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Freitag, 22.03.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

WM-Eröffnung: Brasilien gewinnt mit Mühe

Die Langeweile ist das Unerträglichste, sie gebiert Ungeheuer. Die lokale Politik könnte sich dergestalt verändern, dass sie uns alle Spaß macht, so OB Gribl kürzlich im Augsburger Presseclub.  Spaß und Langeweile bedingen einander. Sie sind Protagonisten auf der gleichen Ebene, die keine Mühen bedeutet, sondern Niedergang. Zum Glück gibt es Fußball.



Von Siegfried Zagler





Es ist Sommer in der Stadt. Nicht nur wegen des afrikanischen Klimas, das sich mit dem Geratter der zahlreichen städtischen Baustellen zu einem Versprechen aus dem Geheimlabor der Wüste vermengt hat. „Und die Welt hebt an zu singen, triffst du nur das Zauberwort“. Soviel romantischer Tiefgang muss nicht sein. Das Tor zu treffen würde derzeit völlig ausreichen. Nach der Zeit der leicht verkümmerten Vorfreude und all den Ereignissen, die uns „kindlichen Ballträumern“ so zusetzten, wie zum Beispiel die Sache mit Katar, fängt nun etwas an, das in den erhabensten Momenten mehr ist als Wettbewerb und Ergebnis. Hören wir also in den nächsten Wochen dem Gesang des Fußballs zu. Und damit ist nicht der notorisch verdruckste Singsang von Oliver und Oli gemeint.

„Sommer in der Stadt“ heißt auch, dass außerhalb der Fußballübertragungen ausgesprochen wenig los ist, was man zum Beispiel auch daran erkennen kann, dass ein Wirt, der im südlichen Italien sein rotes Auto nicht repariert bekommt, von unserer Heimatzeitung zu einem Performance-Künstler erklärt wird. An der Schnittstelle, an der die lokale Politik gewöhnlicherweise ihre Nachrichten produziert, dürfte in den kommenden Jahren ohnehin dauerhaft wenig los sein, da sich die Sprache der Empörung im Rathaus im Prozess der Auflösung befindet und vermutlich von einer eintönigen Rhetorik des konstruktiven Miteinanders ersetzt wird. In der Lokalpolitik könnte man sich beinahe auf einen sehr langen Sommer einrichten, wenn man nicht wüsste, was Georg Büchner so stilsicher zu wissen verstand: Die Langweile ist das Unerträglichste. Sie gebiert so regelmäßig Ungeheuer wie der Fußball Sieg und Niederlage. – Keine Sorge, es wird an dieser Stelle in den kommenden vier Wochen seltener über Fußball berichtet werden, als es aktuell den Anschein hat. Es sei denn, es passiert etwas, womit man nicht rechnen konnte. Wie zum Beispiel damit, dass sich bereits im Eröffnungsspiel der große Zauber des Spiels entfalten sollte.

Als Fred im kroatischen Strafraum den Ball mit dem Rücken zum Tor annahm und ohne dass ihm jemand etwas Böses getan hätte zu Boden sank, ertönte ein Pfiff, der die Partie entschied, und somit die Kroaten zu tragischen Verlierern machte. Der zuvor korrekt agierende  Schiedsrichter Yuichi Nishimura (Japan) sorgte mit dieser Entscheidung für den ersten Skandalelfmeter dieser WM, den Neymar mit viel Glück in die 2:1 Führung der Brasilianer umzumünzen verstand (69.). In der Nachspielzeit erzielte Oskar noch das 3:1 für Brasilien. Das Eröffnungsspiel der 20. Fußball-WM in Brasilien hatte ein gutes Niveau, beide Mannschaften agierten auf Augenhöhe und rieben sich in einer temporeichen und kämpferisch starken Partie gegenseitig auf. Am Ende triumphierten die glücklicheren Brasilianer, die mithilfe eines Sonntagsschusses (29./Neymar) und eines unberechtigten Elfmeters dem Drehbuch einer Tragödie eine Nase drehen konnten.