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Montag, 22.07.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Meinung

Friedensfest: Antisemitischer BDS-Aktivismus im Kulturprogramm

Am 22. Juli beginnt die Stadt Augsburg den alljährlichen Friedensfestzyklus mit ihrem bekannten Kulturprogramm unter dem ebenso viel- wie nichtssagenden Motto „Kreativität“. Der letzte Streit ums Friedensfest liegt wenige Monate zurück, doch nun steht der nächste größere Konflikt ins Haus: Am 25. Juli ist ein der antisemitischen BDS-Bewegung nahestehender Aktivist im Kulturprogramm zu Gast und wird über den „Rechtsruck in Israel“ sprechen.

Kommentar von Bernhard Schiller

Zur Politik des Staates Israel kann man unterschiedlicher Auffassung sein und es sollte auch kein grundsätzliches Problem darstellen, die eigene Meinung dazu in angemessener Weise öffentlich zu äußern. Wenn aber die Gefahr droht, dass zwischen einer Meinung zum Regierungshandeln und einem öffentlich vorgetragenen anti-israelischen Antisemitismus nicht mehr unterschieden werden kann, muss das als skandalöser Vorgang kenntlich gemacht werden. Zumal dann, wenn diese Verschleierung als Programmpunkt beim Augsburger Hohen Friedensfest vorkommt.

Was hat die Politik des Staates Israel im Kulturprogramm des Friedensfests verloren? Wer trägt sie dort hinein? Und wieso kann eine Person, die der antisemitischen BDS-Kampagne nahesteht, einen Vortrag in einer öffentlichen Einrichtung der Stadt Augsburg halten?

Die BDS-Bewegung

BDS steht für Boykott, De-Investitionen, Sanktionen. Mit diesen drei Forderungen will die BDS-Bewegung vordergründig erreichen, dass Israel die angebliche „Okkupation und Kolonisierung allen arabischen Landes“ beendet. Die Bewegung folgt mit der Behauptung, Israel betreibe aus rassistischen Motiven eine fortgesetzte ethnische Säuberung, Opfernarrativen, die nicht den historischen Tatsachen entsprechen. Führende BDS-Vertreter artikulieren auch öffentlich den Wunsch „Israel zu demontieren“. Am 17. Mai 2019 fasste der Deutsche Bundestag deshalb einen Beschluss mit dem Titel „Der BDS-Bewegung entschlossen entgegentreten – Antisemitismus bekämpfen“. Ausdrücklich ruft der Bundestag Städte und Gemeinden dazu auf, sich seinem Urteil über die BDS-Kampagne anzuschließen.

Gastredner mit antisemitischen Verschwörungstheorien

Am 25. Juli wird nun ein gewisser Jakob Reimann als Vortragsredner im Augsburger Zeughaus auftreten. Reimann ist studierter Biochemiker und lebte einige Monate im Westjordanland und in Israel. Er bezeichnet sich selbst als „Schreiberling für linke Medien über Nahost, Krieg und Frieden“, verfasste Texte für diverse Blogs und twittert. Die Veranstaltung mit dem Titel „Rechtsruck in Israel – Gibt es noch Chancen für den Friedensprozess?“ wird von der Augsburger Friedensinitiative (AFI) mit den ihr angeschlossenen Organisationen wie etwa Pax Christi Augsburg präsentiert. Damit platziert diese Initiative eine Person in der Augsburger Öffentlichkeit, die der BDS-Kampagne nahesteht, die Israel vorwirft, ein Apartheidsregime zu bilden und die im Chor mit anderen Publizisten bekannte antisemitische Stereotype und Verschwörungserzählungen aufrechterhält und weiterträgt.

Im November 2016 unterstellt Reimann zum Beispiel in der linken Wochenzeitung „Der Freitag“, dass von Israel manchmal palästinensischer Terrorismus nur „unterstellt“ würde, um Massaker und Hinrichtungen zu rechtfertigen. Auf dem Blog „Foreign Policy Journal“, das von dem BDS-Unterstützer Jeremy R. Hammand betrieben wird, nennt Reimann Israel im März 2017 einen „Apartheid-Staat“, der Folter, Morde und andere Verbrechen begehe, um die Dominanz einer rassischen Gruppe über eine andere Rasse zu festigen und die andere Rasse systematisch zu unterdrücken.

Sein Blogger-Kollege Jeremy R. Hammand spricht Israel das Existenzrecht wörtlich ab, indem er sagt, dass es ein solches Recht gar nicht gebe. Laut Hammand würden die Zionisten von „Existenzrecht“ sprechen, wenn sie eigentlich das „Recht zur ethnischen Säuberung“ meinen. Im August 2022 bezeichnete Reimann anlässlich der Ermittlungen wegen Volksverhetzung gegen Präsidenten der palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmud Abbas die Palästinenser als „Opfer der Opfer“.

