Elvis lebt!
Methusalem-Coup in Berlin, Trainerproblem in Augsburg
Von Siegfried Zagler
Otto Rehhagels Bundesliga-Abschiedstour beginnt am kommenden Samstag in Augsburg. „Das größte Comeback seit Elvis 1968“, so Jan-Aage Fjörtoft, der einst in der Bundesliga für Eintracht Frankfurt die Fußballschuhe schnürte.
Das ist leicht untertrieben, denn Rehhagels Rückkehr in die Erste Bundesliga nach beinahe 12 Jahren Emigration im „Fürstentum Rehakles“ fühlt sich eher an, als sei Elvis leibhaftig aus Memphis von den Toten auferstanden, um an der Spree „Muss i denn, muss i denn ins Städele hinaus“ zu trällern. Mit dem Methusalem-Coup hat sich der Sportdirektor der krisengeschüttelten Berliner Hertha aus dem Schussfeld der Medien und der Berliner Fans bugsiert. Alle Augen sind nun auf König Otto gerichtet. Für den schwer angeschlagenen Michael Preetz ein Befreiungsschlag. Scheitert Rehhagel dürfte für Preetz als Hertha-Manager der Vorhang fallen. Hertha BSC hat in der Rückrunde bisher alle fünf Spiele verloren, während der FCA zuletzt immerhin drei Unentschieden einfahren konnte und in den beiden Heimspielen gegen Kaiserslautern und Nürnberg erste Ansätze von spielerischer Klasse erkennen ließ. Man könnte – Rehhagel hin, Rehhagel her – den FCA sogar zum Favoriten erklären, wenn, ja wenn bei den Augsburgern nicht Jos Luhukay auf der Trainerbank säße.
Luhukay als mediale Comicfigur
„Langsam muss man über den Trainer reden“, ist ein Satz, den man in lokalen Expertenkreisen immer häufiger hört. Dem Augsburger Trainer wird meist vorgeworfen, dass er ein Spiel nicht richtig lesen könne, zum falschen Zeitpunkt falsch einwechsle und meist nicht nachvollziehbar aufstelle. In den Nahaufnahmen des Sportfernsehen wird Luhukay nicht selten wie einer von den Daltons aus der Comicreihe „Lucky Luke“ dargestellt: naiv, ratlos, die Paradefigur des ewigen Verlierers. Gegen Leverkusen versetzte Augsburgs Trainer mit seinen Einwechslungen eine gesamte Kneipe in Schockstarre, die wenig später einer tiefen Niedergeschlagenheit wich. Luhukay reagierte nicht auf den Führungstreffer der Leverkusener in der 60. Minute und wechselte in der 61. Minute ein, als wäre nichts geschehen: einen Stürmer für einen Stürmer (Hain für Mölders) und einen defensiven Mittelfeldmann für einen defensiven Mittelfeldmann (Brinkmann für Davids), wobei man hinzufügen muss, dass die Position Davids via TV nicht erkennbar war. Ohne Mölders, der bis zu seiner Auswechslung eine sehr starke Partie spielte und noch sehr fit wirkte, war es mit dem FCA-Angriff endgültig vorbei.
Prinzip Fehlaufstellung
Luhukays seltsame Wechselmanöver kommen meist aus der Retorte einer festgefahrenen System-Denke und entsprechen selten einer kreativen Lesart eines Spielverlaufs. Beispiele dafür gäbe es genug. Schwerer jedoch wiegt das Luhukay´sche Prinzip der konsequenten Fehlaufstellung. Der Augsburger Kader birgt nicht viel Potential für Missverständnisse, was heißen soll, dass die Möglichkeiten falsch aufzustellen sehr begrenzt sind. Womit das Thema an Schärfe gewinnt: Gibril Sankoh, einer der stärksten Innenverteidiger der Liga, wurde im Hertha-Hinspiel durch eine beispiellose Auswechslung gedemütigt und auf Dauer in den Reservisten-Status versetzt. Mit Langkamp und Sankoh in der Innenverteidigung und Jan Ingwer Callsen-Bracker auf der Sechs, so pfeifen es in Augsburg die Spatzen von den Dächern, wäre der FCA in der Defensive eine Macht. Ein weiterer Beleg für Luhukays unbelehrbares Starren auf die platonische Schattenwand hat einen Namen: Lorenzo Davids. Die komplette Hinrunde stand Davids in der Startformation, ohne dass dem fachkundigen Augsburger Publikum aufgefallen wäre, was Davids Verpflichtung rechtfertigen könnte.
Fehleinkäufe dürfen vorkommen
„Was kann Davids?“, so die Frage vor seinem Debüt am ersten Spieltag gegen Freiburg. „Nichts!“, so die traurige Antwort. An dieser Einschätzung hat sich auch wenig geändert, als Davids gegen Ende der Hinrunde in den Heimspielen gegen Bayern und Gladbach zumindest andeuten konnte, wovon Luhukay und Rettig bei seiner Verpflichtung geträumt haben könnten. Lorenzo Davids hat keinen Schuss, ist nicht kopfballstark, nicht schnell im Antritt, pflegt ein unpräzises Passspiel und ist in eins zu eins Situationen im Spiel nach vorne nicht annähernd in der Lage sich durchzusetzen. Fehleinkäufe dürfen vorkommen, auch in großen Klubs mit einer gewachsenen Struktur und einer kompetenten Scout-Abteilung. Die Verpflichtung Davids ist jedoch ein Irrtum, der nicht nur in Augsburg nachhaltige Zweifel am Sachverstand der sportlichen Leitung des FCA zutage förderte. Umso schlimmer der Umstand, dass der “hüpfende Holländer” in der Hinrunde in allen Spielen in der Startaufstellung stand. Das trägt skandalöse Züge und stellt beinahe eine Verhöhnung des Augsburger Publikums dar, das Davids Auftritte und Luhukays Coaching bisher meist sehr geduldig und resignierend mit Kopfschütteln und und Raunen begleitete. Die Berliner Auferstehung eines Trainer-Fossils („Meine Taktik ist immer richtig“) hat gezeigt, dass im Profifußball alles möglich ist, nur eins scheint unvorstellbar: ein erstklassiger Trainer beim FCA.