Filmtage im Strudel des Steuerrechts
Während sich die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter öffnet, geht sie im Steuerrecht für Vereine, die kommunale Aufgaben erfüllen, immer weiter zu. Jüngstes Opfer: das Augsburger Filmbüro.
Von Bruno Stubenrauch
2006 schloss der Verein mit der damaligen Kulturreferentin Eva Leipprand (Grüne) einen Vertrag: Städtischer Zuschuss gegen Ausrichtung der Augsburger Filmtage. Auf diese einfache Formel lässt sich die Vereinbarung bringen, die dem Filmbüro jetzt zum Verhängnis wurde. Seit Ende 2007 sieht der Bundesfinanzhof (BFH) in der Zweckbestimmung von Zuschüssen nämlich eine Vereinbarung von Leistung und Gegenleistung und hat dies in diversen Urteilen zum Ausdruck gebracht. Aus echten Zuschüssen werden damit “unechte”, die im weiteren Sinn Entgelte für Leistungen darstellen. Die wiederum sind steuerpflichtig.
Die Grenzen sind fließend, was die Sache weder für die Finanzämter noch die Steuerzahler einfacher macht. Nach neuester Auffassung der Augsburger Finanzverwaltung enthalten die städtischen Zuschüsse zu den Filmtagen 7 Prozent Umsatzsteuer, die vom Empfänger an den Fiskus abzuführen sind. So werden aus 70.000 Euro Zuschuss 65.420 Euro, wie das Filmbüro Augsburg in einem Rechenbeispiel erklärt, das am Donnerstag auf der Internetseite der Filmtage veröffentlicht wurde.
Fließende Grenzen und Ermessensspielräume
Aber auch von der Ausgabenseite her schließt sich zunehmend die Umsatzsteuerschere: Hier kompliziert ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahr 2008 die Lage. Demnach ist zwischen so genannten “wirtschaftlichen” und “nichtwirtschaftlichen” Tätigkeiten von Unternehmen zu unterscheiden. Rückerstattungen bezahlter Vorsteuer vom Finanzamt gibt es nur noch für Aufwendungen im Bereich der wirtschaftlichen Tätigkeit. Die Festlegungen der Kriterien zur Aufteilung der Vorsteuerbeträge zwischen beiden Tätigkeiten hat der EuGH ins Ermessen der Mitgliedsstaaten gestellt.
Seitdem sind die Finanzgerichte bis hinauf zum BFH mit der Materie beschäftigt. In “alarmierenden Einzelfallentscheidungen”, wie es in Steuerexpertenkreisen heißt, sei die Finanzverwaltung bemüht, die Vorsteuerabzüge von Unternehmen auf deren Umsatzsteuerzahllast zu drücken und damit “Subventionen” nichtwirtschaftlicher Tätigkeiten aus dem Steuertopf zu reduzieren. Im Fall des Filmbüros ist das Finanzamt der Auffassung, seine Erstattungen um rund 70 Prozent mindern zu dürfen, wie das Rechenbeispiel des Vereins zeigt, und zwar rückwirkend für die Jahre 2007 bis 2011. In der Summe aus verminderter Erstattung und erstmaliger Zuschussbesteuerung flatterte dem Filmbüro ein Steuerbescheid in hoher fünfstelliger Höhe ins Haus.
“Wir haben das Geld nicht zweckentfremdet”
Freiwillig wollte das durch eine Steuerkanzlei unterstützte Filmbüro den Betrag nicht herausrücken und klagte gegen den Bescheid. Die zuständigen Stellen der Stadt wurden informiert. Da die Finanzverwaltung trotz ausstehenden Urteils einen Antrag des Vereins auf Aussetzung der Vollziehung ablehnte, klagte man auch gegen diese Entscheidung, erzielte aber nur einen kleinen Teilerfolg. 64.000 Euro Zahlung setzte das Finanzgericht letztlich fest und das Finanzamt stellte sie fällig.
Den Vorwurf, man habe 70.000 Euro städtischen Zuschuss für die Filmtage 2012 “zweckentfremdet”, um die Steuerschuld zu begleichen, weist das Filmbüro zurück. Das Finanzamt habe den Bescheid vollstreckt, so Dr. Harald Munding, Vorsitzender des Filmbüros. Der Zuschuss der Stadt Augsburg für die Filmtage lag bis zu diesem Zeitpunkt unangetastet auf dem Konto des Vereins. Munding auf Nachfrage der DAZ, ob man das Geld nicht rechtzeitig “in Sicherheit” hätte bringen können: “Das wäre Betrug gewesen”. Die Klage in der Hauptsache ist nach wie vor beim Finanzgericht anhängig und wird voraussichtlich Jahre dauern.
» Rechenbeispiel des Filmbüros Augsburg e.V. (pdf, 10 kB)