FCA: Hoppla, wir steigen ab
Wie sich der FCA selbst in die zweite Liga schießt
Kommentar von Siegfried Zagler
Der Präsident meistens nicht da, der Trainer auf dem Sprung. Wichtige Spieler verletzt, außer Form oder schwer verunsichert. Die Neuzugänge nur bedingt bundesligatauglich. Der FC Augsburg gilt seit Samstag neben Hannover als Top-Abstiegskandidat. Schwerer als der aktuelle Zustand der Mannschaft wiegen allerdings die Strukturprobleme: Die Form der Mannschaft kann sich zum Positiven hin verändern, die Struktur nicht: Mit Markus Weinzierl sitzt in Augsburg ein Trainer auf der Bank, der Spieler wie Esswein, Max, Hong und Klavan offenbar nicht mehr erreicht und somit eher schwächer als stärker macht. Im Abstiegskampf wären in der Innenverteidigung starke Typen angesagt, doch in Mainz spürte man Klavans Unsicherheit bis unters Tribünendach und Hong wirkte verträumt und mit sich selbst beschäftigt, sodass man bei ihm zwischendurch das Gefühl hatte, dass man ihn daran erinnern müsse, wo er sich gerade befindet.
Mit Daniel Baier spielt auf der zentralen Sechs ein gesetzter Schlüsselspieler, der längst nicht mehr in der Lage ist, die Mannschaft zu führen, wie das in der vergangenen Saison noch der Fall war. Kohr ist mit dem Ball nicht versiert und kreativ genug, um dieses „Baier-Defizit“ ausgleichen zu können. Halil Altintop und Tobias Werner sind offenbar nicht mehr fit und schnell genug, um Alternativen darzustellen. Deshalb befindet sich der FCA in einer stets wiederkehrenden Situation, die man als „Koo-Dilemma“ beschreiben kann: Der technisch versierte Koreaner findet keine Mitspieler mehr, die auf seinem Niveau das Spiel nach vorne mitgestalten könnten. Dem FCA fehlt im Spiel nach vorne die Qualität jener Spieler, die den Ball behaupten können oder mit ihm hohes Tempo aufnehmen können, um in die freien Räume zu gehen. Koo muss alles alleine machen: den Ball erobern, ihn behaupten, das Spiel eröffnen, genaue Bälle spielen und Tore schießen. Dass er öfters überfordert wirkt, darf man ihm also nicht übelnehmen.
Es ist also beschrieben, dass die FCA-Abwehr keine gute Abwehr mehr ist und aus der Mitte heraus zu wenig Konstruktives nach vorne geschieht. Diese Defizite treten von Spiel zu Spiel in unterschiedlicher Stärke auf, waren aber bereits in der Rückrunde der Vorsaison erkenntlich, weshalb man von einem klassischen Strukturproblem sprechen muss, das von Weinzierl und Reuter nicht ernsthaft behandelt wurde, was man an den Wintereinkäufen ablesen kann.
Ein ebenfalls herausragender Punkt im Strukturatlas eines Top-Abstiegsaspiranten ist der Sachverhalt, dass ein Trainer nicht erkennt, welche Fehler er selbst produziert. Auch in Mainz ließ Weinzierl mit Finnbogason einen klassischen Zentrumsstürmer spielen, obwohl mit Caiuby, Bobadilla und Koo drei torgefährliche Spieler aufgestellt waren. Caibuy und Bobadilla sind nicht so gestrickt, dass sie einen Mittelstürmer suchen und in Szene setzen möchten. Und so kam es, dass Finnbogason in Mainz entweder in der Luft hing oder im Weg war.
Eine Mannschaft im Abstiegskampf offensiv aufstellen, darf man noch als „mutig“ bezeichnen, eine Mannschaft ineffektiv offensiv aufstellen ist dagegen nicht viel mehr als ein schwerer Denkfehler. Der Fisch stinkt vom Kopf her, sagt der Volksmund, doch beim FCA scheint selbst das Umfeld dem drohenden Abstieg mit einem lässigen Achselzucken zu begegnen.
Das beginnt bei den Fans, die keine Mühe und Kosten scheuen, ihren Verein in Liverpool vorbildlich zu unterstützen, aber Wege nach Hoffenheim, Darmstadt oder Mainz eher meiden, obwohl es dort im Gegensatz zum Liverpool-Event um das nackte Überleben ging. Das hört bei den Medien auf, die nicht genau analysieren, sondern den FCA aus der freundlichen Perspektive eines FCA-Schorschi bewerten: „Hoppla, wir steigen ab, was solls, dann steigen wir eben wieder auf“, so könnte man die Stimmung in Augsburg derzeit beschreiben. Das mag eine gelassene Haltung sein, eine professionelle Haltung sieht anders aus. Die Abstiegsvermeidung aus der Bundesliga ist einfacher zu organisieren als die Organisation des Aufstiegs aus der zweiten Liga in die Bundesliga. Sollte das Ziel sofortiger Wiederaufstieg aber tatsächlich gelingen, würde der FCA als Aufsteiger mit deutlich weniger Mitteln in die Bundesliga starten und müsste wieder von vorne anfangen, und wäre somit wieder von Beginn an ein Abstiegskandidat.
In Gladbach, Stuttgart und Hoffenheim haben die Trainerwechsel Wunder bewirkt, auch Frankfurt wirkt nach der Entlassung von Armin Veh gefestigter. Hannover hat sich vermutlich zu spät von Schaaf getrennt. Bei Frankfurt, Darmstadt und Bremen zeigt die Formkurve nach oben. Beim FCA zeigt alles nach unten. Der Trainer trägt dafür die Hauptlast der Verantwortung. Nicht reden, sondern handeln heißt nun das Gebot der Stunde.
Das Restprogramm der Abstiegskandidaten:
13. Platz: SV Darmstadt 98 (29 Punkte), spielt noch gegen: Hamburg (A), Ingolstadt (H), Köln (A), Frankfurt (H), Hertha (A), Gladbach (H).
14. Platz: TSG Hoffenheim (28 Punkte), spielt noch gegen: Frankfurt (A), Hertha (H), Gladbach (A), Ingolstadt (H), Hannover (A), Schalke (H).
15. Platz: Werder Bremen (28 Punkte), spielt noch gegen: Augsburg (H), Wolfsburg (H), Hamburg (A), Stuttgart (H), Köln (A), Frankfurt (H).
16. Platz: FC Augsburg (27 Punkte), spielt noch gegen: Bremen (A), Stuttgart (H), Wolfsburg (A), Köln (H), Schalke (A), Hamburg (H).
17. Platz: Eintracht Frankfurt (27 Punkte), spielt noch gegen: Hoffenheim (H), Leverkusen (A), Mainz (H), Darmstadt (A), Dortmund (H), Bremen (A).
18. Platz: Hannover 96 (17 Punkte), spielt noch gegen: Hertha (A), Gladbach (H), Ingolstadt (A), Schalke (H), Hoffenheim (H), Bayern (A).