Frauenfußball ist anders
Warum die Frauen WM ein bedeutsames sportpolitisches Ereignis werden könnte und warum die Werbeplakate der City Galerie in der City of Peace verschwinden müssen
Kommentar von Siegfried Zagler
„Der Ball ist rund“, diese große philosophische Metapher stammt bekanntermaßen von Sepp Herberger, dem letzten deutschen Bundestrainer mit Format. „Der frauliche Körper ist für den Fußball nach meiner Meinung völlig ungeeignet.“ Das hat ebenfalls Sepp Herberger gesagt, dem man in diesem Zusammenhang in Rechnung stellen sollte, dass er in einer Zeit lebte, als das weibliche Fußballspiel vom DFB offiziell geächtet wurde. Das hat sich glücklicherweise ins Gegenteil verkehrt. Es wird wohl weltweit keine Mannschaft geben, die so aufwändig und geldintensiv von einem Verband beworben und gesponsert wird wie die Frauenfußballnationalmannschaft vom DFB, weshalb es ein wenig überrascht, dass, wie durch eine von der Deutschen Presseagentur in Auftrag gegebene Umfrage bekannt wurde, mehr als 50 Prozent der Deutschen nicht eine einzige Spielerin „ihrer“ Frauenfußballnationalmannschaft kennen.
Die Liebe der Fußballnation zum Fußball geht offenbar nicht so weit, dass man sich nachhaltig für Frauenfußball interessiert, der hierzulande nur dann ins Blickfeld der Öffentlichkeit rückt, wenn eine WM oder eine EM ansteht. Es gibt keine Profiliga, keine gut entwickelte Infrastruktur für Amateurvereine mit Frauenmannschaften und natürlich kein Publikum, das sich für Frauenfußball außerhalb einer Weltmeisterschaft interessiert. Obwohl sich in den deutschen Fußballvereinen in den letzten Jahren mehr weibliche als männliche Neumitglieder angemeldet haben, ist Deutschland in Sachen Frauenfußball ein Entwicklungsland geblieben. Dabei waren die deutschen Fußballfrauen in den letzten Jahren wesentlich erfolgreicher als das männliche DFB-Auswahlteam.
Frauenfußball darf man mit richtigem Fußball nicht vergleichen
Interessanterweise sind sich die Fußballversteher hierzulande zumindest in einer Angelegenheit in Sachen Fußballnationalmannschaft(en) einig: Bundestrainerin Silvia Neid wäre der bessere „Bundestrainer“, zumindest solange ihr Pedant Joachim Löw heißt, dessen Fähigkeit ein laufendes Spiel richtig lesen zu können – trotz aller Erfolge – von den Experten nicht höher eingeschätzt wird als die Ballfertigkeit von Mario Gomez, doch darum soll es hier nicht gehen. „Frauenfußball ist anders“, ist der charmanteste und politisch korrekteste Satz, den man in den nächsten drei Wochen nicht selten hören wird. „Frauenfußball darf man mit richtigem Fußball nicht vergleichen.“ Diese Aussage ist zwar weniger charmant, aber zutreffender, da die technischen Defizite nahezu aller Auswahlspielerinnen augenscheinlich sind, was besonders zu Tage tritt, wenn man sich zum Beispiel die Spiele der zeitgleich in Mexiko stattfindenden U-17 WM ansieht. Zweifelsfrei sind alle, der 15- bis 17-jährigen Knaben technisch, taktisch und athletisch besser ausgebildet als fast alle erwachsene Kickerinnen, die in den kommenden drei Wochen den FIFA-World Cup ausspielen. Doch darum soll es hier auch nicht gehen. Frauenfußball ist anders und in seinen besten Momenten atemberaubend gut. Wir werden in den kommenden Wochen die WM in vollen Zügen genießen und uns über die Erfolge der deutschen Fußballfrauen freuen. Die Mannschaft von Silvia Neid trifft, so die DAZ-Prognose, erst im Halbfinale auf das US-Team, also auf einen Gegner, der auf Augenhöhe mit den deutschen Elitefußballerinnen mithalten kann.
Die FIFA ist von innen heraus nicht reformierbar
Apropos FIFA: Die Frauen WM in Deutschland könnte im besten Sinne zu einem sportpolitisch bedeutsamen Ereignis werden, wenn sich das deutsche Publikum dazu aufraffen könnte, FIFA-Präsident Joseph Blatter an jedem seiner Erscheinungsorte mit angemessener Verachtung, also einem gellenden Pfeifkonzert zu bestrafen. Blatter ist das Gesicht der FIFA, und die FIFA ist – wie die WM-Vergabe nach Katar eindrucksvoll belegte – in erster Linie ein verkommenes Syndikat, dessen Streben nach Gewinn dem Fußball eine hässliche Fratze aufgesetzt hat. Die FIFA hat sich in der Blatter-Ära weltweit in etwa den gleichen Ruf erarbeitet wie die Cosa Nostra, deren Oberhäupter dem Schreiber dieser Zeilen diesen wenig schmeichelhaften Vergleich hoffentlich nachsehen.
