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Dienstag, 19.03.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Kommentar

Löw ist nicht mehr zu ertragen

Anmerkungen zum Bundestrainer

Kommentar von Siegfried Zagler

Sang- und klanglos schied die deutsche Nationalmannschaft bei der WM 2018 nach dem letzten Gruppenspiel gegen Südkorea aus – als Gruppenletzter. Das hatte zwar eine historische Negativ-Dimension, war aber leicht zu verschmerzen. Nur in den ersten 10 Minuten des Schweden-Spiels blitzte das ganze Vermögen einer der besten Mannschaften des Turniers auf. Eine Mannschaft, die alles hatte, was den Fußballsport anziehend macht und nichts davon zeigte.

Wenn eine hochbegabte und hochgehandelte Mannschaft drei Mal in Folge dergestalt blutleer und strukturlos auftritt, wie in den  Gruppenspielen der Russland-WM, dann ist ihr Ausscheiden eine Erlösung, ja beinahe ein Genuss. Ein Desaster, das unmissverständlich deutlich ein Trainerproblem freilegte.

Es mag zutreffen, dass die goldene Generation um Manuel Neuer, Jerome Boateng, Mats Hummels, Sami Khedira und Mesut Özil, die 2009 die U21-Europameisterschaft gewann – und zu der noch Thomas Müller und Toni Kroos hinzustießen, als Gerüst der Nationalmannschaft nicht mehr taugt. Und es mag zutreffen, dass die Abgänge von Sebastian Schweinsteiger und Philipp Lahm schwerer wiegen als angenommen. Doch das Problem des DFB-Flaggschiffs ist nicht der Mangel an erstklassigen Spielern, sondern die schwache sportliche Führung. Seit Beginn der Ära Löw wird das zu den besten philharmonischen Orchestern der Welt zählende DfB-Orchester von einem Bierzelt-Dirigat geleitet. Übersetzt in die Fußballwelt soll dieser Vergleich unterstreichen, dass immer dann, wenn die deutsche Nationalmannschaft einen guten Trainer gebraucht hätte, eben keiner da war.

Bei der WM 2018 fiel das besonders auf. Bereits beim ersten Spiel gegen Mexiko war leicht zu erkennen, dass das Ergebnis nicht durch einen unglücklichen Spielverlauf oder wegen mangelnder sportlicher Qualität zustande kam, sondern durch die Summe von verhängnisvollen Trainerfehlern, die mit der Kaderzusammenstellung begannen, bei den Mannschaftsaufstellungen weitergingen und bei den taktischen Ausrichtungen und Matchplänen aufhören. Und Löw hat zusammen mit Bierhoff und der DfB-Spitze die Tiefe des von Ilkay Gündogan und Mesut Özil verursachten Erdogan-Skandals verkannt und mit dem nicht sanktionierten politischen Handeln der beiden die Mannschaft belastet. Löw hat mit seinem Gerede („die Mexikaner pressen teilweise mit acht Mann“) vor dem Auftaktspiel den Mexikanern die Marschroute quasi vorgeschlagen und es schließlich eine Halbzeit nicht bemerkt, dass sie nicht pressten, sondern tief standen und Kross mit Manndeckung aus dem Spiel nahmen.

Weder gegen die  Schweden noch gegen die nicht weniger limitierten Südkoreaner gab es einen funktionierenden Matchplan. In keinem Spiel war durchgängig eine taktische Ausrichtung, ein Spielsystem zu erkennen, in jedem Spiel fehlte Disziplin und Leidenschaft. Ein Achtelfinale mit deutscher Beteiligung wäre ein Sieg der Peinlichkeit gewesen. Jogi Löw war mit der Performance „seiner Mannschaft“, die sich auf beschämende Art und Weise nicht als „unsere Mannschaft“ präsentierte, in Russland an seiner Selbstgefälligkeit gescheitert. Eine Löw-Eigenschaft, die sich seit Beginn seiner Amtszeit mit biederem Fußballverständnis paart und somit die deutsche Nationalmannschaft in ein skurilles Licht rückt.

Nichts Neues übrigens: Derwall, Beckenbauer, Vogts, Ribbeck, Völler, Klinsmann waren Löws Vorgänger und ebenfalls Bundestrainer mit nicht vorhandenen Eignungsprofilen. Doch keiner von ihnen hat eine WM dergestalt peinlich vergeigt wie Löw. Das Ausscheiden bei der WM in Russland kann man nicht ungeschehen machen. Es wäre klug gewesen, hätte Löw anschließend seinen Abgang selbst gestaltet. Doch im Zusammenspiel mit dem damaligen Skandalpräsidenten Grindel, Sportdirektor Bierhoff und der deutschen Fußballpresse erfand Joachim Löw eine Job-Erhaltungslegende, nämlich die Legende von einem nötigen Umbruch, der nun von ihm selbst gestaltet werden müsse. Schließlich wurde Löws Vertrag von Grindel vor der WM noch flugs verlängert – bis 2022.

Bei einer Nationalmannschaft muss ein Trainerstab einen Umbruch nur dann gestalten, wenn eine größere Zahl von jüngeren Spielern mit gleichem Leistungsvermögen langfristig nicht zum Zuge kommt, weil die älteren und verdienten Spieler die Plätze blockieren. Da dieses Szenario unwahrscheinlich ist, gilt der Satz, dass in einer Nationalmannschaft jeweils die besten Spieler eines Landes spielen. Darauf verzichtet Löw, indem er wegen der „Umbruchlegende“ drei Spieler kategorisch aussortierte, die lange Jahre das Gerüst der Mannschaft bildeten und sich im besten Fußballalter befinden.

Diese irrwitzige Maßnahme hatte überraschenderweise die Autorität des in der Kritik stehenden Bundestrainer gestärkt und (weniger überraschend) die deutsche Nationalmannschaft geschwächt, wie man in den beiden letzten Spielen zur Euro-Qualifikation unschwer erkennen konnte. Und nun? Wie reagierte Löw auf das teilweise hilflose Gekicke? Man müsse bitte Geduld aufbringen, die Mannschaft sei noch jung. Inzwischen reichts sogar den Kollegen von der Augsburger Allgemeinen, die Löws notwendigen Rücktritt mit der Kaderzusammenstellung für die WM 18 begründeten. Und langsam sollte auch das Publikum reagieren – und möglicherweise sogar der DFB: Joachim Löw ist nicht mehr zu ertragen.