Goerlich ist gescheitert, weil es ihm an Unterstützung fehlte
Von Siegfried Zagler
Heute tagt erstmalig ein von den Grünen und der Neuen CSM gefordertes Evaluationsgremium in Sachen Popkultur. Bezeichnet ist die Zusammenkunft als „konstituierende Sitzung“. Das Gremium soll in drei Sitzungen etwas herausarbeiten, wozu Augsburgs Kulturreferent Peter Grab bisher nicht in der Lage war: Die Antwort auf die Frage, warum es in Augsburg einen Popkulturbeauftragten gab und warum man seine Stelle wieder besetzen soll.
Warum also die Wiederbesetzung einer von Beginn an politisch umstrittenen Stelle? Soll der neue Popkulturbeauftragte den Angriff des ehemaligen Popkulturbeauftragten auf den Kulturpark West fortsetzen oder Goerlichs kulturelles Nutzungskonzept für die Maxstraße aus der Schublade holen? Soll er Workshops zur Vermeidung von Gehörschäden bei Musikern durchführen oder weiterhin mit jungen Künstlern einen Bauzaun bemalen oder an diversen Unterführungen und Brücken legales Graffiti-Werkeln ermöglichen? Oder soll er wie Goerlich im Sommer 2011 einen anspruchsvollen Veranstaltungsreigen (Ku.spo im Hochglanzformat) planen und durchführen? – Innerhalb Goerlichs dreijähriger Schaffenszeit eine zirka einjährige Tätigkeit, die nicht unbedingt zu einem Aufgabentableau eines Popkulturbeauftragten gehört. – Oder soll der neue Mann zusammen mit Timo Köster eine alte Idee Peter Grabs aufgreifen und das Kulturamt umstrukturieren? Eine Grab-Idee, die ebenfalls in der Schublade verschwand. Oder soll der neue Popkulturbeauftragte, der ja nun auch Beauftragter für Kultur und Kreativwirtschaft sein soll, ab 2017, wenn der Kulturpark West spätestens seine Zelte in der ehemaligen Reesekaserne abbrechen muss, ein Zentrum für Kreativwirtschaft und Kultur hochziehen? Falls ja, wo und wie? Und mit welchen Mitteln? Womit wir bei der Frage des Geldes wären: Gibt es für den Neuen ein Budget oder fängt er mittellos an, mit einem leeren Schreibtisch und einem Telefon, wie Goerlich?
Goerlich war Mädchen für alles
Wenn man die drei Goerlich-Jahre Revue passieren lässt, wird augenscheinlich, dass Augsburgs ehemaliger Popkulturbeauftragter zwischen Event-Management, Kulturreferat, Kulturamt, OB-Referat und dem Wirtschaftsreferat ein Rad nach dem anderen schlagen musste und einen „Mädchen-für-alles-Job“ hatte. Aus Goerlichs Arbeit lässt sich keine Struktur ableiten, weshalb es nicht nachvollziehbar ist, dass Bernd Schweinar in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer des Bayerischen Verbands für Popkultur Goerlichs Wirken folgendermaßen beschreibt: „Richard Goerlings (!) Arbeit als Popkulturbeauftragter hat Augsburg zum Vorbild für kommunale Popförderung in Bayern gemacht. Die Umstände um die Fortführung und Wiederbesetzung der Stelle irritieren Pop-Experten aus ganz Bayern“, so der Verband für Popkultur, der Goerlichs Namen falsch schreibt und von seinen häufig wechselnden Tätigkeiten offenbar wenig mitbekommen hat. Weiter heißt es in dem Schreiben, dass man Erfolg im Kulturbereich kaum messen könne, sondern nur beschreiben. „Deswegen sei auch die jetzt in Augsburg verbalisierte Evaluierungsdebatte mangels bisher von der Politik nicht definierter Parameter nicht nachvollziehbar.“ Dem Evaluierungsgremium kann man nur nahelegen, dass es sich von dieser Form der Vereinsmeierei nicht beeinflussen lässt.
