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Montag, 22.07.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Geht die Staatsbibliothek an den Freistaat?

OB Gribl verhandelt über hundertprozentige Übernahme

Von Frank Heindl

In die Verhandlungen um die Finanzierung der Augsburger Staats- und Stadtbibliothek ist Bewegung gekommen. Während Kulturreferent Peter Grab, Finanzreferent Hermann Weber und Bibliotheksleiter Dr. Helmut Gier gestern in München in einer eigens gegründeten Kommission mit dem Freistaat um Zuschüsse verhandelten, präsentierte OB Kurt Gribl in Augsburg in Zusammenarbeit mit Georg Winter, dem Vorsitzenden des Haushaltsausschusses der Staatsregierung, den Medien einen deutlich weiter gehenden Vorschlag.

Die Staats- und Stadtbibliothek in der Schaezlerstraße

Noch unter städtischer Regie: die Staats- und Stadtbibliothek in der Schaezlerstraße


Das Modell der Münchener Kommission sieht eine Kostenreduzierung für Augsburg vor. Ihrem Vorschlag zufolge würden sich Freistaat und Stadt zukünftig den Aufwand teilen – ungefähr 500.000 Euro pro Jahr für jeden der Partner, mithin eine jährliche Ersparnis für Augsburg in derselben Höhe. Bisher hatte der Freistaat einen geradezu lächerlichen Kostenanteil von 18.900 Euro übernommen. Haken an dieser Lösung: Der Bauunterhalt des Gebäudes an der Schaezlerstraße bleibt bei der Stadt, und was dort an Modernisierungs- und Sanierungsmaßnahmen ansteht, ist mit einer halben Million pro Jahr nicht zu finanzieren. Für die Institution selbst wäre diese Lösung trotzdem ein Gewinn. Georg Winter geht davon aus, dass aus der geteilten Trägerschaft eine bessere Vernetzung der Bibliothek – beispielsweise mit der Universität – resultieren würde, auch ein verbesserter „virtueller Zugang“ könnte angegangen werden.

Deutlich mehr hätten Stadt und Bibliothek von der Idee, die Winter und der OB – unter Einbeziehung der CSU-Landtagsabgeordneten Bernd Kränzle und Johannes Hintersberger – sich ausgedacht haben: Sie arbeiten an einer hundertprozentigen Übernahme der Staats- und Stadtbibliothek durch den Freistaat. Gribl sieht diese Initiative als Reaktion auf „eine Art Aufschrei“, mit dem die Stadtregierung auf die „Missverhältnisse bei der Kostenbelastung“ aufmerksam gemacht habe. Eine etwas subjektive Interpretation, kam doch der laute Aufschrei vor einem knappen Jahr vor allem aus der Öffentlichkeit, die die Pläne der Stadtregierung mit blankem Entsetzen aufnahm, die Bibliothek aufzuteilen und das Gebäude zu verkaufen. Der Hintergrund: Augsburg ist in ganz Bayern die einzige Stadt, die für die Kosten ihrer regionalen staatlichen Bibliothek selbst aufkommen muss. Das hat historische Gründe: Aus Misstrauen gegenüber der Zentralgewalt in München hatte man dereinst gefürchtet, der bayerische Staat würde sich der wertvollen Archivalien bemächtigen wollen – und behielt deshalb die Bibliothek unter eigener Regie. Ein diesbezüglicher Vertrag aus dem Jahr 1898 besiegelte die Verhältnisse und gilt noch heute.

4,3 Millionen Euro sind der Stadt zu viel – kommen sie nun vom Freistaat?

Georg Winter, Vorsitzender des Haushaltsausschusses im Bayerischen Landtag und Oberbürgermeister Dr. Kurt Gribl am Dienstag bei ihrer Pressekonferenz zur Zukunft der Staats- und Stadtbibliothek.

Georg Winter, Vorsitzender des Haushaltsausschusses im Bayerischen Landtag und Oberbürgermeister Dr. Kurt Gribl am Dienstag bei ihrer Pressekonferenz zur Zukunft der Staats- und Stadtbibliothek.


