FCA: Was darf man hoffen?
Hinter dem FC Augsburg liegt die erfolgreichste Saison seiner Geschichte. Ein Punkt fehlte den Brechtstädtern, um sich für die Qualifikationsspiele für die Europa League zu qualifizieren. Am Ende reichte es für Platz acht. Die Konsequenz: Der Kapitalwert der Augsburger Spieler hat sich auf dem Transfermarkt sehr stark entwickelt.
Von Siegfried Zagler
Dafür gesorgt haben die Spieler, die dem FCA aus der Zweiten Liga verblieben sind. Sie haben in den zurückliegenden Spielzeiten durch ihre Leistungsentwicklung ihre fiktiven Ablösesummen (Marktwert) vervielfacht: Baier, Werner, Callsen-Bracker sind auf dem Transfermarkt heute vier- bis sechsfach höher notiert als zu der Zeit, in der sie zum FCA wechselten. Werner ist 28, Callsen-Bracker 29 und Baier 30 Jahre alt. Sie bleiben dem FCA erhalten. Das Gleiche gilt für die Abwehrriesen Verhaegh und Klavan, deren Marktwert-Daten sich beim FCA ebenfalls beträchtlich erhöht haben.
Nach einer erfolgreichen Saison eines kleinen Klubs stehen dessen Spieler im Begehrlichkeitsfokus der größeren Klubs. Nicht zu halten waren Vogt und Hahn, die beiden Shootingstars dieser Saison, deren Abgänge dem FCA rund 4,5 Millionen Ablöseerträge einbrachten. Beide sind Anfang zwanzig, beiden wird großes Entwicklungspotential nachgesagt. Auf dem Absprung Richtung Hamburg befindet sich Ostrzolek, der dem FCA vermutlich 3 Millionen Euro in die Kassen spülen wird. Es ist also davon auszugehen, dass der FCA zirka 7 Millionen Euro Ablösegewinne erzielt. Die Leistungen der Spieler in der vergangenen Saison erzeugten diesen unerwarteten Mehrwert. Der Marktwert aller Augsburger Spieler wird von der Plattform transfermarkt.de mit 43,6 Millionen Euro taxiert. Die in der Tabelle vor dem FCA platzierten Mainzer werden insgesamt auf 58,3 Millionen Euro geschätzt. Zum Vergleich weitere Schätzwerte: Köln: 24,7; Freiburg: 71,3; Paderborn: 12,7 Millionen Euro. Diese Zahlen bilden im Großen und Ganzen auch den fußballerischen Wert einer Mannschaft ab. Die Klasse des FCA besteht aus der Klasse seiner Spieler und nicht aus fiktiven Parametern wie zum Beispiel „mannschaftliche Geschlossenheit“, wie es in der Sportberichterstattung heißt, solange die Leistungswerte der Spieler der Reportergilde nicht bekannt sind.
Will man den Erfolg des FCA verstehen, muss man über die Abwehr sprechen. Mit nur 47 Gegentoren gehörten die Augsburger dieses Jahr zu den Top-Sechs der Bundesliga. Es wäre falsch, diesen großartigen Wert allein der Abwehrkette zuzuordnen. Beim Spiel gegen den Ball sind alle Feldspieler beteiligt. Besonders stark zeigten sich dabei Daniel Baier, Andre Hahn, Kevin Vogt und Tobias Werner. Hahns Abgang bedeutet einen schwerwiegenden Verlust in der Offensive wie in der Defensive. Neuzugang Alexander Esswein wird diese Lücke nicht in Gänze schließen können. Von Esswein geht weder die gleich Torgefährlichkeit noch die gleiche Defensivstärke aus. Esswein ist ein völlig anderer Spielertyp, seine Stärken liegen wie bei Altintop in der Ballbehauptung und im Dribbling. Tempoläufe über eine lange Distanz sind bei ihm eher selten der Fall. Ob sich Esswein überhaupt in der Bundesliga behaupten kann, ist ohnehin eine offene Frage. Dagegen hat eine starke FCA-Größe ihre Bundesligatauglichkeit längst mehr als unter Beweis gestellt: Jan Moravek wäre ein großartiger defensiver Mittelfeldkünstler, der Vogt hinreichend ersetzen könnte, würde er nur über einen längeren Zeitraum verletzungsfrei bleiben.
Die Problemzone beim FCA war und ist die Angriffsmitte: Bobadilla, Ji, Milik und Mölders erzielten zusammen nur acht Tore. Daraus lässt sich folgern, wie gefährlich das FCA-Mittelfeld ist: 32 Tore von insgesamt 47 gehen auf das Konto von Hahn, Altintop, Vogt und Werner.
Die Abwehrreihe des FCA gehörte (mit Ostrzolek und Baier) zum stärksten, was die Bundesliga dieses Jahr zu bieten hatte. Es ist davon auszugehen, dass Ostrzolek den FCA verlässt. Ostrzoleks Stärke besteht in seiner Offensivkraft. Dadurch, dass er die linke Außenbahn so intensiv beackerte wie nur wenige Außenverteidiger der Liga, konnte Werner sein Spiel stärker in die Mitte verlagern. Ostrzolek, Werner und Hahn bildeten die starke Augsburger Flügelzange, die nicht nur Flanken produzierte, sondern im Zusammenspiel mit Altintop als Tormaschine zu glänzen verstand. Sollte nach Hahn auch Ostrzolek gehen, würden sich die Sturmprobleme des FCA drastisch verschärfen, da nicht davon auszugehen ist, dass Trainer Markus Weinzierl den als schwierig geltenden Esswein zu einem konsequenten Tempoaufnehmer formt, der nicht nur Entlastungsphasen der Abwehr verlängert, sondern auch die Außenverteidiger der Gegner bindet.
Die aktuelle Lage ist also schwierig. Den FCA verlassen mit Hahn, Vogt und voraussichtlich Ostrzolek drei Erfolgsgaranten, die schwer zu ersetzen sind. Mit 17.500 verkauften Dauerkarten hat der FCA einen neuen Vereinsrekord erzielt. Die Zuschauer erwarten eine weitere Bundesligasaison mit Spielen auf Augenhöhe. Darauf darf man aber nur hoffen, wenn Ostrzolek bleibt oder von einem Linksverteidiger seiner Klasse ersetzt wird.