FCA: Ach Europa
Am morgigen Sonntag duellieren sich in der Fußbundesliga in der Mercedes-Benz-Arena zu Stuttgart (15.30 Uhr) mit dem VfB Stuttgart und dem FC Augsburg zwei Mannschaften, die wenig Gemeinsamkeiten vorzuweisen haben.
Von Siegfried Zagler
Die einen sind erfolgreich und seit sieben Spielen unbesiegt (vier Siege, drei Remis). Dabei blieben sie auswärts vier Mal in Folge ohne Niederlage (0:0 bei der Hertha, 1:0 beim HSV, 1:1 in Frankfurt und 2:2 in Dortmund). Ihre Heimsiege fuhren sie überlegen mit solider Dominanz ein. Aktuell befinden sie sich auf Platz neun in der stärksten Liga Europas. Sie haben noch alles in der Hand. Noch steht ihnen die Möglichkeit offen, sich für die Europa League zu qualifizieren. Sie befinden sich 12 Punkte von einem Abstiegsplatz entfernt und der Abstand nach Europa beträgt zwei Punkte.
Die anderen kommen bereits die ganze Saison nicht richtig in Tritt und befinden sich aus ihrer Sicht in einer schweren Krise; schließlich verloren sie von den zurückliegenden sieben Spielen sechs (!). Ein Aufwärtstrend ist nicht erkennbar, zuletzt hagelte es vier Niederlagen in Folge. Allerdings spielten die anderen dabei nicht unbedingt schlecht, denn drei der letzten vier Gegner waren Hochkaräter (Bayer, Bayern, Wolfsburg), was allerdings nichts daran ändert, dass ihnen das Abstiegsgespenst am Hosenbein knabbert. Von einem möglichen Sturz in die Zweite Liga sind sie zwei Punkte entfernt, von einem direkten Abstiegsplatz drei Punkte.
Die Tabelle schummelt nicht
Die einen sind die Augsburger, die anderen die Stuttgarter. Nein, es handelt sich um keinen Scherz oder um eine dumme Verwechslung. Sportberichterstatter sprechen bei außergewöhnlichen Konstellationen wie in diesem Fall von „umgekehrten Vorzeichen“. Der Augsburger Trainer Markus Weinzierl sagte auf der „Vor-dem-Spiel-Pressekonferenz“, dass die Tabelle zwar nicht lüge, aber manchmal am Schummeln sei. Diejenigen aber, die von richtigen Einschätzungen im hohen Maß profitieren, nämlich die Wettbüros, sehen ein Fußballspiel weder historisch noch romantisch. Für sie schummelt die Tabelle nicht und für sie ist Name nichts als Schall und Rauch. Für die Buchmacher zählt nur die Wirklichkeit auf dem Platz. Und deshalb ist für sie der FC Augsburg in Stuttgart Favorit.
Rechts haben die Augsburger ein Übergewicht
Setzt man also auf einen FCA-Sieg in Stuttgart springt dabei weniger heraus, als bei einem Wetteinsatz für einen Stuttgarter Sieg. Für die Buchmacher sind auch Serien von untergeordneter Relevanz. Der FCA ist Favorit, aber das Spiel ist völlig offen. Und zwar deshalb, weil beide Mannschaften, solange die Stuttgarter Vedad Ibisevic und Mohammed Abdellaou ein Schatten ihrer selbst sind, personell auf gleichem Niveau agieren. Hat jedoch einer von den beiden Stuttgartern Topstürmern einen guten Tag, ist der VfB schwer zu nehmen. Links müssen Tobias Werner und Ostrzolek Harnik in den Griff bekommen. Rechts haben die Augsburger mit der Kampfmaschine Hahn und dem feinen Technik-Verteidiger Verhaegh vorne wie hinten alles im Griff und somit ein leichtes Übergewicht. In der Mitte agieren die Augsburger in der Abwehr wie im Mittelfeld seit Monaten wie eine Topmannschaft. Im Strafraumspiel liegt bei den Augsburgern der Hund begraben. Doch auch hier könnte sich beim FCA einiges zum Besseren entwickelt, schließlich hat man mit Milik, Bobadilla und Ji nun auch Strafraumspieler im Kader, die ein Spiel lesen können, in die Schnittstellen der Abwehr gehen und Torgefährlichkeit ausstrahlen. Noch lässt die Abstimmung mit den neuen Strafraumspielern zu wünschen übrig.
Augsburg ist in einer Position, wo das Träumen erlaubt ist
Beim FCA ist Jan Moravek wieder einsatzbereit. Torhüter Hitz wird verletzungsbedingt wieder von Manninger ersetzt. Beim VfB fehlt Kapitän Christian Gentner, der an einem Muskelfaserriss im Oberschenkel laboriert.
„Ach Europa“, so distanziert und zugleich verträumt wie einst Hans Magnus Enzensberger in seinen Reiseberichten (1987) mit der Option EU umging, darf der FCA möglicherweise bald nicht mehr mit der Option „Europa League“ umgehen. Falls man bei den Schwaben im Ländle gewinnen sollte, muss man sich am folgenden Wochenende die Nürnberger zur Brust nehmen, um dann den Aufbruch zu neuen Ufern zu träumen. Der FC Augsburg steht in der Tabelle genau dort, wo er hingehört. Er ist in einer Position, wo das Träumen erlaubt ist.