemeinsam mit Salieri) die in seinem Kopf entstehende Komposition „ertanzt“.
Doch Begleiterscheinungen wie Räderschlagen, Furzen und provokantes Benehmen sind nur Symptome einer Zeit im Umbruch. Das vermitteln die beiden Hauptakteure überzeugend und vom Publikum heftig umjubelt. Auch das Inszenierungsteam (Bühne: Jürgen Lier, Kostüme: Ursula Bergmann) näherte sich der Thematik behutsam und zeitadäquat. Salieri wird von „Frau Dr. Hermann“ und dem Hausmeister (Theodore Ganger, der am Cembalo danach zu Kapellmeister Bonno mutiert) in einer unglaublich verstaubten Kulisse als Relikt aus einer anderen Zeit entdeckt, daraus entwickelt sich sein paranoides Geständnis.
Mozart, der heitere Alleskönner, dem die Musik nur so aus der Feder fließt, scheitert schließlich an allen Fronten wegen Mangel an Struktur, Geld, Krankheit und dem schlechten Gewissen seinem Vater gegenüber. Womit wir wieder bei Leopold wären, dessen 300. Geburtstag dem Theater Anlass für „Amadeus“ bot. Die Inszenierung im Martini-Park ist ein großer, vergnüglicher Theaterabend mit Potenzial zum Publikumsrenner. —- Halrun Reinholz