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Samstag, 20.04.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

FCA: Mit braunen Schuhen auf dem Opernball

Von Siegfried Zagler



 

Nachdem sich der Medien-Hype um die Premiere des FCA in der Fußballbundesliga gelegt hat, ist es an der Zeit, das Geschehen im Zusammenhang zu betrachten. Zunächst hat sich nach dem Heimremis gegen Freiburg an der Einschätzung, dass die Augsburger mit dieser Mannschaft in der ersten Liga nur für den 18. Platz in Frage kommen, nichts verändert. Der Eindruck, dass sich der FC Augsburg in das Oberhaus verlaufen hat, hat sich nach der Auftaktpartie eher verfestigt, denn verflüchtigt. Man muss sich nur einen leicht gebückten Mann – in etwa so wie Olli Dittrich den „Dittsche“ spielt – mit braunen Schuhen und weißen Socken auf dem Wiener Opernball vorstellen. Und dabei die Fragen, warum dieser Mann auf diesen Ball wollte, wie er zu seiner Eintrittskarte kam und wie er sich am Einlass durchschlängelte, auf den FCA projizieren, dann bekommt man in etwa ein Gefühl dafür, welches Gesamtbild der FC Augsburg in der Bundesliga abgibt.

„Beide Teams zeigten fußballerische Magerkost“

Keiner der am Samstag tapfer agierenden FCA-Spieler könnte sich bei den Freiburgern oder bei einem anderen Bundesligisten auf Dauer einen Stammplatz sichern. Doch selbst dann, wenn sich der FCA noch dort verstärken könnte, wo es ihm am meisten mangelt, also im kreativen Spiel nach vorne, hätte er in der Bundesliga sowenig verloren wie Dittsche auf dem Opernball. Lorenzo Davids kann man ohne Risiko das Attribut “Verstärkung” absprechen. Tobias Werner ist mit dem Ball, nun ja, man muss nicht jeden Gedanken „zu Papier“ bringen und auch nicht jeden Namen nennen, da – Gibril Sankoh ausgenommen – alle Spieler im aktuellen Kader des FCA bestenfalls überdurchschnittliche Zweitligaspieler sind. Das gilt auch für Sascha Mölders, der wie – jeder andere Spieler in den Reihen des FCA mit dem Ball am Fuß im Spiel nach vorne nicht das Geringste bewegen konnte. “Flanke, Kopfball, Tor” hat zwar auch sehr viel mit Fußball zu tun, aber eben auch sehr viel mit Zufall und Glück. Was zum Beispiel bedeuten könnte, dass in den nächsten Spielen keine einzige FCA-Flanke ihr Ziel erreicht. Weder Marcel Ndjeng noch Tobias Werner konnten über außen Gefährlichkeit kreieren. Daniel Baier hatte in seiner Lieblingsposition ebenfalls keine einzige Szene, die zu mehr führte als eben dazu, einen Flankenball vorzubereiten. Trotz der Dramatik und des beachtlichen Tempos in der zweiten Halbzeit beschrieb das Fachblatt „Kicker“ das fußballerische Wirken in der SGL arena mitleidlos: „Beide Teams zeigten fußballerische Magerkost, die spannende Schlussphase und die vier Tore entschädigten zumindest ein wenig für das insgesamt unansehnliche Spiel.“ Schlechter wurde vom Kicker nur der trostlose Kick der Berliner Hertha gegen den Nürnberger Club bewertet.

„Ohne Thurk habt ihr keine Chance“

In Dortmund, München und Stuttgart waren die Stadien ausverkauft. In Augsburg fehlten für diese Meldung knapp zweitausend verkaufte Tickets. Sommerferien hin oder her. Der Umstand, dass das erste Bundesligaspiel des Augsburger Aufsteigers trotz 17.500 Dauerkarten und der fußballhistorischen Bedeutung nicht restlos ausverkauft war, ist ein Fingerzeig dafür, dass für den FCA die Bäume nicht in den Himmel wachsen. Die besten Noten der Partie verdienten sich die FCA-Fans auf den Stehplätzen, sie lieferten als “zwölfter Mann” die beste Performance ab. Nach langen Diskussionen einigten sich die Fanclubs darauf, die Causa Thurk nicht mit Protesten im Auftaktspiel zu begleiten. „Ohne Thurk habt ihr keine Chance“, skandierten die Freiburger Fans nach dem 2:1 Zwischenstand. Eine sehr wohlwollende Einschätzung der Freiburger Zuschauer, da man davon ausgehen sollte, dass der FCA gegen den Sportclub auch mit Thurk an einem normalen Tag eher schlecht ausgesehen hätte. Die sportliche Wirklichkeit des FC Augsburg in der Bundesliga kann man am besten daran erkennen, dass ein mit Ach und Krach erwirktes Unentschieden in einem Heimspiel gegen einen in der Abwehr und im Mittelfeld sehr biederen Mitabstiegskonkurrenten von allen Seiten bejubelt wurde.

„Trainer und Geschäftsführer, die mit diesem Typus nicht umgehen können, bekommen Probleme“

Thurks Suspendierung wird in den kommenden Wochen den Verantwortlichen des FCA noch schwer zu schaffen machen. Aktuell gilt allerdings nur Wolfgang Bublies’ unerschrockene Einsicht, dass der FCA in Sachen Presse- und Öffentlichkeitsarbeit „nach wie vor drittklassig ist.“ Ein angemessenes (und immer noch wohlwollendes) Urteil, wenn man bedenkt, dass Andreas Rettig tatsächlich davon ausging, dass er mit einer einsilbigen Pressemitteilung und deren Kernaussage, Thurk sei aus erster Linie aus sportlichen Gründen suspendiert worden, die unsägliche Geschichte zu Ende bringen könnte. Die erste Pressemitteilung aus dem Hause Rettig endet in der Tat mit dem Satz: „Über diese Mitteilung hinaus wird der FC Augsburg keine weitere Stellungnahme zu dieser Personalentscheidung abgeben.“ Der Abgrund, der sich hinter diesem Satz auftut, führt ins Bodenlose.

Kein geringerer als Professor Klaus Theweleit *) kommentiert Vorgänge wie diese aus einem Blickwinkel, der über die Welt des Fußballs hinausgeht*: „Führungs- und Disziplinarkriege mit den Stars der heutigen Spielergeneration enden für die Vereine regelmäßig mit Niederlagen. (…) Komplizierte Spieler nach Buchstaben von Angestelltenverträgen oder gar nach Benimm-Regeln zu behandeln, ist ähnlich kontraproduktiv wie ein entsprechender Umgang mit den Mitarbeitern im Betrieb oder in Wissenschaftsteams. Talentierte Spieler in allen Bereichen wollen nicht nur kooperativ behandelt werden, sie wollen gewisse Freiheiten, die man auch Extravaganzen nennen kann. Trainer und Geschäftsführer, die mit diesem Typus nicht umgehen können, bekommen Probleme, ganz gleich in welchem Arbeitsbereich.“

*) Klaus Theweleit: „Tor zur Welt“, Kiepenheuer und Witsch, 2004