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Dienstag, 23.07.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

FCA auf der Suche nach einer Mitte

Wie ist der FC Augsburg einzuschätzen? Wo steht er, wohin will er? In Augsburg scheint das noch niemand zu wissen!

Kommentar von Siegfried Zagler

Die Saat, die Walther Seinsch nach Augsburg getragen hat, ist aufgegangen. Dabei ist nicht nur das Geld gemeint, sondern auch die Machtfülle, die sich der schrullige Millionär beim FCA herausgeschnitten hat. Walther Seinsch gehört zu den großen Gestaltern der Augsburger Fußballgeschichte. Dieser Platz in der lokalen Historie ist ihm für immer sicher. Er hat aus dem Trümmerfeld FCA ein solides Haus gebaut und sich im Tretminenfeld der Augsburger Lokalpolitik ziemlich clever behauptet. Seinsch ist Geschichte. Seit seinem Rücktritt befindet sich der FC Augsburg wieder auf der Suche nach einer eigenen Identität.

Im Jahr eins nach Seinsch konnten und können Hofmann, Reuter und Weinzierl die Zukunft planen, wie das bisher noch nie der Fall war. Dumm ist nur, dass die Mannschaft zuletzt nicht mitzog und auch gestern versagte, als sie sich mit einem Sieg gegen Hannover fast schon die Teilnahme an der Gruppenphase zur Europa League hätte sichern können. Allein 1,35 Millionen  Euro Startgeld schüttet die UEFA dafür aus. Im laufenden Wettbewerb der Gruppenphase 200.000 Euro pro Sieg und 100.000 Euro pro Punkt. Mit ein bisschen Glück bei der Gruppenauslosung hätte man mit den Zuschauereinnahmen zwischen drei und vier Millionen Euro Zusatzeinnahmen für die Saison kalkulieren können. Diese Einnahmen hat der FCA möglicherweise in den zurückliegenden Partien gegen Berlin, Paderborn, Hamburg, Köln und gegen Hannover leichtfertig verspielt. Dass der FCA überhaupt mit 46 Punkten noch im Rennen ist, hat er mehr der Dusseligkeit der Konkurrenz als der Leistungsstärke der aktuellen Mannschaft zu verdanken.

Würden Hannover und der HSV absteigen, käme der FCA wohl auf 2 Millionen Euro zusätzliche Fernseheinnahmen. Kurzum: Das Schneckenrennen um die EL-Teilnahme hätte auch für den FCA existenziellen Charakter, wenn man die Situation nach bestimmten Kriterien beurteilen würde: Nach außen bescheiden, intern mit aller Macht nach dem Machbaren streben. Ein Spieler wie Tobias Werner verkörpert diese Haltung. Er hatte den Augsburger Fans einen grandiosen Saisonabschluss versprochen. Dass daraus nichts wurde, hatte nicht nur mit der schwachen Leistung von Schiedsrichter Felix Zwayer zu tun. Die Mannschaft zeigt sich wiederholt völlig neben der Spur: nach hinten anfällig, nach vorne hilflos.

Die Verantwortlichen beim FCA stehen vor einer schweren Aufgabenkritik: Die Leistungsträger Baier, Verhaegh, Feulner und Altintop sind Spieler, die 30er Grenze überschritten haben. Werner steht auf der Schwelle. Zurzeit zeigt Altintop, wie schwer sich ältere Spieler tun, nach einer Verletzung wieder in die alte Leistungsspur zurückzufinden. Die Neuzugänge Matavc, Djurdjic, Parker und Ji sind noch nicht auf dem Niveau oder schon wieder darunter, um dem FCA in der Bundesliga dauerhaft helfen zu können. Das Gleiche gilt für Sascha Mölders.

Der FCA steht vor einem Umbruch und somit vor seiner schwierigsten Planungsphase, seit er dem Oberhaus angehört. Spieler, deren Potential noch weiter entwickelt werden könnte (Höjbjerg und Kohr), sind nur ausgeliehen. Hinter Baba steht ein großes Fragezeichen: In der Rückrunde zeigte er sich indisponiert und war eher eine Belastung denn Verstärkung. Von der U23 bietet sich derzeit niemand an. Bisher musste das FCA-Management stets mit dem Ziel Abstiegsvermeidung die jeweilige Mannschaft verstärken. Das ist heuer nicht anders. Gegen Mannschaften wie Liverpool oder Neapel in der Europa League zu spielen und sich gleichzeitig gegen den Abstieg zu verwahren, wäre eine Spannungsschleife, die den FCA weiterbringen könnte.

Der Druck fände dann auf einem höheren Niveau statt. Es wäre zu wünschen, dass die FCA-Führung dazu in der Lage ist, Spieler zu finden und zu entwickeln, die mehr wollen, als jedes Jahr gegen den Abstieg zu spielen.