Erste Ballettpremiere der Spielzeit: Viel Applaus für Hamlet
Nach „Romeo und Julia“ sowie „Medea“ wagt sich das Ballettensemble des Augsburger Theaters auch in dieser Spielzeit wieder an eine abendfüllende Geschichte. Kein geringerer Stoff als Shakespeares Hamlet steht auf dem Programm.
Von Halrun Reinholz
Eine vielschichtige Handlung mit vielen tiefenpsychologischen Assoziationen – und das ganz ohne Shakespeares Wortgewalt? Der amerikanische Choreograph Steven Mills beschränkt sich bei der Erzählung des Hamlet-Stoffes auf die Haupthandlung, die auch ohne Nebenstränge verwoben genug ist. Um die Geschichte möglichst geradlinig zu erzählen, bedient sich Steven Mills der Rückblende: Der tote Hamlet lässt die Handlung sozusagen im Rückblick vor seinem geistigen Auge ablaufen. Für die Tänze greift Mills auf Musik von Philip Glass zurück, die seiner Meinung nach die richtigen rhythmischen Impulse gibt, ohne (wie klassische oder romantische Stücke) dem Zuschauer bereits Konnotationen zu suggerieren. Hamlet (Theophilus Vesely oder Mark Radjapov) sowie Ophelia (Ana Dordevic oder Yun-Kyeong Lee) sind dabei nicht nur mit hervorragenden Tänzern doppelt besetzt, ihre seelische Zerrissenheit wird zudem an bestimmten Stellen durch jeweils drei weitere „Erscheinungen“ ihrer selbst illustriert – ein hervorragender technischer Kniff, um die vielschichtigen Ausdrucksmöglichkeiten des Tanzes zu belegen.
Musikalisch wird dies zudem untermalt durch das Violinkonzert Nr. 1 von Philip Glass, dessen Solopartie der ehemalige Konzertmeister der Augsburger Philharmoniker Jerome Benhaim bestreitet. Neben Hamlet und Ophelia glänzen auch in der zweiten Reihe erstklassige tänzerische Darsteller: Eveline Drummen als Gertrude, Joel di Stefano als Claudius, Tamás Darai als Laertes und Armin Frauenschuh als Polonius. In bewährter Manier gibt der immer noch aktive Tanz-Rentner Erich Payer einen (etwas zu) dekorativ blutverschmierten Geist (von Hamlets Vater) ab. Abgerundet wird die Aufführung wie gewohnt von den Gruppenauftritten des gut aufeinander eingespielten Augsburger Ballettensembles und der Musik der Philharmoniker unter Katsiaryna Ihnatsyeva-Cadek. Eindrucksvoll auch das einfallsreiche (und trotzdem wenig aufwendige) Bühnenbild, das mit Lichteffekten (Kai Luczak) und markanten Kostümen in den Signalfarben rot-weiß-schwarz arbeitet (Darko Petrovic). Ein Augen- und Ohrenschmaus, den das Premierenpublikum mit auffallend lang anhaltendem Applaus quittierte.