Es steht nicht die Abschaffung des Theaters zur Disposition, sondern eine Planung
Warum ein Ratsbegehren oder ein Bürgerentscheid zur Theatersanierung dem Projekt in passende Schuhe helfen würde
Von Siegfried Zagler
Zwischen Stadt und Sanierungskritikern ist eine tiefe Kluft entstanden. Tief – aber nicht breit, womit gesagt sein soll, dass eine Handreichung zwar noch möglich – aber eher unwahrscheinlich ist. Dass bauliche Großprojekte der öffentlichen Hand zu intensiven wie nachhaltigen Widerständen der Bevölkerung führen können, die die politische Landschaft radikal verändern, zeigte die Königsplatzplanung des Regenbogens. Nach dem Bürgerentscheid zu diesem Projekt reagierte der Wähler und wählte Kurt Gribl ins Amt des Oberbürgermeisters.
Dass die Bürger der Stadt Augsburg, falls es zum Bürgerentscheid in Sachen Theatersanierung kommen sollte, nicht über das Stadttheater als Institution, sondern „nur“ über eine Planung samt deren Finanzierung abstimmen werden, steht außer Frage. Abgestimmt wird aber vermutlich auch, sollte der Entscheid tatsächlich kommen, über die Gestaltungskompetenz einer Stadtregierung, die ohne erkennbare Konzepte vor sich hin werkelt.
II Der fehlende Diskurs
Dass es zu diesem Konflikt kommen konnte, liegt in der Natur der Sache. Ein Bürgerbegehren in dieser Angelegenheit ist nämlich nicht nur legitim, sondern eine Notwendigkeit im Sinne einer angewandten pluralistischen Dialektik, da Bürgerbegehren im Grunde immer etwas einfordern, das bei städtischen Planungsprojekten zum Standard moderner Stadtentwicklungsprozessen gehören sollte, nämlich eine administrative und materielle Schaffung sozialer Aushandlungsfelder. Damit sind organisierte kommunikative Prozesse gemeint, die von Akteursallianzen geführt werden sollten, deren Problemwahrnehmungen zu einer Matrix führen sollte, die eine differenzierte politischen Entscheidungsfindung ermöglicht. Also eine Planung ermöglicht, die sich an den Konsensbildungsprozessen der Diskursakteure orientiert und somit zu einer Zielfestlegung führt, die sich von der Entwurfsplanung bis zur Planungsumsetzung deutlich absetzt von den üblichen kommunikativen Privilegierungen, die die Handlungsakteurin „Stadt“ vornimmt, wenn sie die Zeit für ein Bauprojekt gekommen sieht.
III Reden, planen, bauen
Das klingt so theoretisch, weil es nicht direkt auf dem Mist des Schreibers dieser Zeilen gewachsen ist, sondern als Unterpunkt auf der Agenda der Bundesrepublik Deutschland zu finden ist. Dass sich öffentliche Kultureinrichtungen für gesellschaftliche Transformationsprozesse fit machen müssen, ist also keine Multikulti-Schrulle, sondern eine kulturelle Zielsetzung Berlins. Reden, planen, bauen lautet die Reihenfolge dieser Transformationsprozesse, die den Kommunalverwaltungen so schwer fallen, weil sie aus Inkompetenz an bestehenden Strukturen festhalten, als wären diese gesetzlich vorgeschrieben. Besonders dramatisch wird in dieser Hinsicht ein Diskursdefizit in Augsburg erkennbar, weil selbst im Stadtrat nur noch reduzierte Debatten stattfinden, da die ehemalige Opposition im unsichtbaren und lautlosen Raum der Verwaltung verschwunden ist.
IV Brechtbühne als Paradebeispiel städtischer Fehlplanung
Dass die oben beschriebene Verfahrensweise von unabhängigen Experten organisiert werden sollte, belegt zum Beispiel die Geschichte der Brechtbühne. Bei diesem 6 Millionen-Projekt führten konkurrierende Planungsvorlagen mit konkurrierenden Standorten nicht zu einem differenzierten Entscheidungsprozess, da sich der mächtige und privilegierte „Allianzsakteur Theaterleitung“ zusammen mit der Stadt auf ein Projekt festlegte, das für seinen Zweck zu teuer wurde und bei der jetzigen Planung im Weg steht und weitere Kosten verursacht. Die Brechtbühne ist vom Beginn der Diskussion um einen temporären „Theatercontainer“, von der Planung hin zur verpatzten Ausschreibung bis zu ihrer Erhöhung zum „Schauspielhaus“ und schließlich bis zu ihrem möglichen Abriss nach wenigen Jahren Betriebszeit ein Paradebeispiel einer städtischen Fehlplanung, die der aktuellen Stadtregierung offenbar nicht Mahnung genug ist.
