„Es ist immer ein Wunder, was am Ende rauskommt“
Choreograf Daniel Zaboj im Interview
Von Frank Heindl
Daniel Zaboj hat die neue „Rap für Peace“-Produktion „Body talks“ mit HipHoppern und Street Dancern aus der Augsburger Szene erarbeitet. Am Tag nach der Premiere machte er am Telefon einen erschöpften, aber zufriedenen Eindruck. Frank Heindl sprach mit ihm.
DAZ: Herr Zaboj, ich nehme an, die Produktion war anstrengend. Hat sie auch Spaß gemacht?
Daniel Zaboj: Wir haben lange dran gearbeitet – selbstverständlich hatten wir da Spaß. Aber die letzten Tage sind immer ganz stressig. Da muss alles zusammenpassen, alles muss funktionieren, Licht und Ton und vieles andere. Grundsätzlich aber waren die Proben sehr lustig und gut. Auch weil wir diesmal weniger waren, normalerweise habe ich bis zu 70 Jugendliche, und das ist dann schon sehr anstrengend.
DAZ: Bei weniger Beteiligten gibt’s wohl auch weniger Disziplinprobleme …
Daniel Zaboj: Es ist einfacher, aber der Aspekt mit der Disziplin, der bleibt immer – dass welche zu spät kommen, dass manche gar nicht erscheinen, das passiert immer noch.
DAZ: Ich hätte gedacht, dass sowas als Riesenchance aufgefasst wird, dass man da unbedingt dabei sein möchte.
Daniel Zaboj: Auf einer Seite ja, aber die Jugendlichen bekommen kein Geld, sie arbeiten nebenbei auch noch oder gehen zur Schule, haben Schulaufgaben, und dann wird’s manchmal schwierig. Die sind oft auch einfach überfordert, müssen ihre freien Tage opfern.
DAZ: Sie holen eine Kultur auf die Bühne, die da originär nicht hingehört. Sie machen Subkultur salonfähig, zwingen sie aber auch in das Korsett etablierter Kultur, machen sie eingängiger, einfacher, weniger schräg – so eine Subkultur kann ja auch kaputtgehen., wenn die „street credibility“ verlorengeht.
Daniel Zaboj: Das ist ein schwieriges Problem. Prinzipiell versuche in meiner Arbeit, die normalen Regeln zu brechen, also auf Am Ende ist es oft Glück, was dabei rauskommt: Ich denke mir viel aus und plane, dass etwas so und so ausschauen soll – aber es wird meistens ganz anders. Weil die Jugendlichen das ganz anders rüberbringen, weil das Thema auf der Bühne plötzlich ganz anders ausschaut – da muss ich auch Kompromisse machen. Manche Sachen kommen dann trotzdem rüber – aber in ganz anderer Form. Und davon lerne ich, davon profitiere ich auch – die Kompromisse müssen nicht unbedingt schlecht sein. Ich bin manchmal von den plötzlichen Veränderungen sehr positiv überrascht – manchmal auch nicht. Jedenfalls kommt sehr viel auf die Bühne, was nicht ursprünglich meine Idee ist.
DAZ: Gab’s auch negative Überraschungen?
Daniel Zaboj: Meistens ist das Timing das Problem. Das sind eben keine Profis, die können nicht alle Sachen so durchziehen, wie ich das gerne hätte. Aber auf der anderen Seite haben sie ganz andere Vorteile – sie spüren zum Beispiel ganz genau, was ihre Leute sehen wollen, was ihre Zuschauer mögen – das ist etwas, was den Profis fehlt. Es ist auf jeden Fall für mich immer ein Wunder, was dann am Ende rauskommt.
DAZ: Ein Wunder ist ja was Schönes …
Daniel Zaboj: Schon, ja, aber einen Tag vorher ist es immer eine Katastrophe. Es passt gar nichts zusammen, nichts klappt. Am Tag vor der Premiere meine ich jedes Mal, ich muss es absagen. Normalerweise entwickelt man solche Sachen auf der Bühne, und dafür braucht man eine intensive Woche. Aber: das haben wir in diesem Fall nicht. Deshalb ist das immer, immer stressig.
DAZ: An diesen Umständen gemessen ist das Ergebnis umso erstaunlicher!
Daniel Zaboj: Ja, ich bin auch erstaunt! Ich habe wieder gemeint, es wird eine Tragödie, aber das ist natürlich auch eine Komödie.
DAZ: „Rap for Peace“ ist auch ein politisches Projekt. Es soll Jugendlichen einen Sinn und eine Aufgabe geben und auch ein Milieu ins Theater bringen, das da sonst nicht vertreten ist. Glauben Sie, dass Ihre Arbeit eine Wirkung über den Abend hinaus hat?
Daniel Zaboj: Ich denke schon. Die Jugendlichen machen sichtbare Fortschritte, die haben wirklich Spaß, wenn sie arbeiten können. Da hat sich in den vier Jahren viel geändert, seit ich mit ihnen arbeite. Sie lernen. Viele werden auch besser in der Schule. Aber ich wollte diesmal das Thema nicht mehr auf der Bühne haben. Wir müssen ja nicht immer Immigranten spielen. Diesmal wollten wir einfach zeigen, dass wir etwas machen, was uns Spaß macht, war wir können. Und das ist nicht nur das Thema „Migrationskinder“.
DAZ: Fühlen Sie sich eigentlich auch als Migrant?
Daniel Zaboj: Ich würde sogar sagen, ich bin der einzige Migrant in dem Stück (lacht). Die Jugendlichen sind alle Deutsche, sind hier aufgewachsen, ich selbst bin erst vor zehn Jahren nach Deutschland gekommen. Aber im Ernst: Ich habe natürlich einen ähnlichen Hintergrund, bin in gewisser Weise einer von denen, und das brauchen sie. Vor allem diejenigen, die diesen Street Dance machen, die die Regeln der Straße kennen. Wenn die den Chef nicht akzeptieren, geht nichts. Das funktioniert momentan gut – aber wie lange es funktioniert, das weiß ich nicht. Ich werde langsam älter, ich weiß nicht, wie lange ich bei denen noch mithüpfen kann, ich bin schon 36!
DAZ: Herr Zaboj, danke für das Gespräch!