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Freitag, 22.03.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

EM: Warum Joachim Löw ein schlechter Trainer ist

DAZ-Herausgeber Siegfried Zagler über die deutschen Nationalmannschaften und ihre Trainer

Teil III

Stellen Sie sich vor, Sie sind einer der 18.000 Abonnenten der Münchner Philharmoniker, nicht irgend einer, nein, Sie haben ein Sonder-Abo und sind bei jedem Konzert dabei. Sie haben selbst viele Jahrzehnte sehr ambitioniert ein klassisches Instrument gespielt und sind in der Lage, die Perfektion dieses Orchesters in alle Feinheiten hinein zu genießen. Bevor Sie ins Konzert gehen, lesen Sie die Partituren und begeben sich in die Nähe der Schöpfungsakte der Komponisten, besser: Sie versuchen es und Sie sind beinahe jedesmal im Konzertsaal wie vom Blitz getroffen, wenn Sie hören, wie nah Sie an diesem Ort an den Abgrund der Genialität geführt werden. Natürlich ist es unvorstellbar, dass diesen Philharmonikern ein drittklassiger Dirigent vorstehen könnte, doch genau das geschieht. Überraschenderweise fällt das Orchester nicht auseinander und Qualität geht nur in den Spitzen verloren. Manche Feinheiten werden einfach ausgelassen oder mit viel Tempi und mittels ungewöhnlichen, aber eingängigen Verschiebungen überspielt. Das Orchester spielt mit, das Publikum und die Fachpresse auch. Im Lauf der Zeit geht der Glanz des Orchesters ein wenig auf den Dirigenten über. Zwischendurch erreicht das Orchester sogar seine alte Klasse. Nur Sie und ihre Freunde wissen, dass der Dirigent vor seinem Engagement bei den Münchnern Philharmonikern nie über mehrwöchige Dirigate bei diversen Blasorchestern hinauskam.

Und nun stellen Sie sich die deutsche Nationalmannschaft vor – und Bundestrainer Jogi Löw. Von 1999 bis zu seinem „Ruf“ 2004 als Assistenztrainer war Löw wegen Erfolglosigkeit von vier Klubs in Folge gefeuert worden (Karlsruhe, Adanspor, Innsbruck und Austria Wien).

EM 2008: Löw störte nicht weiter

In seinem ersten Turnier als Cheftrainer der deutschen Nationalmannschaft führte er eine zwar junge, aber nicht unerfahrene deutsche Mannschaft bei der EM 2008 ins Finale. Ein Spiel, das gegen Spanien haushoch mit 1:0 verloren wurde. Trotz des knappen Ergebnisses war die deutsche Mannschaft den Spaniern in allen Belangen unterlegen. Neben diesem trostlosen Endspiel sind drei schwache Gruppenspiele und ein fahriges Halbfinale gegen die Türkei zu vermerken. Trotz merkwürdiger Einwechslungen: Löws erste Feuerprobe darf man als gelungen bezeichnen. Bei der Weltmeisterschaft 2010 konnte Löw auf einen Kader bauen, der in seiner Qualität sehr nah an dem des 72ers gebaut war. Neuer, Özil, Khedira, Schweinsteiger, Lahm, Müller waren in Hochform und prägten mit ihren Leistungen ein Team, das gegen England und Argentinien wie aus einem Guss spielte und von sich selbst berauscht im Halbfinale wieder an Spanien scheiterte. Löw störte nicht weiter, er überließ den Spielern das Spiel und hoffte auf einen Lauf. Die deutsche Mannschaft spielte gegen die spanischen Ballbesitzexperten nicht anders als gegen die hölzernen Engländer.

