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Samstag, 20.04.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Es waren mehr Menschen auf dem Mond als erfolgreiche Trainer auf Schalke

Warum es wohltuend ist, dass Weinzierl den FCA verlässt und man davon ausgehen sollte, dass er auf Schalke scheitern wird

Kommentar von Siegfried Zagler

Nun steht es also fest: Markus Weinzierl verlässt nach vier erfolgreichen Bundesligaspielzeiten den FC Augsburg, um Cheftrainer auf Schalke zu werden. Es besteht nicht der geringste Zweifel daran, dass dieser Sprung nach Westen für Markus Weinzierl der richtige Schritt ist, selbst wenn er relativ zügig seinen Job im Revier verlieren würde und verzögert oder unmittelbar danach in der Versenkung verschwinden würde, wie vor ihm Mirko Slomka, Felix Magath, Huub Stevens, Jens Keller, Roberto Di Matteo oder Andre Breitenreiter. Selbst wenn Weinzierl auf Schalke nach einem Jahr vom Hof gejagt werden sollte, hätte er in diesem Jahr dort für seine Altersversorgung drei Mal mehr getan als nach Vertragserfüllung beim FCA bis 2019.  Und schließlich sollte man nicht gänzlich ausschließen, dass Weinzierl auf Schalke erfolgreich sein könnte. Möglich wäre es immerhin. Dann würde er sich via Urknall der Gilde der Welttrainer nähern und könnte nach vielen Meisterschaften und Champions League-Siegen lustige Anekdoten über seine Augsburger Zeit erzählen. Wie gesagt: Möglich wäre es immerhin. Wir sprechen nämlich über Fußball, wo bekanntermaßen alles möglich ist. Nur sollte man nicht unerwähnt lassen, dass seit 1969 wesentlich mehr Menschen auf dem Mond waren, als erfolgreiche Trainer auf Schalke.

Hätte Weinzierl einen Schuss Humor, der es zuließe, über seine eigene Naivität zu witzeln, dann wäre bis zu seinem ersten Arbeitstag auf Schalke dazu reichlich Gelegenheit: „Die sportliche Entwicklung des FCA in den letzten zweieinhalb Jahren ist großartig. Sie ist das Resultat einer erfolgreichen Teamarbeit aller handelnden Personen und der Mannschaft. Diese Arbeit wollen wir gemeinsam erfolgreich fortsetzen. Es macht unheimlich viel Spaß, Trainer des FC Augsburg zu sein.“ So Markus Weinzierl Anfang April im vergangenen Jahr, als er seine von Fans und Vereinsführung gleichermaßen gefeierte Vertragsverlängerung kommentierte. Ein gutes Jahr später, nachdem ihm das Schalker Angebot den „unheimlichen Spaß“ am Traineramt in Augsburg genommen zu haben schien, hört sich seine Reflexion auf sich selbst und den FCA „ein wenig“ anders an: „Wir haben für Augsburg alles erreicht, was wir zusammen erreichen konnten. Jetzt müsste ein Trainer mit neuen Ideen und neuen Visionen übernehmen.”

Wer sich selbst und die Fans dergestalt veräppelt, ist auf dem Pulverfass Schalke gut aufgehoben. In der vergangenen Saison ist der FCA verdient nicht abgestiegen, weil drei Mannschaften schlechter waren als die Augsburger, die wiederum aber nur einen kleinen Tick besser waren als eben jene Mannschaften, die sie gerade noch hinter sich ließen. In Augsburg wird das gefeiert. Werder Bremen dagegen, mit weniger Etat als der FCA ausgestattet und mit 38 Punkten punktgleich mit dem FCA im letzten Moment dem Abstieg entronnen, ging in die Analyse und stellte sein Management neu auf.

In Augsburg wurden in den vergangenen Jahren nur Stürmer verpflichtet, die wenig bis nichts brachten: Mölders, Bance, Milik, Matavc, Djurdjic, Ji und Parker. Diese unglückliche Serie will der FCA ausgerechnet mit Alfred Finnbogason beenden. Der hüftsteife Isländer bekam einen Vertrag bis 2020. Zu verantworten haben diese Fehlschlagkette inklusive den prognostizierbaren Fehlschlag das Duo Reuter/Weinzierl.

Auf der linken Abwehrseite ist man mit Max und Stafylidis zu schwach bestückt. Kohr ist als Sechser nach vorne zu schwach. Die ehemaligen Leistungsträger und Führungsspieler (Baier, Verhaegh, Werner, Altintop, Feulner, Callsen-Bracker) sind in die Jahre gekommen und aus der U23 kam in all den Weinzierl-Jahren nichts nach. Selbst das Paradeteil der Augsburger, die Innenverteidigung, schwächelte zuletzt. Auch deshalb, weil sie wenig Anspielstationen im Spielaufbau fand und sofort überfordert war, wenn sie schnell angelaufen wurde. Zu schnelle, einfache Ballverluste im Mittelfeld, eine zu große Fehlpassquote und kein Umschaltspiel bei Balleroberung sowie unpräzises Spiel nach vorne sorgten für grottenschlechte Spiele in dieser Saison. Die Außenverteidiger des FCA waren nach vorne zu unentschlossen, zu langsam und hielten zu selten die Außenpositionen, da sie zu oft Löcher in der Mitte verteidigen mussten, die entstanden, weil weder Mittelfeld noch Sturm in der Rückwärtsbewegung diszipliniert und entschlossen verteidigten. Kurzum: Die Probleme, die der FCA zu bewältigen hatte, waren in taktischer Hinsicht Probleme in der Abstimmung zwischen den Mannschaftsteilen. Das wiederum ist Trainersache. Alexander Esswein wirkte während der gesamten Weinzierl-Ära wie ein Spieler, der ohne Bindung zur Mannschaft in einem Tunnel spielt. Europa League hin oder her: Mit dem FCA ging es in der Liga dieses Jahr deutlich bergab, und das hatte durchaus mit dem FCA-Trainer zu tun, dessen Aufstellungen und Einwechslungen nicht immer nachvollziehbar waren. Ganze 15 Punkte erzielte der FCA zu Hause. Nur Hannover und Darmstadt stehen in dieser Tabelle hinter dem FCA, der in der Auswärtstabelle mit 23 Punkten auf Platz fünf gelandet wären, gäbe es diese Tabellen. Damit lässt sich aber immerhin erkennen, dass der FCA in der Destruktion am stärksten war und im Aufbau zu den drei schwächsten Mannschaften zählte.

Nun kommt mit Dirk Schuster ein Mann, dessen Mannschaft (Darmstadt) mit den gleichen Problemen zu kämpfen hatte. Schusters Lilien belegen in der Auswärtstabelle mit 26 Punkten sogar Platz vier und wären, würden nur die Heimspiele zählen, mit 12 Punkten sang- und klangslos abgestiegen. Der FCA scheint auch in der kommenden Saison auf Abstiegskampf fixiert zu sein. Mit Schuster kommt jedenfalls ein Trainer-Shooting-Star nach Augsburg, einer, der für seine Qualitäten in der Mannschaftsführung bekannt ist. Und ein Trainer, der, soviel steht beinahe jetzt schon fest, das Humor- und Analyseniveau beim FCA deutlich erhöhen wird.