FCA zupft an den Lederhosen
Drei Punkte liegen im Osterkörbchen der Bayern. Aber der FCAvid schenkte dem Fußball-Goliath aus der Nachbarstadt nichts: Die Partie FC Bayern versus FC Augsburg war in großen Teilen ausgeglichen. In der 29. Runde der Fußballbundesliga verlor der FCA gegen die Bayern zwar mit 1:2, die Augsburger Fans konnten aber mit stolzer Brust nach Hause fahren.
Von Kurt Gribl
Erster Fan-Stau schon auf der Eschenrieder Spange. Halb Schwaben hat sich auf den Weg nach München gemacht, auch außerhalb vom offiziellen Fanblock kreuzen viele FCA-Fans die Reihen der Bayern-Anhänger. Wir sitzen in einer starken FCA-Phalanx eingekeilt zwischen misstrauisch äugenden Bayern und geben uns selbstbewusst. Bis zur 25. Sekunde. Und dann wieder. – FCA-Trainer Jos Luhukay startet mit der Erfolgself vom letzten Kölnsamstag. Heynckes teilt mit Robben, Gomez, Schweinsteiger und Ribery von Anfang an die ganz großen Karten aus. Nur Kroos bleibt als Ass noch auf der Bank. – Luhukay lässt in bewährten Viererketten antreten. Von unseren Plätzen aus gibt das immer wieder ein Bild wie aus dem Stickmusterbuch. Bevor aber irgendeine Taktik greift, der große Schock.
Blitztor: Ribery franckt zu Gomez
Noch kabinenwarm marschiert Ribery am linken Flügel mit dem Ball zur Außenlinie, brav eskortiert von bis zu fünf Augsburgern! Verhaeg und Hosogai müssen zuschauen, wie der Franzose an seinem 29. Geburtstag den Ball in die Mitte zu Gomez „franckt“. Der lässt sich nicht lang bitten: Torschuss, Jentzsch wehrt ab, Nachschuss Gomez – 1:0 für Bayern München in der 25. Sekunde! Mit diesem schnellsten Bundesligator der Spielzeit rutscht uns auf den Rängen das Augsburger Herz erst Mal in die Hose. Nicht so der Mannschaft! Der FCA spielt weiter, als wäre nichts gewesen. Während die Münchner es lässig angehen, kämpfen unsere Spieler um jeden Ball. Absolut überzeugend: Das Mittelfeld mit Hosogai, Koo und Baier, die den Bayern das Spielgerät schon frühzeitig vom Fuß nehmen. Gute Kombinationen, hohe Spielanteile beim FCA. Glanzleistungen immer wieder auch von Bellinghausen. In der 14. Minute eine, naja, zweifelhafte Schiedsrichter-Entscheidung: bei einem Freistoß von Bellinghausen schiebt Boateng den Augsburger Langkamp deutlich zu fest von der Position, das hätte auch ein Elfmeter für uns sein können. Kurz darauf die Riesenchance für den FCA: Rafael legt sauber vor für Ndjeng, der zieht ab – leider kommt Boateng dazwischen. München weiter wie heruntergedimmt, zwar immer wieder mit Chancen, aber schlechter Verwertung. Der FCA macht Druck und bekommt Recht: in der 23. Minute knallt Ja-Cheol Koo nach einem sauberen Rückpass (wieder) von Bellinghausen das Leder ins Bayern-Tor. Hochverdienter Ausgleich. Die Augsburg-Reihen toben. Danach zeigen die Bayern kurz Zähne und Klasse. Robben kommt stärker ins Spiel, die eine oder andere Situation wird brenzlig: Ribery trifft in der 25. Minute den Pfosten, Gomez köpft in der 36. Minute den Ball übers FCA-Tor, nochmal Ribery und Schweinsteiger mit guten Chancen – gescheitert. Zur Halbzeit 1:1; für den FCA hochverdient.
In der Pause: man wird ja noch träumen dürfen
Halbzeit bei uns in der Runde: zwei Drittel FCA-Fans, ein Drittel Bayern. Ein Augsburger schnappt sich die Tabelle und rechnet schon mal, wie weit wir mit einem oder mit drei Punkten kommen würden. Schon sieht er den FCA in UEFA-Würden. Die Münchner haben Schaum vorm Mund – nicht nur vom Cappuccino und Weizenbier. Bei dem Spielstand für Dortmund muss aus ihrer Sicht ein Bayern-Sieg her. Die Courage spricht unserem FCA hier trotzdem niemand ab. Faire Einigung: beide Mannschaften hätten Punkte verdient, keiner soll jetzt den Tag vor dem Abpfiff loben.
Zweite Halbzeit: Auf ab, hin her, bumm.
Nach der Pause starten die Bayern ungleich motivierter als vorher. Eine Zeit lang dominieren sie spielerisch, der FCA hält Robben & Co. aber gut im Zaum, so dass Robben vor Wut sogar gelegentlich aufstampft. Auf jeder Seite Chancen, nur keine Verwertung. Aber dann: Heynckes bringt in der 52. Minute Kroos für Timoshchuk, das dynamisiert das Spiel der Bayern. So bleibt der FCA nur knapp vor einem Müller-Tor verschont. Luhukay reagiert und holt Rafael aus dem Spiel, setzt Callsen-Bracker als Dämmung gegen die Offensive der Bayern.
