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Dienstag, 23.07.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

EM: Auf das Falsche falsch reagiert

Warum Joachim Löw der schlechteste Bundestrainer aller Zeiten ist

Von Siegfried Zagler



Vorab soll festgestellt werden, dass mit Italien die an diesem Abend taktisch, spielerisch sowie kämpferisch bessere Mannschaft ins Finale einzog und dass es in der Regel sehr amateurhaft ist, ein Fußballspiel und Trainerentscheidungen aufgrund einer Fernsehübertragung vom heimischen Sofa aus zu bewerten. Trotzdem steht außer Frage, dass Jogi Löw im EM Halbfinale 2012 gegen Italien wieder einmal eindrucksvoll belegt hat, dass er mit seiner oberflächlichen Denkungsart genau das nicht kann, was er können sollte, nämlich mit Herz und Sachverstand ein Fußball-Team betreuen. Löw ist der schlechteste Bundestrainer aller Zeiten und es ist eine Katastrophe für den deutschen Fußball, dass ein Mann ohne jedes Format für die beliebteste Institution dieses Landes verantwortlich ist.

Fehler eins: Podolski

Es ist an dieser Stelle bereits mehrfach darauf hingewiesen worden, dass es zu den merkwürdigsten Kapriolen in der Geschichte des Fußballsports zählt, dass ein Fußballer wie Lukas Podolski, dessen Spielweise bereits in den Achtzigern nicht mehr zeitgemäß gewesen wäre, unter Löw zu mehr als einhundert Einsätzen in der deutschen Nationalmannschaft kommt und dass es beinahe als skandalös zu bezeichnen ist, dass diese erstaunliche Betriebsblindheit eines Bundestrainers von der Fachpresse nicht mit Häme gegeißelt wurde und wird. Podolskis Karriere ist ein ähnliches (auch mediales) Missverständnis wie zum Beispiel Karl-Theodor von Guttenbergs Karriere. Gegen Italien war es gestern wie immer, wenn Podolski gegen hochkarätige Gegner spielt. Er klebt an der Außenlinie und wartet auf ein Zuspiel. Hat er den Ball, friert der Spielfluss ein, stoppt jeder noch so vielversprechende kombinatorische Ansatz. Freistöße knallt der Kölner stets mit Karacho in die Mauer. Wer nicht sieht, dass ein holzschnittartiger Spieler wie Podolski nichts in einer Klassemannschaft verloren hat, sollte als Fußball-Experte nicht mehr ernst genommen werden. Erstaunlicherweise sind gravierende Fehleinschätzungen von Spielern ein weit verbreitetes Phänomen. Jos Luhukays unrühmlicher Rauswurf beim FC Augsburg hatte zum Beispiel sehr viel damit zu tun, dass er mit Lorenzo Davids immer wieder in der Ersten Liga einen Spieler aufstellte, der noch nicht einmal im Ansatz zweitligataugliche Qualitäten besitzt.

Fehler zwei: Orientierung am Gegner

Hätte Löws haarsträubende Mannschaftsaufstellung gegen Italien zu einem Sieg geführt, hätte ihm die erfolgs- und ergebnisorientierte Sportpresse erneut attestiert „alles richtig gemacht zu haben“ und Löw hätte nach dem Spiel darüber räsonieren können, dass es richtig war, der spielstarken italienischen Raute mit Kroos einen laufstarken Zentrumsspieler entgegen zu stellen, der ein wirkungsvolleres Pressing praktiziere als Thomas Müller. Dazu nur soviel: Es hätte auch funktionieren können, hätten die Deutschen in der ersten Viertelstunde gegen die zu Beginn unruhig agierende italienische Abwehr ein Tor gemacht. Was allerdings nichts daran ändert, dass es sich um einen fundamentalen Coaching-Fehler handelt, wenn ein Trainer eine dergestalt starke deutsche Mannschaft nach Überlegungen aufstellt, die zu tief in die Richtung gehen, wie man das Spiel des Gegners schwächen könne. Gibt es herausragende Qualität im Kader, ist es die Pflicht eines Trainers, mit dieser Qualität den Gegner zu bearbeiten. Löw orientierte sich bei der Mannschaftsaufstellung daran, wie er die Qualität des Gegners unterbinden könne und schwächte dabei die eigenen Stärken, die in der Summe höher waren und sind als die des italienischen Teams. „Wir wollten den Ball im Zentrum halten, damit die Deutschen ihre Stärke nicht über die Flügel ausspielen können.” Dies sagte nach dem Spiel Italiens Trainer Cesare Prandelli, womit er zum Ausdruck brachte, wie sehr ihm Löw in die Karten spielte. Die eigene Mannschaft schwächen und – als wäre das nicht schon schlimm genug – dabei den Matchplan des Gegners unterstützen: Gab es jemals eine größere Blamage für einen Trainer?