Abbas hatte Israel bei einer Pressekonferenz im Kanzleramt „fünfzigfachen Holocaust“ vorgeworfen. Reimann, der selbst immer wieder behauptet, einen Unterschied zu machen zwischen Juden und dem Staat Israel, setzt mit der Formulierung „Opfer der Opfer“ beide Kategorien gleich, verwendet Nazi-Vokabular und spielt auf eines der primitivsten judenfeindlichen Muster an, nämlich die küchenpsychologische Behauptung, die Opfer von einst seien die Täter von heute.

Und kürzlich führte Reimann für die linke Tageszeitung „Junge Welt“ ein Interview mit zwei BDS-Aktivisten, welche die Haltung der deutschen Politik gegenüber Israel als „obrigkeitsstaatlich verordneten Zionismus“ bezeichnen und das in diesem Jahr von den Berliner Behörden vollzogene Verbot der sogenannten Nakba-Demonstration als Ausdruck einer „jahrzehntealten bundesdeutschen Ideologie“, die „antipalästinensischer Rassismus“ sei. Das klingt wie wirres Gerede, hat aber System. Die Aktivisten setzen „Zionismus“ mit „Rassismus“ gleich und der Gast der Augsburger Friedensinitiative widerspricht ihnen nicht. 

Ausdruck des linken Antisemitismus

Das judenfeindliche Ressentiment in Form des Antizionismus ist anhand bewährter Kriterien leicht zu entlarven. Neben den oben bereits belegten Merkmalen der Delegitimierung und Dämonisierung Israels,  ist der Doppelstandard das dritte Kriterium. Doppelstandard bedeutet Anlegen anderer Maßstäbe an den Staat Israel als an andere Staaten.

Noch einmal also die zentrale Frage: Warum steht die Politik Israels im Kulturprogramm des Augsburger Friedensfestes? Wäre der Rechtsruck der Grund: Einen Rechtsruck in der Politik gab und gibt es in vielen Ländern, in Polen, Ungarn, Italien. Auch hierzulande sieht es momentan so aus, als könnte eine gewisse Partei rechts der CSU weiter erstarken.

Reimann ist trotz gewisser sprachlichen Ignoranz kein Nazi. Auch die Mitglieder von Augsburger Friedensinitiative und Pax Christi dürften großteils im linken Spektrum zu verorten sein, ihre Mit-Veranstalter bezeichnen sich als Deutsche Friedensgesellschaft-Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) Augsburg und als Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VNN-BdA) KV Augsburg. Die Alleinstellung des Programmpunkts im Kulturprogramm zum Friedensfest kann deshalb als Ausdruck eines linken Antisemitismus verstanden werden, der sich immer wieder in der Fixierung auf den Israel-Palästina-Konflikt niederschlägt. Zu verantworten hat das Programm jedoch die Stadt Augsburg.

Ankündigungstext im Kulturprogramm erzeugt ein verzerrtes Israel-Bild

Im Ankündigungstext des Programms steht, dass nach dem Rechtsruck in der israelischen Regierungspolitik „Rechtsstaat und Demokratie weiter demontiert“ würden. Als ob es bereits eine langandauernde Demontage von Rechtsstaat und Demokratie in Israel geben würde. Wenn es irgendwo in der Nähe des Staates Israel einen eklatanten Mangel an Rechtsstaatlichkeit und Demokratie gibt, dann in den Gebieten unter palästinensischer Verwaltung.

Auf dem jüngsten Demokratieindex der Deutschen Forschungsgemeinschaft gilt Israel mit Platz 30 als funktionierende Demokratie und steht noch vor den USA und Griechenland. Derselbe Index des „Economist“ listet Israel auf Platz 29 als fehlerhafte Demokratie, das gilt jedoch auch für die tschechische Republik, Griechenland und Portugal sowie die USA, Belgien und Italien, die dort ebenfalls hinter Israel stehen. In beiden Erhebungen gilt Palästina als harte Autokratie beziehungsweise autoritäres Regime und belegt einen Platz weit unten.

Der Staat Israel, der seit seiner Gründung im bewaffneten Konflikt steht, macht Fehler – und manche davon wiegen schwer. Der Ankündigungstext im Kulturprogramm jedoch erzeugt ein verzerrtes Israel-Bild. In das Kulturprogramm zum Friedensfest passt das nicht.

Der Beschluss des Bundestages verpflichtet die Kommunen zwar nicht, einer Einzelperson, die der BDS-Bewegung nahesteht, die Nutzung öffentlicher Räume zu untersagen. Dennoch unterliegt die Stadt Augsburg aufgrund des Charakters ihres Friedensfestes der moralischen Selbstverpflichtung „der BDS-Bewegung entschlossen entgegentreten – und Antisemitismus zu bekämpfen“, wie es in der Resolution des Bundestags unmissverständlich heißt.