DFB-Präsident Theo Zwanziger war immerhin clever genug, kurz vor der WM und kurz nach seiner Wahl in das FIFA Exekutivkomitee die Absicht zu bekunden, die FIFA reformieren zu wollen, weshalb er Joseph Blatter einen Fünf-Punkte-Plan vorlegen werde. Die fünf Zwanziger-Punkte beschreiben mehr oder weniger den Sachverhalt, dass die FIFA eine unkontrollierbare Organisation geworden ist, der ein permanenter Korruptionsverdacht anhaftet. Ginge es nach Zwanziger, müssten auch die staatlichen Strafverfolgungsbehörden bezüglich des Schmiergeldverdachts in Sachen Katar eingeschaltet werden. Bestätige sich der Verdacht, so Zwanziger, sollte die WM neu vergeben werden. Falls in der Angelegenheit WM-Vergabe nach Katar tatsächlich alles mit rechten Dingen zugegangen sein sollte, müssten sich die Mitglieder des FIFA Exekutivkomitees mittels einer eidesstattlichen Erklärung dazu bekennen, dass sie während des Abstimmungsprozesses „nicht ganz bei Trost“ waren. Dies sollte Zwanziger noch hinzufügen, damit dieser irrwitzige Vorgang auf jeden Fall reparierbar wird. Die FIFA ist von innen heraus nicht reformierbar, diese Erfahrung wird Zwanziger, der mit dem DFB Blatter stets gewählt und unterstützt hat, schneller machen als ihm Recht ist. Die FIFA muss zerschlagen und von Grund auf neu aufgebaut und organisiert werden. Dies ist aber nur möglich, wenn der Druck der Öffentlichkeit und der Großsponsoren galaktische Züge trägt. In den Stadien der Frauen WM könnte dafür ein Anfang gemacht werden.
Was wäre passiert, hätte das Management der City Galerie ihre primitive Folklorisierung auf das so genannte „Südländische“ gerichtet?
Nicht ganz bei Trost, so der erste Gedanke, dürfte auch der Augsburger Stadtrat und Bundestagabgeordnete der Linken, Alexander Süßmair, gewesen sein, als ihn nach einem Jahr die Einsicht kalt und wohl aus heiterem Himmel traf, dass die DA-LANG Werbeplakate der City Galerie rassistische Züge tragen könnten. Der zweite Gedanke allerdings ist aufregender: Süßmair hat Recht! Merkwürdig ist nur, dass er so lange dafür gebraucht hat. Die Werbeplakate der City Galerie mit der asiatischen Comicfigur und dem wegweisenden „DA-LANG“ sind nicht witzig, sondern rassistisch. Die klischeehafte Darstellung auf diesen Plakaten reduziert eine Ethnie auf folkloristische Merkmale herunter und kreiert eben durch diese Stereotypisierung eine Zuordnung rassistischen Zuschnitts. „Der Asiate ist verschlagen und verschmitzt“, so eine mögliche Lesart dieser holzschnittartigen Abbildungen. Am kommenden Donnerstag will die Linke Stadtratsgruppe mittels Dringlichkeitsantrag dafür sorgen, dass diese Plakate während der laufenden Frauen WM verschwinden, wie auf Anfrage von Süßmair zu erfahren war, da diese Plakate „vor den Augen der Welt“ besonders blamabel seien.
Es braucht kein ausgeprägtes Vorstellungsvermögen dafür, was passiert wäre, hätte das Management der City Galerie ihre primitive Folklorisierung auf das so genannte „Südländische“ gerichtet. Trüge also die Comicfigur keinen Zopf und keinen Strohhut im Stile der Reisbauern, sondern einen Schnurrbart, buschige Augenbrauen und einen tiefen, schwarzen Haaransatz, wären die Plakate nach wenigen Tagen verschwunden. Der Integrationsbeirat, der Integrationsbeauftragte und möglicherweise sogar der Kulturbürgermeister zusammen mit den Grünen hätten sich in hohem Maße echauffiert – selbstverständlich zu Recht.
Der Anteil der Augsburger mit asiatischem Migrationshintergrund ist nicht hoch, um nicht zu sagen verschwindend gering. Für diese Gruppe unter den 40 Prozent der Augsburger mit Migrationshintergrund gibt es in Augsburg weder eine relevante kulturpolitische Lobby noch irgendeine demokratische Form der Vertretung, weshalb sie offensichtlich von den zuständigen städtischen Stellen gegen rassistische Übergriffe nicht geschützt wird. Damit sollte nach Süßmairs Vorstoß Schluss sein. Die Werbeplakate mit dem Schlitzaugen-Stereotyp verletzen nämlich nicht nur das Menschenrecht auf eine differenzierte Wahrnehmung und Darstellung ethnischer Differenz, sondern verweisen aufgrund ihrer einjährigen Akzeptanz ausgerechnet in der City of Peace auf eine tiefe Gedankenlosigkeit innerhalb der politischen Kaste, die nun in der Verantwortung steht, diese ungeheure Zumutung aus dem öffentlichen Raum zu entfernen.