Es geht um unsere politische Kultur
Warum nach Georg Schmid auch Harald Güller, Claudia Jung und Georg Winter aus der Politik verschwinden müssen
Kommentar von Siegfried Zagler
Wer sich zusammen in einem Raum mit Georg Schmid befand, konnte es nicht vermeiden, dass ihm Schmid die Hand zum Gruße schüttelte. Deshalb erfand der Volksmund für Georg Schmid den Spitznamen „Schüttel-Schorsch“. Der CSU-Politiker namens Schüttel-Schorsch hatte über viele Jahre hinweg das Familieneinkommen der Schmids erheblich vergrößert (laut Medienberichten um zirka 5.000 Euro pro Monat), indem er in seiner Eigenschaft als Landtagsabgeordneter seine Frau als Mitarbeiterin beschäftigte, was laut einer „Ewigkeitsübergangsregelung“ des Bayerischen Landtags noch nichts Ungesetzliches gewesen wäre, hätte Frau Schmid ein Gewerbe angemeldet und hin und wieder einen Brief geschrieben. Gegen Familie Schmid wird nun wegen mutmaßlicher Scheinselbständigkeit ermittelt. Die Politkarriere des nicht unbegabten Georg Schmid hat sich somit in Luft aufgelöst. Die CSU hat ihn von der Wahlliste für die kommende Landtagswahl genommen.
Der CSU-Landtagsabgeordnete Georg Winter, der seine beiden Söhne beschäftigt hatte, sollte auch schnellstmöglich aus den Ebenen des Parlamentarismus verschwinden, nachdem nun wohl auch gegen ihn wegen illegaler Kinderarbeit ermittelt wird. Über 90.000 Euro „Taschengeld aus Steuermitteln“ für seine Söhne soll Winter dem Landtag bereits zurück bezahlt haben. Beide Politiker sind nicht nur für ihre Partei zur Belastung geworden, sondern für das gesamte parlamentarische System der Bundesrepublik Deutschland. Das Gleiche gilt selbstverständlich für alle Abgeordneten des Bayerischen Landtags, die nahe Verwandte mit Mitarbeiterverträgen und Steuergeldern bedienten, und zwar unabhängig davon, ob das auf legale Weise oder auf mutmaßlich illegale Weise wie bei Harald Güller (SPD) und Claudia Jung (FW) geschah. Gegen die beiden zuletzt genannten Landtagsabgeordneten wird wegen Verstößen gegen das Abgeordnetengesetz ermittelt.
Was diese vier Landtagsabgeordneten in einem wesentlichen Punkt von anderen Politikern unterscheidet, die ebenfalls nahe Verwandte beschäftigt haben, ist für unsere Demokratie allerdings von zentraler Bedeutung: Schmid, Winter, Jung und Güller haben mutmaßlich gegen bestehendes Recht gehandelt. Sie stehen im Fadenkreuz der Staatsanwaltschaft. Güller und Jung haben wohl (bewusst oder „aus Dummheit“, wie Güller für sich behauptet) gegen ein Gesetz verstoßen, das eben genau das zu vermeiden trachtet, was Güller und Jung offensichtlich zu umschiffen verstanden. In diesen Fällen wird es nicht mehr darum gehen, ob und wie der Wähler dieses Verhalten sanktioniert, sondern darum, was die Justiz daraus macht. Es geht nicht mehr um Geschmacksfragen, um unsensibles Verhalten oder um den „guten Anstand“, sondern um „Schuld und Strafe“. Wäre diese Grenze nicht scharf gezogen, befände sich unsere Demokratie schnell im Niedergang, wie man unmissverständlich an der politischen Kultur in Italien ablesen kann. Das Verschwinden von Winter, Güller und Jung aus der aktiven Politik ist nicht verhandelbar, sondern das Gebot der Stunde.
Fotos: Pressebilder der Landtagsabgeordneten