Nach vorherrschender Meinung in unserer Fan-Reihe etwas zu früh. Das FCA-Spiel erlahmt, es geht hin und her, horizontal, aber wenigstens stark und dicht in der Abwehr. In der 55. schießt Gomez am Tor vorbei, drei Minuten später rettet Langkamp, als Robben gefährlich draufhält. Dann die 60. Minute – man hat es kommen sehen: Pass von Lahm, Robben mit Flanke auf Gomez – bumm aus vier Metern und Jentzsch hat das Nachsehen. 2:1 für Bayern. Wir schlucken. Jetzt bloß standhalten. In der 64. Minute hat Jentzsch einen Ball von Robben sicher, die Gefahr lässt ein wenig nach. Die Bayern drosseln das Tempo, aber leider nicht die Aufmerksamkeit. Dem FCA bleibt, mit Ruhe und Konzentration sein Spiel aufzubauen, aber immer wieder scheitert man früh an der jetzt starken Abwehr der Münchner. In der 75. Minute kommt Werner für Ndjeng, in der 82. wechselt Luhukay Hain für Hosogai ein. Der neue Impuls an der Spitze bringt leider nichts mehr. Zwar vertändeln auch die Müncher ihre Chancen – so Ribery mit etlichen schwachen Versuchen, doch dem FCA fehlt ebenfalls das Glück.
Ein Brummen der Hochachtung
In der Schlussoffensive der zweiminütigen Nachspielzeit versuchen Bellinghausen und Werner noch einmal ihr Bestes und die Wende – aber ohne Erfolg. Selbst der erneute Auftritt von Jentzsch im gegnerischen Strafraum hat diesmal keinen Effekt. Sieht von oben trotzdem lustig aus – wie ein gelber Riese auf der Zwergenwiese. Ostern kann kommen. Es bleibt beim 2:1.
Wer jetzt denkt, die Münchner würden den FCA verhönessen, irrt vollkommen. Viele gratulieren zur tollen Leistung, sogar die Hardcore-Bayernfans in der Reihe vor uns lassen ein anerkennendes Brummen hören. Beim Warten am Aufzug lobt einer in voller Bayernmontur: „Für an Aufschteiger spielts es sauguat!“ Das finde ich auch. Super engagiert, frech und frisch mit spielerischer Klasse, bewundernswerte Schockresistenz nach dem 1:0. Danke FCA, ihr habt euch großartig geschlagen. Und ich denke, dass ich für alle Augsburger Fußball-Fans sagen darf: Wir sind stolz auf euch!
FCA: S. Jentzsch; – P. Verhaegh; G. Sankoh; S. Langkamp; M. Ostrzolek; – H. Hosogai; A. Bellinghausen; D. Baier; J. Koo; M. Ndjeng; – N. Rafael.
Eingewechselt: T. Werner (75.); J. Callsen-Bracker (55.); S. Hain (82.).
Ausgewechselt: H. Hosogai (82.); M. Ndjeng (75.); N. Rafael (55.).
Auswechselbank: M. Amsif (TW); J. De Roeck; L. Davids; S. Mölders; S. Mölders.
Tore:
1:0 Mario Gomez (1.)
1:1 Ja-Cheol Koo (24.)
2:1 Mario Gomez (60.)
Dr. Kurt Gribl ist in seiner Eigenschaft als Oberbürgermeister der Stadt Augsburg in der Fassaden-Affäre dem FCA stets mit wohlwollender Lösungsorientiertheit begegnet, obwohl Gribls Fan-Prägung eher aus der Ferne stattfand. „Ins Stadion konnte ich als Kind nicht gehen, weil ich am Wochenende oft mit meinem Vater zu den Viehhaltern ins Umland fuhr. Ich war außerdem Handballer. Trotzdem habe ich mich immer gefreut, wenn ich am Samstagnachmittag mit meinem Vater die Rosenau passierte. Von meinem erhöhten Sitz im Lastwagen aus sah man nämlich durch das Gittertor direkt aufs Spielfeld – das war jedes Mal ein Erlebnis!“, so Gribls Antwort auf die Frage, wie sein Verhältnis zum FCA geprägt wurde. Der von Sehnsucht begleitete ferne Blick auf das unerreichbare Fußballfeld fand eine beinahe literarische Reflexion in Gribls Gastbeitrag. Weniger literarisch, aber dafür mit klarem OB-Blick, sieht Gribl die Wirkung des FCA außerhalb des wöchentlichen Tabellenstandes: „Die positive Imageleistung des FCA für die Stadt kann man gar nicht hoch genug bewerten. Der FCA und seine Fans stehen in ganz Deutschland für couragierten Einsatz, Teamgeist und ein sympathisches Auftreten. Das tut der Stadt und der Region extrem gut.“