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Dienstag, 11.03.2025 - Jahrgang 17 - www.daz-augsburg.de

Geräusch, Sound, Musik und leere Kassen

„Mehr Musik“ kündigt „sounding D“ an und wirbt um Unterstützung

Von Frank Heindl

Kann man sich eine Stadt anhören? Kann man Geräusche zum „Sound“ umdeuten – und dann womöglich in Musik verwandeln? „sounding D“ will das möglich machen, eine Veranstaltung des bundeweiten Netzwerks Neue Musik in Zusammenarbeit mit dem Augsburger Projekt „Mehr Musik!“. Am Montag gaben die Initiatoren von „sounding D“ den Medien erste Einblicke in ihr Vorhaben und warben im Kulturausschuss für Unterstützung in der Zukunft.



Das Netzwerk Neue Musik, mit dessen finanzieller Unterstützung derzeit in 15 deutschen Städten moderne E-Musik gefördert wird, will mit der für Anfang September geplanten Aktion ein deutschlandweites Zeichen für die Neue Musik setzen. Ein Sonderzug klappert dazu die 15 Städte ab und macht am 8. September in Augsburg Halt – am Hauptbahnhof auf Gleis 2 Nord. Wer will, kann sich an diesem Tag von 11.30 Uhr bis zum späten Abend mit Neuer Musik beschäftigen. Eine Klanginstallation und vielerlei Konzerte am Hauptbahnhof und anderen Plätzen der Stadt sind geplant, außerdem Workshops (vor allem für Kinder und Jugendliche) im Zug, akustische Hör-Führungen durch Augsburg und schließlich abends um 19.30 unter dem Titel „Heavy Machines“ ein Konzert und Kurzfilme mit dem Shortfilmlivemusicorchestra und weiteren Teilnehmern im Textilmuseum.

Besonders spannend dürfte auch der „Soundwalk“-Rundgang durch die Stadt sein, den „Mehr Musik“ anbietet. Das Team um Ute Legner hat im Vorfeld mehrere „Hörpunkte“ in der Stadt erkundet – die Besucher bekommen an markanten Stellen der Stadt eine Art „Schlafmaske“ aufgesetzt, wie sie bei Langstreckenflügen üblich ist. Derart von der visuellen Wahrnehmung abgekoppelt, sollen die Teilnehmer nun ihre Aufmerksamkeit ganz dem Hören widmen. Von „auditiv mapping“ spricht Bojan Budislavljevic vom Netzwerk Neue Musik, der am Montag eigens aus Berlin angereist war. Das Gehör zu schärfen dient hier zunächst der gesteigerten Wahrnehmung von Sinneseindrücken, die im Alltag an den Rand gedrängt oder gänzlich ausgeklammert werden. Ein kurzer Test am Rathausplatz ergab denn auch, dass man im nahezu blinden Zustand einerseits tatsächlich viel mehr hört, dass man aber gleichzeitig unter der optischen Isolation leidet und nach kurzer Zeit das Bedürfnis verspürt, sich die Maske vom Gesicht zu reißen.

Der Sound der Angströhre

Der kanadische Klangkünstler Robin Minard zeichnet für die Klanginstallation verantwortlich, mit der „sounding D“ am Augsburger Hauptbahnhof gastiert. Foto: P. Armour

Der kanadische Klangkünstler Robin Minard zeichnet für die Klanginstallation verantwortlich, mit der „sounding D“ am Augsburger Hauptbahnhof gastiert. Foto: P. Armour


Doch das ist nur ein Teil der Erfahrung, die Legner/Budislavljevic den Teilnehmern vermitteln möchte. Zum anderen gehe es auch darum, den Prozess nachzuschöpfen, in dem all das, was früher lediglich als Geräusch empfunden wurde, sich in der Neuen Musik zum Klang, zum „Sound“ und damit zum Element verschiedenartigster musikalischer Verwendung gemausert hat. Man wird die verschiedenen „Soundmaps“ der 15 teilnehmenden Städte ab Anfang August im Internet anklicken und hören können – dort allerdings elektronisch verfremdet und also schon einen Schritt weiter auf dem Weg vom Geräusch über den Sound hin zur Musik. Sogar die Augsburger „Angströhre“ unterm Hauptbahnhof wird auf der Deutschland-Soundmap zu hören sein, und damit auch der klägliche Versuch, eine städtebauliche Katastrophe mittels klassischer Musik zu vertuschen. Erholsamer werden sich wohl die Aufnahmen aus dem Rudolf-Diesel-Gedächtnisgarten im Wittelsbacher Park anhören.

