Gericht stoppt Bebauungsplan zum Königsplatz
Vordergründig geht es um Bäume, tatsächlich um den “Bypass”
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof BayVGH hat den Bebauungsplan Nr. 500 “Königsplatz und Augsburg-Boulevard” für unwirksam erklärt. Er gab damit einer Normenkontrollklage Augsburger Bürger vom Januar 2011 statt, die als Anlieger unzumutbare Lärmbelastungen befürchtet hatten.
Im Entwurf vom 21. Mai 2010 standen sie noch: die neun Bäume (hier rot hervorgehoben) auf der Bypass-Trasse vor dem Gebäude der StadtZeitung
Aber nicht die befürchtete Lärmbelastung, sondern ein Formfehler führte zur Unwirksamkeit des B-Plans: Der Öffentlichkeit sei nicht die Gelegenheit zu erneuten Einwendungen gegeben worden, nachdem der im Sommer 2010 ausgelegte Entwurf nach einem Bürgerentscheid am 21. November 2010 nochmals geändert worden war, so der Tenor des Gerichtsurteils vom 7. November 2011 (Az. 15 N 11.343 und 15 N 11.781).
Nach dem Bürgerentscheid gegen den Kö-Tunnel hatten die Stadtplaner einen so genannten “Bypass” in den Bebauungsplan Nr. 500 aufgenommen. Dabei handelt es sich um eine “vorsorgliche Entlastungsstraße” über den künftigen Fußgängerbereich des Königsplatzes, die “bei ernsthaften und nicht anderweitig zu bewältigenden Verkehrsproblemen” geöffnet werden soll. Der Bypass war ein Kompromiss zwischen SPD und Stadtregierung, um per Ratsbegehren mit einer eigenen Position großmehrheitlich klare Kante gegen die von Bürgern geforderte Untertunnelung des Königsplatzes zeigen zu können.
“Kein Bestandteil der geregelten Verkehrsabwicklung”
Bäume verschoben, Bypass nicht dargestellt: zeichnerisch kaum veränderter, bis vorgestern rechtskräftiger B-Plan 500
Am 16. Dezember 2010 beschloss der Stadtrat den abgeänderten Bebauungsplan – ohne erneute Öffentlichkeitsbeteiligung. Durch Veröffentlichung im Amtsblatt erlangte er am 12. Januar 2011 Rechtskraft. Im Textteil des B-Plans spielt der Bypass, der sich einmal höhengleich in die Platzfläche einfügen soll, nur eine untergeordnete Rolle. Er sei “nicht Bestandteil der planerisch vorgesehenen, geregelten Verkehrsabwicklung”, heißt es, und diene lediglich der Vorsorge. Am Verkehrskonzept mit Vorrang des ÖPNV und der Fußgänger ändere sich nichts.
In der Planzeichnung selbst ist der Bypass überhaupt nicht dargestellt. Seine Existenz ist nur durch Vergleich der Baumstellungen mit dem Entwurfsplan vom 21. Mai 2010 zu erahnen. Dargestellt ist der Verlauf des Bypasses lediglich in der Anlage 3.2 “Entwurfsplanung Freianlagen” (siehe Infokasten).
Weder Fisch noch Fleisch
“Nicht unerheblich beeinträchtigt”: Fußgängerbereich mit by-passierendem motorisiertem Individualverkehr
Für den BayVGH waren diese Festsetzungen weder Fisch noch Fleisch. Der B-Plan mit der versetzten Baumreihe schaffe zwar die tatsächlichen Voraussetzungen für die “vorsorgliche Entlastungsstraße”, schreibe sie aber nicht rechtsverbindlich fest. Ihre Wirksamkeit im Sinn einer Entlastung sei deshalb nicht gewährleistet. Wenn diese jedoch gegeben wäre, würde wiederum die Funktion des Fußgängerbereichs nicht unerheblich beeinträchtigt. Gemäß VGH hätte der Öffentlichkeit Gelegenheit gegeben werden müssen, zu diesen Fragen Stellung zu nehmen.
Kontroverse Beurteilung der Folgen
Einen Baustopp und Mehrkosten befürchtet jetzt die Opposition im Rathaus: “Das Baurecht fehlt”, so die Augsburger SPD, die an die Bauunterbrechung der Linie 6 und die damit verbundenen Millionenkosten erinnerte. Das für die Stadt so wichtige – und streitbehaftete – Projekt nehme nun an einem städtischen Formalfehler weiteren Schaden. Oberbürgermeister, Verwaltung und Baureferent müssten schnellstmöglich aufzeigen, wie die Stadt aus diesem Dilemma wieder herauskomme. Vermutlich werde der Stadt ein erneutes Bebauungsplanverfahren zum Kö nicht erspart bleiben, so die SPD gestern.
Keinerlei Verzögerungen befürchtet indes die Stadt. “Die Beanstandung durch den VGH betrifft eine reine Verfahrensfrage und damit einen formalen Verfahrensschritt, der jederzeit nachholbar ist”, so Baureferent Gerd Merkle gestern. Auf der Grundlage der VGH-Entscheidung werde die Stadt den fehlenden Schritt bereits Ende November vornehmen. Von Ende November bis Februar 2012 gebe es ohnehin eine witterungsbedingte Baupause, so dass es zu keinen baulichen Verzögerungen komme. Erleichtert zeigte sich Merkle darüber, “dass der VGH in seiner mündlichen Urteilsbegründung keine inhaltlichen Fehler der Kö-Planung festgestellt hat”. Die im Vorfeld diskutierten Fragen, ob etwa die Verkehrsabwicklung funktioniere und ob die Verkehrsgutachten zutreffen würden, seien – wie auch schon in der vorangegangenen mündlichen Verhandlung – beanstandungsfrei geblieben.
Der Bypass im Bebauungsplan 500
Textteil:
“Bei der Platzgestaltung des Königsplatzes wurde ein Bypass für den Kaiserhofknoten berücksichtigt. Die bauliche Ausgestaltung dieser höhengleichen, einspurigen Entlastungsstraße zwischen Konrad-Adenauer-Allee und Fuggerstraße fügt sich in die Platzfläche ein. Der Bypass ist nicht Bestandteil der planerisch vorgesehenen, geregelten Verkehrsabwicklung. Er dient lediglich der Vorsorge für nicht von vornherein auszuschließende Bedarfsfälle bei ernsthaften und nicht anderweitig zu bewältigenden Verkehrsproblemen im Bereich der Schaezler- und Schießgrabenstraße. Selbst für solche Fälle temporären Bedarfs verbleibt es bei der Überfahrt über den Königsplatz beim Vorrang des ÖPNV und der Fußgänger.
Aufgrund der knappen Platzverhältnisse an der Ostseite des Haltestellendreiecks muss zur Herstellung des Bypasses die Baumreihe vor den Gebäuden Konrad-Adenauer-Allee 1-11 gerodet werden. Eine leicht verschobene Ersatzpflanzung ist möglich und wurde in den Bebauungsplan aufgenommen. Da die Baumreihe näher an die Bebauung heranrückt, werden dabei Bäume mit säulenförmiger Krone verwendet.”
Entwurfsplan Freianlagen (Anlage 3.2. zum B-Plan):
(blaue Hervorhebung der Trasse durch die Redaktion)