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Freitag, 19.04.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Kommentar: Es geht um Menschen in schwerer Not

Warum sich die Stadt Augsburg in Sachen “Dinglerstraße” fürchterlich blamiert

Kommentar von Siegfried Zagler

“Die SPD Augsburg hält die Einrichtung eines betreuten Treffs in Oberhausen für sinnvoll, weil damit der Helmut-Haller-Platz als etablierter Treffpunkt der Alkoholiker- und Drogenszene entlastet und den Abhängigen geholfen werden kann”, so Ulrike Bahr, Vorsitzende der SPD Augsburg. Die Szene würde einen betreuten Ort brauchen, wo sie für eine gewisse Zeit der Konsumspirale entkommen könne. Eine ärztliche Sprechstunde sei ebenso wie ein Mittagstisch mittelfristig wünschenswert. „Eine stationäre räumliche Betreuung auf dem Platz, etwa in einem Container, stellt für uns keine sinnvolle Alternative dar, da sich dadurch die aktuellen Zustände verfestigen und eher noch verschlimmern könnten.”

Fast alles an diesem SPD-Statement ist falsch, wie gesagt fast alles: Der Kern von Ulrike Bahrs Aussage, dass nämlich die Alkoholiker-und Drogenszene einen betreuten Ort brauchen würde, stimmt. Eine Einrichtung dieser Art wäre ein deutliches und wünschenwertes Zeichen der Stadt, nämlich ein humanes Ausrufezeichen mit der christlichen Botschaft, dass niemand aufgegeben werden darf. Und es wäre ein Zeichen des Respekts gegenüber süchtigen und gesellschaftlich gestrauchelten Personen, die selbstverständlich auch zur Augsburger Stadtgesellschaft gehören. Pauschale Kriminalisierung, gesellschaftliche Diskriminierung und staatliche Gängeleien sind Vergangenheit und haben weder etwas mit dem Gedanken der Hilfe noch mit Konzeptprogrammen der Resozialisierung zu tun.

Dass die Stadt sich verstärkt um diese Personengruppen kümmern muss, ist eine späte und beschämende Einsicht. Beschämend auch deshalb, weil die städtische Initiative aus ordungspolitischen Überlegungen heraus in die Gänge kam. Aus ordnungspolitischer Sicht wird mit dem Treff in der Dinglerstraße der Helmut-Haller-Platz aber nicht entlastet. Die Personen, die sich dort treffen, werden ihren Treff nicht in die Räume der Dinglerstraße 10 verlagern. Das hat zum einen mit den kurzen Öffnungszeiten dieses Treffs zu tun und zum anderen mit der Entfernung, die 600 Meter beträgt. Die Strecke vom Königsplatz zum Theater ist 50 Meter kürzer. Dafür braucht man zu Fuß zwischen 7 und 9 Minuten. Um jedes Missverständnis auszuschließen: Ein betreuter Treff wäre für drogenabhängige Bürger der Stadt und der Region eine wünschenswerte Einrichtung.

Wer aber die Situation am Oberhauser Bahnhof organisieren und in eine Form gießen will, die für Zugreisende, Passanten und Anwohner und selbstverständlich auch für die Personen des Treffs akzeptabler und sicherer ist, muss vor Ort handeln. Eine Räumlichkeit mit Betreuung im Bahnhofsgebäude oder ein leichter Anbau neben oder in der Nähe des Treffs würde die Situation am Oberhauser Bahnhof wohl eher zum Besseren wenden.

Das ist zugegebener Maßen eine Annahme, die einer Bewertung von Experten bedarf. Deshalb ist der Vorschlag der Opposition zu präferieren, ein Gesamtkonzept für den Bahnhofsvorplatz in Oberhausen zu erstellen. Dazu gehört auch eine Analyse von Soziologen, die mit den Instrumenten der Wissenschaft das Szenario untersuchen und beschreiben sollten.

Heute Abend starten die dreitägigen Informationsabende der Stadt in der Dinglerstraße 10. Warum sie vom Ordnungsreferenten geleitet und moderiert werden, erschließt sich nicht, da es sich nicht um eine ordnungspolitisch relevante Maßnahme handelt, sondern um eine soziale. Gefragt wäre also in dieser Angelegenheit mit Stefan Kiefer (SPD) der Sozialreferent der Stadt. Zumindest hätte Ordnungsreferent Dirk Wurm (ebenfalls SPD) das Thema referatsübergreifend setzen müssen. Dass Dirk Wurm bei diesem Projekt überfordert wirkt, ist eine Sache, dass man ihn in dieser Sache allein vor sich hinwursteln lässt, ist nicht weniger schädlich. Schließlich geht es in dieser Sache nicht um ein Standortproblem, sondern um Menschen in schwerer Not.