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Dienstag, 23.07.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Eklat: Filmbüro kündigt Kooperation mit der Stadt

Die Augsburger Filmtage zahlen den städtischen Zuschuss zurück und gründen sich neu

Von Frank Heindl

Für Überraschungen war er schon immer gut, doch am Freitagvormittag sorgte er für ein Novum in der Augsburger Kulturpolitik: Franz Fischer, Chef des Augsburger „Kinodreiecks“ aus Thalia, Mephisto und Savoy inklusive Kaffeehaus Thalia verkündete per Pressemitteilung den Ausstieg der Augsburger Filmtage aus der städtischen Förderung und die Rückzahlung der bereits ausgezahlten Gelder. Nicht nur diese Erklärung machten er und das zuständige Filmbüro auf der Homepage der Filmtage öffentlich, sondern auch einen giftigen Brief vom Vortag an Thomas Weitzel. Fischer wirft dem Kulturreferenten vor, Korrespondenzen zwischen seinem Referat und dem Filmbüro an die Augsburger Allgemeine weitergeleitet und nicht nur damit die Verhandlungen über Zuschüsse der Stadt und eine längerfristige finanzielle Absicherung der Filmtage absichtlich torpediert zu haben.

Ab jetzt ganzjährig im Festival-Geschäft: Franz Fischer.

Ab jetzt ganzjährig im Festival-Geschäft: Franz Fischer.


Differenzen zwischen Filmfest und Kulturreferat gehören seit vielen Jahren zu den Ritualen der Augsburger Kulturpolitik. Zu Fischers stetem Ärger hat die Stadt “seine” Filmtage nie in für ihn ausreichendem Maße anerkannt und unterstützt. Seit vielen Jahren kämpft das gemeinnützige Filmbüro e.V. vergeblich um eine verlässliche Förderung mit mehrjähriger Planungs­sicherheit. Seit Thomas Weitzel das Kulturreferat übernommen hat, haben sich die Hoffnungen zerschlagen, dass sich in der Ära nach Peter Grab an diesem Dilemma Wesentliches ändern würde.

Die Augsburger Filmtage haben sich seit den 80er Jahren zu einer kulturellen Institution der Stadt entwickelt. Dem Glamour waren Fischer und seine Mitstreiter zwar immer abhold – keine Stars und keine roten Teppiche wollten sie in Augsburg zeigen, keine publicity­wirksamen Eröffnungs­veranstaltungen und Sponsorenevents wollten sie bieten. Dafür präsentierten sie dem wachsenden Publikum Filme abseits des Mainstreams. Das hat viele Jahre lang gut geklappt hat, doch die Welt hat sich weiter gedreht seit den 80er Jahren. Mit den knappen Mitteln von damals ist heute kein Festival mehr zu gestalten. Zwar ist auch die Fischercrew mittlerweile geübt im Einwerben von Fördergeldern aus EU und Freistaat – doch das reicht nicht mehr. 90.000 Euro aus dem städtischen Kulturetat waren dem Festival für 2015 zugesagt. Das Filmbüro will sie nun nicht mehr haben. Das sei “ein Akt der Befreiung”, sagt Fischer – endlich könne man sich wieder den Inhalten zuwenden, anstatt Sponsoren zu bewirten und Konzepte für Kulturpolitiker zu schreiben, die sich in Wahrheit um Inhalte nicht scherten.

“Jahrelang am Gängelband herumgeführt”

In der Tat ist nicht so leicht zu verstehen, weshalb ein Festival, das sich einen gewissen Ruf und eine Fangemeinde auch über die Stadtgrenzen hinaus erarbeitet hat, im laufenden Jahr einmal mehr vorab ein Konzeptions­papier abliefern sollte, um skeptische Kulturpolitiker von seiner Ernsthaftigkeit zu überzeugen. Für Fischer reicht dieses Ansinnen an “Zensurversuche” heran, auch Harald Munding, Vorsitzender von Filmbüro e.V., sieht sich “jahrelang am Gängelband herumgeführt.” Die Idee des Festivals sei “mutwillig kaputt gemacht worden”, der Verein sei schlichtweg nicht in der Lage, das hohe finanzielle Risiko zu tragen. Der Ausstieg aus der Förderung sei “definitiv” kein Schachzug, um noch irgendetwas zu bewegen, er sei stattdessen “definitiv der Ausstieg aus der Abhängigkeit von der Stadt Augsburg”, deren kultur­politisches Agieren nicht mehr nachvollziehbar sei.