Seither hat sich allerdings das Verhältnis zwischen Stadt- und Staatsregierung grundlegend geändert. Niemand befürchtet mehr einen Abzug der historischen Archivbestände von kaum zu bezifferndem Wert, stattdessen leiden die Kommunen unter knappen Kassen. Für OB Gribl hat die Idee der staatlichen Übernahme viel Charme: „Wir geben nichts aus Augsburg weg, der Freistaat würde sich dann sogar um die kommunalen Archivbestände kümmern.“ Der Kommissionsvorschlag, sich lediglich die Betriebskosten zu teilen, ließe dagegen viele Probleme ungelöst. Bis September, wünscht sich Georg Winter, möge die Stadt eine Stellungnahme abgeben und einen entsprechenden Antrag stellen, dann könne man eventuelle Wünsche in die Haushaltsberatungen einbringen. So lange wird man über diesen Vorschlag in Augsburg nicht nachdenken müssen. Denn das Gebäude der Staats- und Stadtbibliothek ist, so Winter, „dringend sanierungsbedürftig“: Die klimatischen Bedingungen sind nicht optimal für das Archivmaterial, außerdem leiden die Akten unter zu viel Lichteinwirkung. Und schließlich ist der ganze Bau marode: Die Statik hält dem Gewicht abertausender Bücher nicht mehr stand, 50.000 sind bereits ausgelagert, ein Ausbau des Dachgeschosses ist nur möglich, wenn grundsaniert wird. Geschätzte Kosten: 4,3 Millionen Euro. Zuviel für die Stadt – und für den Freistaat?

Zum Jubiläum eine Zukunftsperspektive

Georg Winter gilt wegen seines Amtes als einer der wichtigsten Leute der Staatsregierung. Wenn er nach Augsburg kommt, um mit dem OB zusammen Pläne zu verkünden, darf man davon ausgehen, dass die Chancen für deren Verwirklichung nicht ganz schlecht stehen. Trotzdem dämpft der Vorsitzende des Haushaltsausschusses die Erwartungen: Die notwendigen Mittel müssten aus dem Wissenschaftsministerium kommen, wo sie ebenfalls zunächst noch nicht vorhanden seien – Minister Heubisch bräuchte einen Nachschlag. „Es wird nicht einfach werden“, meint Winter.

Für Augsburg aber würde es sich lohnen: Die Stadt hätte keine laufenden Kosten, keine Bauinvestitionen und keinen Bauunterhalt mehr zu tragen und müsste sich trotzdem nicht von einer Institution trennen, die die Geschichte Augsburgs wie keine andere bewahrt. Der Einstieg des Freistaates würde nach den Plänen von Winter/Gribl „in Stufen“ erfolgen, könnte aber schon 2013 abgeschlossen sein. 2012, wenn die Staats- und Stadtbibliothek ihr 475-jähriges Jubiläum feiert, könnte der Plan schon „in trockenen Tüchern“ sein, und Bibliotheksleiter Dr. Helmut Gier, der dann seinen Abschied nimmt, könnte seinem Nachfolger ein Haus mit guter Zukunftsperspektive übergeben.

Sollte alles so klappen, hätte man allerdings möglicherweise an anderer Stelle das Nachsehen: Dass Kulturreferent Grab derzeit in München auch mit dem Ansinnen vorstellig wird, sein Stadttheater zum Staatstheater zu machen und damit auch dessen Kosten dem Freistaat aufzubürden, mag Winter zwar nicht als Problem sehen („auch andere äußern viele Wünsche“), gibt aber zu, in Augsburg liefen „aktuell zu viele Dinge gleichzeitig auf“ – Winter erwähnt in diesem Zusammenhang auch das Zentralklinikum. Die Stadt stehe unter „extremer Belastung“, wichtig sei daher eine „vorsichtige Abwägung, wo man Augsburg helfen kann.“ Dafür wird es noch vielerlei Möglichkeiten geben.