V Die Beschreibung der politischen Situation
Die politische Situation in Sachen Augsburger Theatersanierung ist also damit erklärt, dass die Verwaltung der Stadt und eine sich formierende Bürgerinitiative unterschiedliche Auffassungen von der Prozesshaftigkeit der 200 Millionen-Baustelle „Theatersanierung“ haben. Falls es also aufgrund dieser politischen Differenz zu einem Bürgerentscheid kommen sollte, würde sich dieser um die Finanzierung eines Projektes drehen, das (so nicht bestellt) wie vom Himmel gefallen scheint.
VI Augsburg hat ein starkes Theater dringend nötig
Es steht also in Augsburg nicht die Abschaffung des Theaters zur Disposition, sondern eine Planung. – Für die Sänger, Schauspieler, Dramaturgen, Beleuchter, Handwerker und viele andere, die am Theater beschäftigt sind, muss deshalb an dieser Stelle festgehalten werden, dass im reichen Süden zwischen München und Ulm kein Dreisparten-Theater geschlossen wird. Die politische Kultur des Freistaates ließe das nicht zu. Das gilt besonders für Augsburg, das ein starkes und auch in der Breite legitimiertes Stadttheater nötiger hat als jede andere bundesdeutsche Stadt in dieser Größenordnung. Wer nun meint, dass die Sanierungskritiker eine Schließung des Theaters in Kauf nehmen würden oder gar beabsichtigen, weil sie die Finanzierung einer Theatersanierung zur Abstimmung stellen, würde Kurt Gribl in seiner Dramatisierungsrhetorik folgen, die immer dann zutage tritt, wenn er sich als politischer Akteur auf die Umsetzung einer Idee/Planung festgelegt hat, die er dann als Oberbürgermeister verinnerlicht und verkauft, wie zum Beispiel die Fusion, ohne deren Realisierung in Augsburg der bezahlbare ÖPNV zusammenbrechen würde, was von Kurt Gribl in der Wahlkampfphase zum Bürgerentscheid Fusion öfters kolportiert wurde. Mit dieser Form der Polarisierung werden Bürgerinitiativen zu Maximalstörern diffamiert. Diese Form der politischen Agitation hat OB Gribl nicht nur viele Sympathiepunkte gekostet, sondern auch in hohem Maß dazu beigetragen, dass die geplante Fusion den Lech hinunter floss.
VII Der städtische Bürgerbeteiligungsprozess
Die Sanierungsskeptiker richten ihre Kritik auf den teuersten Aspekt der Sanierung, auf die Sanierung des Großen Hauses. Das gehe günstiger und besser. Und sie richten ihre Kritik auf die Finanzierungsabsichten der Stadtregierung, die dieses Projekt komplett mit Schuldenmachen zu stemmen vorhat. Diese Kritikpunkte haben nichts mit dem aktuellen Bürgerbeteiligungsprozess der Stadt zu tun. Weder das Große Haus noch die Gesamtfinanzierung sind Gegenstand dieses Prozesses, weshalb die Sanierungskritiker diesen Prozess nicht abwarten müssen.
VIII Wie lautet Plan B?
Die finanzielle Situation der Stadt ist dramatisch, wie die Regierung von Schwaben feststellte und lakonisch empfahl, dass die Stadt nur das Geld ausgeben solle, das sie auch hat, sonst sei ein ausgeglichener Haushalt in der Zukunft gefährdet. Augsburg ist die einzige Kommune von zirka 2.500 Kommunen und und Gemeinden in Bayern, die in Zeiten guter Ertragslagen im reichen Bayern Schulden machen muss und Steuern erhöht. Die Sanierung des Theaters würde nach der jetzigen Planung einen städtischen Eigenanteil von zirka 90 Millionen Euro bedeuten. Es ist schwer vorstellbar, dass die Regierung von Schwaben den von Eva Weber vorgestellten Finanzierungsplan der finanziellen Situation der Stadt als angemessen bewertet.
Der Stadt muss man respektvoll attestieren, dass sie den Dialog mit den Sanierungskritikern gesucht hat und sich mit ihnen darauf verständigt hat, bis zum Ende des aktuellen Bürgerbeteiligungsprozesses keine weiteren Planungsschritte zu unternehmen. Außerdem muss man der Stadt zugestehen, dass sie einen Plan hat, zwar einen schlechten, aber immerhin einen Plan. Was aber, wenn die Sanierungskritiker ihren Bürgerentscheid bekommen und gewinnen? Kurt Gribl und Thomas Weitzel haben sich offenbar dafür entschieden, die Bürger mit der Konsequenz der Komplettschließung einzuseifen. Was die Sanierungskritiker diesem Untergangsszenario entgegensetzen wollen, ist bisher offen geblieben.
Wenn aber die Bürgerschaft über die geplante Theatersanierung abstimmen soll, dann müssten diejenigen, die diese Abstimmung durchsetzen, auch ein alternatives Sanierungsszenario anbieten.