Fehler drei: falsche Reparatur

Im Griechenland-Spiel Gomez durch Klose zu ersetzen, war für das Spiel gegen Griechenland ein guter taktischer Gedanke, der natürlich deshalb sehr wirkungsvoll schien, weil Hemmschuh Podolski auf der Bank saß. In der Gesamtbetrachtung war es eine falsche Maßnahme, da die gesamte Turnier-Situation jeder Mannschaft davon lebt, dass bestimmte Spieler einen Lauf haben. Bei Gomez zeichnete sich in den Gruppenspielen ein Hoch ab. Darauf hätte Löw entschieden bauen sollen. Im Griechenland-Spiel hätte Löw weiter an den Stärken einer Mannschaft arbeiten müssen, statt einen zweiten Anzug zu präsentieren. Sowohl Gomez als auch Klose leiden an einer bei Goalgettern weltweit verbreiteten Krankheit. Sie treffen bevorzugt, wenn sie einen Lauf haben und sind somit nur phasenweise richtig stark. Löw hat zu Beginn Gomez ausgewürfelt und er hätte bei dieser Entscheidung bleiben sollen. Und es war richtig, Gomez gegen Italien wieder aufzustellen, nicht Gomez war das Problem, sondern der Umstand, dass er weder von links noch vom einfallslosen Boateng im Strafraum bedient wurde. Boateng war natürlich damit überfordert, allein auf der rechten Seite mit Tempovorstößen die italienische Abwehr in Verlegenheit zu bringen, während auf der linken Seite Podolski das Angriffsspiel blockierte, weshalb es mit zunehmender Spieldauer für Italien einfach war, die deutsche Mannschaft in der Mitte zu verteidigen. Löw sprach nach dem Spiel davon, dass es ein Fehler war, Gomez und Kroos zu bringen, womit der Bundestrainer abermals zu verstehen gab, wie weit seine Lesart eines Spiels von der Wirklichkeit entfernt ist.

In einer Finalrunde einer Europameisterschaft ist es seit Menschengedenken noch nie vorgekommen, dass ein Trainer nach der Halbzeit zwei Stürmer für zwei Stürmer einwechselte. Also keinen Systemwechsel vornimmt, sondern einen eins zu eins mit Personenwechsel eine Reparatur einer Spieler-Aufstellung vornimmt. Damit reduzierte Löw nicht nur weitere Eingriffsmöglichkeiten in taktischer Hinsicht, sondern verzichtete auch auf die Möglichkeit, im Falle einer Verlängerung auf Erschöpfung und Verletzungen reagieren zu können. Einen Rückstand-Schablonen-Wechsel (immerhin einen korrekten) vollzog Löw in der Not, nachdem der Anschlusstreffer nicht fiel, schließlich in der 70. Minute, indem er Müller für Boateng brachte.

Reus für Podolski hätte zunächst genügt

Hätte der Bundestrainer das ganze Potential, das in der Mannschaftsaufstellung steckte, erkannt und hätte er das Spiel halbwegs angemessen lesen können, hätte Löw seine Fehl-Aufstellung anders reparieren müssen. Reus für Podolski hätte zunächst genügt. Reus hätte von rechts kommend zusammen mit Boateng für Druck sorgen können. Kroos hätte offensiver von links im Verbund mit Lahm agieren können, Özil im Zusammenwirken mit Khedira und Gomez durch die Mitte Torchancen generieren können, indem sie Räume und Zuspiele für Gomez schaffen. Hinterher ist man immer klüger. Wohl wahr, dennoch muss man festhalten, dass die Korrektur der Startaufstellung nach 45 Minuten nicht weniger falsch als die Startaufstellung war. Löw hat auf das Falsche falsch reagiert und steht nun nicht nur wegen einer spektakulären Fehlaufstellung in der Kritik, sondern auch wegen einer falschen Reparatur. Jogi Löw ist ein drittklassiger Trainer, der einer erstklassigen Mannschaft vorsteht. Bei der WM 2006, bei der WM 2010 und nun bei der EM 2012 ist die deutsche Mannschaft stets dann ausgeschieden, wenn sie einen guten Trainer gebraucht hätte. – Damit ist 2014 wieder zu rechnen.