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Mittwoch, 21.08.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

EM: Die Ära der deutschen Torjäger geht zu Ende

Deutschland fliegt gegen Frankreich mit 0:2 raus, weil die Qualität im Abschluss fehlt.

Von Siegfried Zagler

Ein großer Sturmführer, ohne WM oder EM-Titel: Uwe Seeler

Ein großer Sturmführer und Kapitän der deutschen Auswahl, die 1966 im Finale und 1970 im Halbfinale spektakulär verlor: Uwe Seeler


Uwe Seeler, Gerd Müller – Gerd Müller, Klaus Hölzenbein – Klaus Hölzenbein, Dieter Müller –  Klaus Fischer, Karl-Heinz Rummenigge – Horst Hubresch (Klaus Allofs), Karl-Heinz Rummenigge – Karl-Heinz Rummenigge, Rudi Völler – Rudi Völler, Jürgen Klinsmann – Jürgen Klinsmann, Karl-Heinz Riedle (Stefan Kuntz) Oliver Bierhoff – Miroslav Klose, Lukas Podolski – Miroslav Klose, Mario Gomez – Mario Gomez … Mit diesen Namen war gerade in ihrem Zusammenwirken eine ungeheurer Qualität verbunden, die den deutschen Fußball seit einem halben Jahrhundert geprägt hat und sich nun offenbar dem Ende entgegen neigt. Auffällig ist in der Rückschau, dass die Deutschen in den großen Turnieren meist erfolgreich waren, wenn sie mindestens auf zwei erstklassige Mittelstürmer zurückgreifen konnten.

Zum Ausscheiden der Deutschen Fußballnationalmannschaft bei der EM 2016 in Frankreich ist im Grunde mit dieser Aufzählung alles gesagt. Und es ist alles gesagt, wenn man sagt, dass sie im Halbfinale in 90 Minuten kein Tor erzielt hat und sich hinten zwei mächtige Fehler leistete, die zu den beiden Toren der Franzosen durch  Antoine Griezmann (47. + 72.) führten. Weder Özil (so stark wie selten) noch Thomas Müller (so schwach wie nie) noch Julian Draxler und am allerwenigsten Mario Götze waren und sind in der Lage, gegen eine erstklassige Abwehr mit ihrem Spiel in den Strafraum zum Abschluss zu kommen. Das Flankenwerk von Kimmich und Hector war für diese Spieler und für die aufgerückten Abwehrspieler zu ungenau, um mit Direktabnahmen abschließen zu können. Es mutet deshalb ein wenig schräg an, dass das Fehlen eines Mario Gomez dergestalt prägend war, dass man mit Wehmut an vergangene Zeiten dachte, als die deutschen Bundestrainer mit zwei, teilweise sogar mit drei Toptorjägern in die Turniere gingen.

Nach vorne mit zu geringer Durchschlagskraft und hinten fehlerhaft: So gewinnt man keine Turniere. Auch wenn die deutsche Mannschaft gegen Frankreich über weite Strecken des Spiels mit einer konzentrierten und zielstrebigen Vorstellung zu überzeugen wusste und ein Weiterkommen verdient gewesen wäre, darf man in der Analyse nicht die Augen davor verschließen, dass das deutsche Ausscheiden mit einem Qualitätsproblem verbunden war. Hummels und Boateng waren in der Innenverteidigung nicht zu ersetzen. Viel schlimmer wiegt aber der Sachverhalt, dass dem deutschen Spiel ein Mittelstürmertypus klassischer Prägung fehlte: Die Verletzung von Mario Gomez war die Hiobsbotschaft vor dem Halbfinale, nicht die Gelbsperre von Hummels, die natürlich auch schwer zu Lasten einer variableren Spieleröffnung ging.

Es sieht ganz danach aus, als würde die große Ära der deutschen Mittelstürmer zu Ende gehen. In der vergangenen Bundesligasaison waren unter den ersten sieben Torjägern sechs Ausländer (Thomas Müller belegte mit 20 Treffern Platz 3). Mario Gomez wurde Torschützenkönig einer Operettenliga. Weit und breit ist kein neuer Klose oder wenigstens ein neuer Klinsmann zu sehen. Meilenweit ist der deutsche Fußball inzwischen von erstklassigen Sturmführern wie Uwe Seeler oder Rudi Völler entfernt. Das ist das Manko der goldenen Generation des deutschen Fußballs nach dem Abgang von Miro Klose.

Zum Schluss noch ein Wort zu Jogi Löw. Aktuell läuft eine Umfrage des Kicker, ob er Bundestrainer bleiben soll oder nicht. 57 Prozent sind bis jetzt dafür, dass Löw weiter macht. Immerhin scheinen 43 Prozent der Abstimmungsteilnehmer eine tiefere Vision für den deutschen Fußball zu hegen, als das unter Löw möglich ist. Inzwischen hat sich Löw als Trainer dergestalt gefestigt, dass man ihm sogar ein Engagement bei einem großen Klub zutraut. Und es ihm – von dieser Stelle aus – auch wünscht.