Was kann man gegen einen Nationaltrainer sagen, dessen Equipe zum Beispiel die Qualifikation für die aktuelle EM sorgenfrei und ungeschlagen meisterte? Nun, man könnte zum Beispiel ins Feld führen, dass der Erfolg der Nationalmannschaft (Herberger natürlich ausgenommen) selten mit der Klasse ihrer Trainer in Verbindung zu bringen war und ist. Und man könnte sarkastisch anmerken, dass die großartigen jungen Spieler seines aktuellen Kaders gar nicht existieren dürften, hätten seine und Klinsmanns Weltuntergangsszenarien damals auch nur mit einem Pinselstrich die Realität abgebildet. In Sachen Jogi Löw sollte man sich besser an Reich-Ranicki orientieren. „Könnte ich darüber sprechen, würde ich schweigen“, so Marcel Reich-Ranicki auf die Frage, warum er nie über die tollen Bücher von Michael Ende ein Wort verliere.

In Löws Welt passen Götze und Özil nicht zusammen

Es gab unter der Ära Löw noch kein einziges Spiel, das ohne eine Reihe billiger Coaching-Fehler über die Bühne ging. Pars pro toto: Das Portugal-Spiel. Mertesacker und Klose anzukündigen, um dann Hummels und Gomez zu bringen, ist ein typisches Schauspieler-Verhalten. Löw arbeitete damit gegen sein Image, ein Schablonen-Trainer zu sein. Falls das nicht zutreffen sollte, dann bleibt nur die Schlussfolgerung übrig, dass Löw mit dem Vergleich eines drittklassigen Dirigenten geschmeichelt wurde. Klose überhaupt mitzunehmen ist schon grenzwertig, ihn aber als einen guten Einwechselspieler hinzustellen, ist bodenlos. Klose muss lange in einem Spiel sein, um etwas bewirken zu können. „Lange“ heißt bei Klose, dass er bereits am Vorabend wissen muss, dass er spielt. Und selbstverständlich hätte Löw den geplanten Wechsel (Klose für Gomez) nach dem Spielverlauf und der deutschen Führung in der 72. Minute abblasen müssen, da natürlich damit zu rechnen war, dass die Portugiesen spätestens ab der 80. Minute aufmachen würden. Reus hätte als Konterspieler möglicherweise für die Entscheidung sorgen können; eher jedenfalls als Klose.

Zwischen Podolski und Lahm gab es im Spiel keinen Faden. Beide spielten so, als gäbe es den anderen nicht. Lahm war zu sehr in der Defensive gebunden und wagte sich bei Ballbesitz kaum über die Mittellinie, da Podolski in der Defensive nicht für Entlastung sorgte und mit Nani der stärkste Portugiese auf Lahms Seite stets für Gefahr sorgte. Löw hätte das bemerken und spätestens in der Halbzeit abstellen müssen. Löw ist auch mit Boateng auf dem Holzweg. Bei Boateng reicht die Qualität nicht.

So könnte die deutsche Mannschaft Richtung Turniersieg fliegen

Mit Schmelzer auf der linken und Lahm auf der rechten Außenverteidiger-Position wäre das deutsche Team hinten wie in der Dynamik nach vorne um eine halbe Klasse besser. In Löws Welt haben Mario Götze und Mezut Özil zusammen in einer Mannschaft keinen Platz. Das ist Unsinn. Beide sind dergestalt überragend, dass für einen guten Trainer nur die Frage wäre, wie das Zusammenwirken dieser beiden Supertechniker optimiert werden könnte. Löw ist das zu komplex. Mit Götze und Özil, aber ohne Poldolski, Khedira und Schweinsteiger tiefer ins Defensivgefüge stellen: So könnte die deutsche Mannschaft Richtung Turniersieg fliegen. Gomez könnte als Stoßstürmer von dieser Struktur wegen der Passgenauigkeit von Götze und Özil enorm profitieren. Lahm, Schweinsteiger, Özil und Khedira wirken überspielt. Sie mental und körperlich auf den hohen Turnierlevel zu hieven, wird Löw vermutlich nicht gelingen. Nicht nur aus diesem Grund ist Holland heute Abend leichter Favorit. Große Sorgen muss man sich dennoch nicht machen. Die Niederländer sind Spezialisten beim „Sich-selbst-im-Weg-stehen“ und mit Bert van Marwijk sitzt ebenfalls eine lame duck auf der niederländischen Trainerbank.

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