Da hat sich einiges an Frust angesammelt über die Jahre. Franz Fischer hat sich nicht nur als Kinomann einen Namen gemacht, sondern auch als bärbeißiger Kritiker der städtischen Kulturpolitik. Er gehört zum Kreis derjenigen, die auch derzeit mit ihrem “Offenen Brief zu Theatersanierung” für Unruhe im politischen Betrieb sorgen. Kulturreferent Weitzel scheint nicht der Mann zu sein, über solche Gegnerschaft zu einem kulturellen Großprojekt großzügig hinwegzusehen oder gar der Pleite des Filmfestivals engagiert entgegenzuwirken. Den Vorwurf der Intrige weist er mit Vehemenz von sich – die AZ habe rein zufällig zur selben Zeit recherchiert, als er sich zu seinem Brief an Fischer entschlossen habe. Der Blick ins Internet in der vorigen Woche habe ihn stutzig gemacht: Auf der Webseite der Filmtage war ein Termin genannt worden, der vom mit der Stadt vertraglich vereinbarten Datum abwich und außerdem eine Streckung des Festivals über mehrere Wochen ankündigte. Er müsse sich jetzt fragen, so Weitzel, “ob wir das hätten gelten lassen können” – eine neue Art der Filmtage hätte sich möglicherweise als “Mogelpackung” entpuppen können. Er persönlich habe nichts gegen das Filmfestival, die Initiativen zur Kontrolle und die Forderung nach Konzepten seien vom Kulturausschuss ausgegangen – “von den Stadträten also, die dafür gewählt worden sind.”

Harte Bedingungen für die kleinen Festivals

Die Filmtage müssen sich nach Weitzels Ansicht in den städtischen Festivalbetrieb einpassen. Der sieht Dachmarken wie Mozart- und Brechtfestival vor, die mit deutlich höherem Einsatz gefördert werden, und kleinere Festivals wie die Filmtage oder das “Modular” des Städtischen Jugendrings. Basis für die “Kleinen” sei die Zweijährigkeit. Unter dem Stichwort “Biennale-Konzept” hatte sein Vorgänger Peter Grab diese wegen knapper finanzieller Ressourcen auf einen zweijährigen Rhythmus verpflichtet. Diese Bedingungen könne er weder für das Filmfest, noch für andere Aktivitäten lockern: “Eine andere Lösung kann ich nicht und will ich nicht.” So sehen es auch die Filmfest-Macher: Die Stadt habe eine Lösung nicht ernsthaft gewollt. Damit habe die Kulturpolitik die Filmtage mutwillig und mehr oder weniger absichtlich aufs Abstellgleis rangiert. Weitzel hätte dieser Entwicklung entgegenwirken können, wenn er es denn gewollt hätte: Zwar stimmen natürlich am Ende die Stadträte ab – aber der zuständige Referent beeinflusse sehr wohl die Richtung der Entscheidungsprozesse.

Ab jetzt das ganze Jahr ein Festival

Die Augsburger Filmtage sollen indessen nicht sterben. Unter dem Motto “Festival über das ganze Jahr” wollen Kinodreieck und Filmbüro weiterhin im Versuch kooperieren, anspruchsvolle Filme abseits des Mainstreams zu bieten, außergewöhnliche Gäste und gutes Dokumentarkino nach Augsburg zu holen. Zumindest vorläufig wird es aber diese wunderbare Woche nicht mehr geben, in der man die Tage und Nächte nahezu nonstop mit Regisseuren, Schauspielern, Medienleuten und tollen Filmen verbrachte. Den aufregenden Festivalcharakter, zu dem die dichte Atmosphäre eines auf wenige Tage zusammengeballten Programms gehörte, kann ein noch so ambitioniertes Ganzjahres-Programm nicht ersetzen. Das ist nicht nur schade, sondern auch ein Fiasko für die Kulturpolitik. Deren Aufgabe muss es sein, auch mit als “schwierig” angesehenen Partnern wie Franz Fischer und dem Filmbüro zu einer Lösung zu finden, bevor es zum Eklat kommt.