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Freitag, 22.03.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Es ist geschehen, was unvermeidlich war und wovon dennoch niemand etwas wissen wollte

DAZ-Herausgeber Siegfried Zagler über Walther Seinsch und die Konsequenzen seines Rücktritts

Es gibt viele Menschen, die in der Geschichte der Stadt eine große Rolle spielten. Augustus, der erste Kaiser Roms zum Beispiel. Der heilige Ulrich von Augsburg hat sich als Bewahrer und Retter im generationsübergreifenden Netz der kollektiven Erinnerung seine Unsterblichkeit gesichert. Seine historische Leistung bestand durch die herausragende Verteidigung der Stadt im 10. Jahrhundert zu Zeiten der Ungarneinfälle. Die Fugger und Welser führten mit ihrem Reichtum die Stadt aus dem Mittelalter in ihre erste große Blüte. Und aus der Renaissance heraus entwickelte sich in der ersten Phase der Industrie-Epoche ein Augsburger Textilwunder. Die Unternehmer Friedrich Merz, Karl Jakob, das Bankhaus Schaezler, die Dierigs und natürlich der Papiermagnat Haindl legten tiefe Spuren in die Stadtgeschichte. Es wäre vermessen, Walther Seinsch in diese Reihe zu stellen, aber es ist dennoch festzuhalten, dass die positive Verrücktheit eines Walther Seinsch unauslöschliche Spuren in die Stadt gegraben hat.

Ohne seine aberwitzige Vision und ohne seine Mittel wäre Augsburg und der FCA noch immer so weit von der Bundesliga entfernt wie der „Journalist“ Arno Löb vom Pulitzer-Preis. Das Stadion, das heute SGL Arena heißt, war eine Erfindung von Walther Seinsch. Man sollte es noch zu Lebzeiten des Ex-Präsidenten „Walther-Seinsch-Stadion“ nennen. Es ist das stimmungsvollste Fußballstadion Europas: ein steiler Nutzbau mit großartiger Sicht und Akustik und mit lächerlichen 45 Millionen Euro Kosten vermutlich der preiswerteste Sport-Tempel der Moderne. Seinsch hat beim FCA die Monarchie eingeführt und mit seinem eigenwilligen Führungsstil erreicht, dass der FCA mit einer Zunge sprach. Seinsch hatte ein feines Gespür dafür, ob jemand zu seinem FCA passte oder nicht. Andreas Rettig und Jos Luhukay passten irgendwann nicht mehr. Was damals vom Schreiber dieser Zeilen als Kurzschlusshandlung bewertet wurde, erwies sich im Nachhinein als Glücksfall. Mit dem Duo Reuter/Weinzierl fand Seinsch nach einer längeren Irrfahrt ein kongeniales Pärchen für die sportliche Leitung.

Doch nun ist geschehen, womit jeder rechnete und wovon dennoch niemand etwas wissen wollte: Seinschs Rücktritt ist ein konsequenter Rückzug. Der Gründer der „Bundesligastadt Augsburg“ zieht sich in jeder Hinsicht aus dem operativen Geschäft zurück. Und natürlich will der ehemalige König seinen Investitionsanteil zurück. 16 Millionen hat der FCA bereits an Seinsch zurückgeführt. Der FCA? Woher soll diese Summe kommen? Der neue Präsident, Klaus Hofmann, hat heute während seiner Vorstellung kurz erläutert, was er beruflich macht. Kurzum: Ohne die Mittel in der Hinterhand von Hofmann würde der Rückzug des Königs für den FCA ein signifikantes wirtschaftliches Problem bedeuten. Die wirtschaftliche Ausrichtung des FC Augsburg bekommt keine andere Struktur, sondern einen anderen Namen. Mit Klaus Hofmann steht nun ein neuer starker Mann an der Spitze. Ein neuer König, dessen Stärke nicht nur in der Wirkung des Geldes liegen sollte, das der gebürtige Allgäuer wohl mitbringt. Hofmann ist vital, eloquent und steht im Zenit seiner Schaffenskraft. In ihm bündelt sich nun die Zukunft des FCA. Das sind keine schlechte Aussichten. Um einen unhaltbaren Vergleich zu den wahren Heroen der Stadt zu ziehen: Der launische Seinsch ist als Gründer der „Bundesligastadt Augsburg“ der moderne „Augustus aus dem Norden“, der hier nie zu Hause war. Der vitale Hofmann, der Bewahrer des Status Quo, die zeitgenössische Ausgabe des heiligen Ulrich. Der König ist tot, es lebe der König.