“Gegen eine persönliche Meinung ist nichts einzuwenden”
Weit weniger Wirbel als von der Augsburger Allgemeinen dargestellt verursacht derzeit der Streit um einen Leserbrief in Augsburgs Heimatzeitung – zumindest wenn man die Anzahl der Beiträge in deren Leserforum mit der zur Affäre um Ordnungsreferent Volker Ullrich (CSU) vergleicht.
Von Bruno Stubenrauch
Vor einigen Wochen hatte eine Leserbriefschreiberin mit langjähriger CSU-Vergangenheit Behauptungen im Zusammenhang mit Ullrichs Bundestagskandidatur aufgestellt: Die Augsburger CSU-Politiker Bernd Kränzle und Rolf von Hohenhau hätten “zwei verdiente Männer wie Christian Ruck und Rainer Schaal” aus dem Feld “gekickt”, um Volker Ullrich ins Rennen für den Bundestag zu schicken, so der Tenor des Leserbriefs. Gegen diesen gingen Kränzle und von Hohenhau juristisch vor – für die Heimatzeitung ein “ungeheuerlicher Versuch”, “freie Meinungsäußerung in Leserbriefspalten zu unterdrücken”. Während es im Januar der durch eine Anzeige des Ordnungsreferenten ausgelöste – und als Angriff auf die Pressefreiheit gewertete – Besuch der Polizei in den Redaktionsräumen der Augsburger Allgemeinen noch auf rund 2.000 Forenbeiträge gebracht hatte, dümpelt die zur Affäre um die Meinungsfreiheit hochkommentierte Angelegenheit nur mit einem Zehntel des Echos dahin.
Am gestrigen Montag setzte sich Bernd Kränzle mit Spitzen gegen die Augsburger Allgemeine zur Wehr: Die Behauptung im Leserbrief entspreche “nicht den Tatsachen”, so der Politiker in einer Pressemitteilung. Mittlerweile sei er aber “zur Schlussfolgerung gekommen”, dass die Verfasserin “ihre aus vielen Zeitungskommentaren gebildete, ganz persönliche Meinung wiedergegeben hat”, und verortete so die Verantwortung bei der Presse. “Es wäre hilfreich gewesen, wenn Frau H. längst selbst erklärt hätte, dass sie nur ihre eigene Meinung zum Ausdruck bringen wollte. Denn eine Meinungsäußerung respektiere ich, auch wenn diese auf verletzenden Behauptungen beruht”, so Kränzle mit einem weiteren Verweis auf die eigentliche Urheberschaft der Unterstellungen. Eines habe er aber aus der Sache gelernt, so der CSU-Politiker in einem TV-Interview: dass die Behauptung von Tatsachen “wohl in der Öffentlichkeit als Meinung verstanden wird”. Von einem weiteren juristischen Vorgehen wolle er Abstand nehmen.
Auch Chefredakteur gerät in Shitstorm
Die Erfahrung, wie schnell man als vermeintlich größerer und mächtiger Streitpartner in die wutbürgerliche Schusslinie geraten und zum Feind freier Meinungsäußerung abrutschen kann, musste gestern auch der stellvertretende Chefredakteur der Augsburger Allgemeinen Jürgen Marks machen. Er griff in die Forendiskussion “Die CSU und die freie Meinung” ein und qualifizierte seinerseits die Meinung eines Forenschreibers als “bedauerlich” und “inhaltlich absurd” ab. Dessen Text vermittle “den Lesern hier ein hanebüchenes Medienbild”, was er “nicht unkommentiert stehen lassen” könne. Nur der schnelle Rückzug nach den ersten Leserantworten auf seinen Beitrag bewahrte Marks davor, sich ähnliche Reaktionen wie zuvor die CSU einzufangen.
Einge wenige Stellungnahmen gab es indes aus der Politik: Während Reiner Erben, Fraktionsvorsitzender der Augsburger Grünen, gestern das Vorgehen gegen die Leserbriefschreiberin als “undemokratisch” brandmarkte, nutzte der Augsburger FDP-Kreisvorsitzende Markus Arnold die Angelegenheit, um seine Partei als künftigen Koalitionspartner der CSU ins Gespräch zu bringen. “Die FDP will 2014 eine stabile bürgerliche Koalition mit der CSU in Augsburg eingehen”, so Arnold in einer Pressemitteilung vom Montag. Die CSU müsse sich dazu aber “intern einig” sein und die Belange der Stadt in den Vordergrund stellen, statt “nutzlose parteiinterne Kleinkriege zu führen, welche leider zu oft öffentlich ausgetragen werden”.