Am Montagnachmittag waren die Protagonisten der Neuen Musik dann auch im Kulturausschuss des Stadtrates zu Gast. Budislavljevic und Legner gaben einen Überblick darüber, was in den vergangenen eineinhalb Jahren mit den Fördermitteln der Bundesstiftung geschehen ist. Legner gab sich selbst überrascht von den Zahlen: Mehr als 17.000 Besucher und Teilnehmer haben die mittlerweile 141 Veranstaltungen des Projektes erlebt und gestaltet. Wer auch nur ein paar der Veranstaltungen mit Neuer Musik in den vergangenen Monaten besucht hat, der weiß, was die Augsburger Kulturszene den Berliner Geldern zu verdanken hat.

In eineinhalb Jahren ist das Geld verbraucht

„a-ggsb-rrrrg“ – so drückt „sounding D“ lautmalerisch aus, wie sich die Fuggerstadt vom Zug aus anhört. Foto: Dieter Gericke

„a-ggsb-rrrrg“ – so drückt „sounding D“ lautmalerisch aus, wie sich die Fuggerstadt vom Zug aus anhört. Foto: Dieter Gericke


Doch die reichen nicht ewig. 400.000 Euro hat Augsburg bekommen – für vier Jahre. Ende 2011 läuft die Förderung aus, keiner weiß, was dann kommt. Wer erfolgreiche Produktionen wie die Jugend-Oper „Tom Dumm“ in Kulturpark West erlebt hat, wer weiß, dass auch die von Orchestermitgliedern der Augsburger Philharmoniker ins Leben gerufene Reihe „Zukunftsmusik“ mit Geld aus dem Topf von „Mehr Musik“ gefördert wurden, der weiß auch, was auf dem Spiel steht. Thomas Weizel vom städtischen Kulturamt regte vor dem Kulturausschuss eine Neuordnung der musikalischen Aktivitäten der Stadt an. Unter dem Dachbegriff „Musikstadt Augsburg“ sollte gebündelt werden, was Augsburgs Außenwirkung ausmacht: Mozartfestival und Popkultur, aber auch die Neue Musik. Ewig könne man nicht allein an Profilen festhalten, „die aus der Historie resultieren“ – es sei an der Zeit, den „musikalischen Cluster“ um die Neue Musik zu erweitern. Solche strukturellenj Veränderungen würden sicherlich weiterhelfen – wer von den Veranstaltern „traditioneller“ klassischer Musik allerdings Geld abgibt, wenn von außen nichts hinzukommt – diese Frage bleibt offen.

Vieles ist in der Tat geschehen in den letzten Jahren, das Leopold-Mozart-Zentrum an der Musikhochschule hat ebenso seinen Anteil daran wie das Stadttheater. Intendantin Juliane Votteler betonte denn auch, sie sei bereits mit verschiedenen Stellen in München im Gespräch mit dem Ziel von Reformen bei der Ausbildung von Musiktheater-Pädagogen. Es gehe darum, Ängste und Hemmschwellen abzubauen. Die Grüne Verena von Mutius war es, die dann freimütig den Finger in die Wunde legte mit der Feststellung, es sei „alles andere als gesichert“, dass für Projekte wie „Mehr Musik“ ab 2012 Geld da sein werde. Auch Kulturreferent Peter Grab konnte da lediglich mit Zweckoptimismus aufwarten: Er habe die Hoffnung, „dass das Haushaltsjahr 2012 besser wird.“ Bis dahin gelte es, „die strukturelle Situation zu prüfen und zu klären“, und dafür sei reichlich Zeit. Zeit auch für das Publikum, anhand von „sounding D“ und anderen Projekten festzustellen, wie wichtig Neue Musik für die Atmosphäre einer modernen Stadt sein kann.

» www.sounding-d.net

» www.robinminard.com

» www.mehrmusik-augsburg.de