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Freitag, 22.03.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

FCA: Oehrl schlägt König Otto

Die meisten der 29.123 Zuschauer in der SGL-Arena waren entzückt. Beim Kellerduell zwischen dem FCA und Hertha BSC Berlin holte Augsburg beim 3:0 Sieg drei Punkte und befreite sich somit erst einmal vom Abstiegsplatz.

Von Stefan Kiefer



Gleichzeitig weiß Hertha nun, dass selbst die Verpflichtung des Fußballkönigs Otto Rehhagel nicht automatisch eine Wende im Abwärtstrend bedeutet, während Jos Luhukay die zuletzt aufkommenden Fragen um seine Trainerleistung mit diesem Sieg klar beiseite geschoben hat.

Kurz vor Spielanpfiff wurde mir nochmal deutlich vor Augen geführt, wer aus Sicht der Medien in diesem Spiel im Mittelpunkt stand. Die geballten Blitzlichter der Kameraleute galten nicht etwa den bereits auf dem Feld stehenden Spielern, sondern ihm: Otto Rehhagel. Er, der mit 73 Jahren älteste, in 1.021 Bundesligaspielen erfahrene und vielleicht erfolgreichste Trainer der deutschen Bundesliga, wurde erst vor wenigen Tagen vom Gastverein Hertha BSC Berlin verpflichtet. Er sollte die Berliner nach fünf Niederlagen in Folge, 11 Ligaspielen ohne Sieg und nur zwei Punkten Vorsprung zum Tabellenende wieder nach oben bringen. Und dass Rehhagel so etwas kann, hat man im Lauf seiner Karriere schon oft bewundern können.

Duell der Trainer

Die Situation des FCA war nicht wirklich besser. Nachdem er in fünf Spielen der Rückrunde nur drei Punkte geholt hatte und sich bei Beginn des Spiels noch am vorletzten Platz der Tabelle befand, waren in Augsburg schon vermehrt Stimmen zu hören, ob die Misere des FCA nicht auch mit einem Trainerwechsel beendet werden müsste. Deshalb kämpften an diesem Samstag also nicht nur die beiden Mannschaften, sondern parallel auch ihre jeweiligen Trainer gegeneinander um ihre Position.

Umso überraschender war es für mich, dass die strategische Ausrichtung der Trainer keinen Unterschied erkennen ließ. Entweder lagen beide richtig oder beide falsch, denn beide Mannschaften standen sich in der identischen Formation gegenüber: eine Sturmspitze (beim FCA Oehrl), gefolgt von erst zwei (Bellinghausen und Koo) und dann drei Mittelfeldspielern (Baier, Callsen-Bracker, Hosogai) und einer Viererkette in der Abwehr (Verhaegh, Sankoh, Langkamp und Ostrzolek). Mölders war zu Beginn also nicht dabei, dafür Sankoh von Anfang an in der Abwehrreihe.

Unspektakuläre erste Halbzeit

Der Druck auf beide Mannschaften ließ in der ersten Halbzeit kaum dramatische Spielsituationen aufkommen. Die ersten Minuten waren erkennbar dem gegenseitigen Abtasten geschuldet. In der 10. Minute ergab sich dann die gefährlichste Situation für Augsburg überhaupt – eine „fette Chance für Berlin“, wie mein linker Nachbar meinte. Raffael von Hertha hatte Jentzsch schon neben sich, als er seinen Schuss aufs Augsburger Tor abgab. Nur Augsburgs Kapitän Verhaegh konnte reaktionsschnell den Ball noch von der Torlinie kicken.

Bei dieser gefährlichsten Szene blieb es in der ersten Halbzeit. Das Spiel pendelte hin und her, der Herzschlag der Zuschauer wurde dabei aber nicht zum Rasen gebracht. Hatte man in der ersten Hälfte der ersten Halbzeit den Eindruck, dass Hertha die Nase etwas vorne hat, verlagerte sich dies nach zirka 25 Minuten zugunsten des FCA. In dieser Phase war vielleicht noch ein Kopfball von Oehrl in der 26. Minute aufs Berliner Tor hervorzuheben – wenn er auch weit übers Ziel hinausging. In der 36. Minute hätte Bastians von Hertha beinahe das Leder ins eigene Tor versenkt. Trotz dieser Szenen herrschte insgesamt in dieser ersten Halbzeit eine ausgewogene Situation. FCA und Hertha zeigten zwar Einsatz, nur: zu geschlossen war die jeweilige Abwehr, ohne Durchschlagskraft blieben die Spitzen.

Durchbruch nach 60 Minuten

Torsten Oehrl schließt zum 2:0 ab - Foto: sport-in-augsburg.de

Torsten Oehrl schließt zum 2:0 ab - Foto: sport-in-augsburg.de


Die zweite Halbzeit begann ähnlich wie die erste aufhörte. Die Zusammensetzung der Mannschaften blieb ebenso die gleiche. Dachte ich mir noch in der 60. Minute, dass man dem Spiel nicht ansieht, um was es für beide Seiten geht, wurde ich kurz darauf eines Besseren belehrt. In der 61. Minute schaffte es das Trio Koo, Bellinghausen und Oehrl überraschend schnell zu kontern und weit in die Berliner Hälfte vorzustoßen. Nach einem Pass von Bellinghausen über Koo zu Oehrl beförderte dieser den Ball aus 5 Metern Entfernung ins Berliner Tor. Der Jubel im Stadion war groß, die Stimmung bei den FCA-Fans erleichtert.