Goerlich ist an seinen eigenen Ansprüchen gescheitert
Warum hat Goerlich eigentlich hingeschmissen und seinen nachgebesserten Vertrag nicht gelebt, obwohl er sich in der Stadt als „Mädchen für alles“ einen hervorragenden Ruf erarbeitet hatte? Vermutlich deshalb, weil es für seine Tätigkeit weder eine angemessene Beschreibung noch zielorientierte Parameter seitens der Politik gab. Richard Goerlich ist als Popkulturbeauftragter der Stadt Augsburg gescheitert, und zwar an seinen eigenen Ansprüchen. Und er ist auch deshalb gescheitert, weil es ihm an Unterstützung eben genau jener Regierungskoalition gefehlt hat, die ihm nach seiner Kündigung reflexartig und beinahe scheinheilig „großartige Erfolge“ zusprach und die zuletzt im Stadtrat für eine Wiederbesetzung seiner Stelle (ohne vorangehende Evaluation) gestimmt hat, ohne zu wissen warum. Man könnte auch sagen, dass das Abstimmungsverhalten der Opposition und der beiden fraktionslosen Stadträte Karl Heinz Englet und Tobias Schley zuletzt in Sachen Popkultur differenzierter war als das von Pro Augsburg und der CSU.
Nächstmöglicher Termin für einen Neustart: Mai 2014
Goerlich ist auch gescheitert, weil er sich mit der Kulturpolitik Peter Grabs in vielen Punkten nicht identifizieren konnte und sich für den kommenden Wahlkampf nicht benutzen lassen wollte. Festzuhalten ist außerdem, dass es in der Augsburger Musik- und Kulturszene keinen großen Aufschrei des Bedauerns gab, als Goerlich zu Beginn dieses Jahres kündigte, kein ratloses Entsetzen und keine Sorge um die Zukunft der Popkultur in Augsburg zum Ausdruck kam. Die Frage, ob diese Stadt einen Popkulturbeauftragten braucht oder nicht, lässt sich nur schwer von der hiesigen Parteipolitik trennen. Ein Popkulturbeauftragter ist in gewisser Form in das 100 Punkte-Wahlprogramm von Augsburgs Oberbürgermeister Kurt Gribl eingewebt und darüber hinaus als „Wahlkampf-Strategie“ von Kurt Gribl gezeichnet. Das sieht nicht nur die Opposition so. Gerhard Schmid, stellvertretender Vorsitzender des CSU-Kreisverbandes West, formulierte das gestern unverblümt: „Die Stelle des Pop-Beauftragten und ihre erste Besetzung auf Kosten des Steuerzahlers wurden nur realisiert als Dank des Oberbürgermeisters Gribl an einen Unterstützer im Wahlkampf. Diese Entscheidung lag nicht im Interesse von Augsburg und seinen Bürgern.“ Das ist starker Tobak, aber aufgrund der ausbleibenden politischen Zielvorgaben in Sachen Popkultur schwer widerlegbar.
Es ist anzunehmen, dass sich der Streit um diese Stelle verschärft, wenn sie quasi mitten im Wahlkampf wieder besetzt werden sollte. Falls Oberbürgermeister Kurt Gribl mit dieser Stelle eine kulturpolitische Vision verfolgt hätte, dann hätte er sie nicht in das Kulturreferat „abgestellt“. Kulturreferent Peter Grab hat stets betont, mit dem Popkulturbeauftragten die „Jugendkultur“ verstärken zu wollen. Das konnte (und kann) man nicht ernst nehmen. Populäre Jugendkultur ist allgegenwärtig, vielschichtig und dominierend. Für die „Förderung der Jugendkultur“ braucht man keinen Popkulturbeauftragten. Kurzum: Falls Kurt Gribl im Lauf der verlorenen Jahre eine kulturpolitische Vision im Zusammenhang mit einem Popkulturbeauftragten entwickelt haben sollte, dann sollte er dieser Vision eine Chance geben und sie auf einen breiten Konsens stellen. Nächstmöglicher Termin für einen Neustart: Mai 2014.