Theater
Freilichtbühne: Dem Fugger ins Herz geschaut
Der musikalische Blick ins Privatleben von Jakob Fugger findet großen Zuspruch beim Publikum
Von Halrun Reinholz
Da ist zunächst mal grundsätzlich Skepsis angesagt: Eine Auftragsarbeit für die Fuggerstadt Augsburg, ein Musical über Jakob Fugger, den man als reichsten Mann der Welt und als nüchternen Kaufmann kennt. Wie soll das gehen? Und das dann noch auf der Freilichtbühne, dem Lieblingsort des Theaterpublikums, der durchaus auch Theaterverächter einmal im Jahr anspricht. André Bücker wagte das Experiment. Über das Privatleben Jakob Fuggers ist nicht viel bekannt – aber ist es nicht genau das, was den Raum für Mythen und Spekulationen zulässt? Das Theater Augsburg ging da klug vor und erteilte den Auftrag an Leute, die mit keinem Hauch von Lokalpatriotismus in Verbindung zu bringen sind und die demnach ein solches Projekt mit der nötigen professionellen Distanz angehen können.
Andreas Hillger dachte sich am Rande der biographischen Gegebenheiten des Protagonisten eine erstaunlich tragfähige Beziehungskiste aus und verwob sie geschickt mit den historischen Tatsachen der Zeitgeschichte. Komponist Stephan Kanyar verfügt über einige Erfahrung im Musical-Bereich, er schrieb eine einfühlsam die Zeit zitierende, dennoch mitreißende Musik für das Bühnenspektakel. In Szene gesetzt wurde das Ganze auch von einem ausgewiesenen Experten des Genres, Holger Hauer, 2016 für den deutschen Musical-Preis für Regie nominiert (in der Augsburger Inszenierung selbst als Welser auf der Bühne). Dieser setzte bei der Umsetzung allerdings bewusst auf die lokalen Gegebenheiten. Die Augsburger Philharmoniker unter der Leitung des GMD Dominkos Héja nahmen nach dessen Aussage gerne die Herausforderung an, gänzlich ungewohnte Töne zu spielen. Auch Ballettchef Riccardo Fernando war als Choreograf und mit seinem Ensemble eingebunden, ebenso wie der Opernchor, der mit Gerhard Werlitz als Ulrich Fugger auch einen Einzelakteur (neben Ensemblemitglied Stanislav Sergeev als dessen Bruder Georg) stellte. Für die Hauptdarsteller wurden professionelle Musical-Darsteller geholt: Chris Murray als Jakob Fugger, Roberta Valentini als Jugendliebe Sibylla, Elke Kottmair als Mutter Barbara und Katharina Wollmann als Sibylla Fugger überzeugten mit Stimmgewalt und Professionalität, ebenso wie die Studierenden des Masterstudiengangs Musical an der August-Everding-Akademie, die das Ensemble bereichernd ergänzten.
Das Spektakel wurde von Karel Spanhak auf die Freilichtbühne gesetzt, was bekanntlich nicht so einfach ist, da dies einerseits Monumentalität, andererseits Intimität erfordert. Mit Hilfe einer Drehbühne wird das Geschehen (das oft schnelle Schnitte im Zeitablauf beinhaltet) klug geführt, auf Knalleffekte wie Autos oder Tiere verzichtet der Bühnenbildner vollständig – ebenso auch auf die historische Korrektheit bei den Wappen und Farben. Dafür steuert Sven Bindseil opulente, zeitgemäße Kostüme in den Augsburger Stadtfarben mit folkloristischen und historischen Anklängen bei, auch wenn das zuweilen, etwa bei Welsers Kopfbedeckung, etwas überzeichnet wirkt und auch bei der berühmten Goldhaube Jakob Fuggers muss man unwillkürlich an einen Fahrradhelm denken.
Wie das Werk beim Augsburger Publikum ankommt? Es geht begeistert mit. Waren bei der Premiere trotz schönen Wetters noch etliche Plätze frei, sprach es sich bald herum, dass der Abend auf der Freilichtbühne den Besuch wert ist, was den Vorverkauf bei guter Wetterprognose erkennbar anheizte. Auch die Anwohner können in diesem Jahr beruhigt sein: Statt des Feuerwerks gibt es Fackeln, die das Geschehen eindrucksvoll abrunden. Dass ein Musical mit Yellow-Press-Thema auch etwas schmalzig daherkommt, ist klar. Doch weniger als vermutet. Und das „Herz aus Gold“ ist anders gemeint, als es klingen mag – nicht das weiche Herz des Stiftungsgründers ist damit angesprochen, sondern das Kaufmannsherz, das sich keine Gefühle leisten kann (oder will). Die Fugger-Nachkommen, dezidierte Unterstützer des Musical-Projekts, nahmen die Premiere jedenfalls zum Anlass für ein exklusives Familientreffen im Höfle, neben dem die Darsteller als Zaungäste ihre bescheidene Premierenfeier abhalten durften. Fuggers Geist ist mit allen Facetten noch immer präsent in der Stadt.