Viel Zeit zum Verschnaufen blieb den Zuschauern aber nicht. Denn in der 63. Minute war es noch einmal Oehrl, der sich über die Mitte den Weg bahnte, an der Berliner Abwehr vorbeirauschte und selbst den Treffer zum 2:0 landete. Wieder geballte Freude bei den Augsburgern.

Auswechslung nach Vorentscheidung

Ab da kamen die Berliner eigentlich nicht mehr ins Spiel. Dass sie hier noch die Wende herbeiführen würden, war kaum mehr vorstellbar. In der 68. Minute erfolgten bereits die ersten stehenden Ovationen der Augsburger Fans, während Berlin den ersten Wechsel in der Mannschaft vollzog. In der 78. Minute zeigte dann Luhukay, dass Mölders nicht vergessen war und wechselte ihn für Oehrl ein. In der 80. Minute folgte Ndjeng auf den Publikumsliebling Bellinghausen. Während König Otto seinen Sitzplatz nicht verließ, stellte sich Jos Luhukay nun demonstrativ für den Rest des Spiels an die Seitenlinie, um seiner Mannschaft näher zu sein. In der 85. Minute wechselte er noch Reinhardt für Koo ein. In der 90. Minute erhöhte Ndjeng nach einem Pass von Baier schließlich auf 3:0.

Fazit: Die Rechnung ging auf

Der Sieg des FCA war eine kompakte Mannschaftsleistung, bei dem das Team insgesamt keine Blöße zeigte! Die Abwehr zeigte sich kompromisslos, die Positionen wurden – nach den ersten 10 Minuten – gut verschoben. Im Angriff war die Bereitschaft zur Ballabgabe stets vorhanden. Einige Spieler präsentierten sich als besonders wichtige Stützen der Mannschaft: Sankoh sicherte in der Abwehr souverän und ballsicher von Anfang bis Ende der Partie. Bellinghausen zeigte wie üblich seine Kämpfernatur. Baier erwies sich als Aktivposten und Oehrl war für dieses Spiel derjenige, der dem Durchbruch des FCA das Gesicht gab. Und damit wurde die Aufstellung von Jos Luhukay bestätigt.

Der FCA hat die Abstiegsränge verlassen

Insgesamt hatten alle Augsburger Fans Grund zum Jubeln, den sie auch zum Ende hin immer deutlicher artikulierten. Für den FCA war der Erfolg dreifach wertvoll: er holte drei Punkte, besiegte einen unmittelbaren Konkurrenten beim Kampf um den Klassenerhalt und konnte gleichzeitig registrieren, dass die anderen Kellergeister Kaiserlautern und Freiburg – im Gegensatz zu Augsburg – auf ihrer Position verharren mussten. Somit hat sich Augsburg um zwei Tabellenplätze verbessert und steht derzeit auf Platz 15, Hertha mit einem Punkt weniger nur auf dem Relegationsplatz. Die aufkeimende Trainerdiskussion dürfte sich mit diesem Spiel auch erledigt haben, zumindest für Augsburg.

Für mich persönlich war es zwar das 3. Spiel des FCA in dieser Saison, das ich in der SGL-Arena verfolgen konnte, aber das erste meines Lebens, bei dem ich mir – aufgrund dieses Berichts – so viele Gedanken über Trainerstrategie, Mannschaftsaufstellung und spielerische Einzelleistungen machen durfte. Meine persönliche Bilanz zugunsten des FCA in dieser Saison ist weiterhin ungetrübt: 2 Siege und ein Unentschieden. Deshalb bin ich optimistisch, was den Klassenerhalt des FCA anbelangt.

FCA: S. Jentzsch; – P. Verhaegh; G. Sankoh; S. Langkamp; M. Ostrzolek; – H. Hosogai; A. Bellinghausen; D. Baier; J. Koo; J. Callsen-Bracker; – T. Oehrl.

Eingewechselt: D. Reinhardt (85.); M. Ndjeng (80.); S. Mölders (79.).

Ausgewechselt: A. Bellinghausen (80.); J. Koo (85.); T. Oehrl (79.).

Tore:

1:0 Torsten Oehrl (61.).

2:0 Torsten Oehrl (63.).

3:0 Marcel Ndjeng (90.).

Zum Autor:



Ein paar Ministranten-Fußballturniere in seiner Jugendzeit, Zuschauer beim ein oder anderen FCA-Spiel in der SGL-Arena oder bei den Fußball-Weltmeisterschaften und Europameisterschaften im Fernsehen: Dr. Stefan Kiefer ist dem Fußball nicht verfallen. Der Fraktionsvorsitzende der Augsburger SPD spielt gerne Volleyball und ist gerne mit dem Rad unterwegs. Sein Gefühl für das nicht verstehbare Fußballspiel hat Kiefer aus der Distanz entwickelt. Distanz ist für ein tieferes Verständnis nicht abträglich. Stefan Kiefer wird im Frühjahr 2014 aus der vermeintlichen Außenseiterposition des Herausforderers um das Amt des Augsburger Oberbürgermeisters kämpfen.