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Donnerstag, 13.02.2025 - Jahrgang 17 - www.daz-augsburg.de

„Einsparungen als wichtigste Entscheidungsgrundlage zu sehen, ist eine nicht nachzuvollziehende Begründung“

Schulreferent Hermann Köhler im DAZ-Interview zum Bayernkolleg

Hermann Köhlers Wahl zum Schulreferenten der Stadt Augsburg sorgte im Juni 2008 zum ersten Mal für Ärger innerhalb der neugewählten Stadtregierung. Köhler (CSU) war als Gegenkandidat von der SPD „nominiert“ worden. Köhler trat gegen die von OB Kurt Gribl und der CSU vorgeschlagene weibliche Doppelspitze an. Nicht Claudia Eberle/Alexandra Brumann, sondern Hermann Köhler gewann die Wahl. Damals für OB Kurt Gribl und die neugewählte Stadtregierung ärgerlich, für die Stadt ein Gewinn. Auch nach drei Jahren Amtszeit hat man weder aus dem Rathaus noch aus anderen Winkeln der Stadtgesellschaft über Hermann Köhler ein schlechtes Wort gehört. Bei Köhler wisse man genau, woran man sei. Er arbeite hervorragend mit der Verwaltung zusammen und sein Wirken sei von klarster Transparenz gezeichnet.

Nach dem Bekanntwerden der Pläne der Bayerischen Staatsregierung, das Augsburger Bayernkolleg nach Marktoberdorf zu verlegen, stand und steht der ehemalige Regierungsschuldirektor der Regierung von Schwaben erstmalig richtig im Brennpunkt der lokalen Öffentlichkeit. „Der Standort ist heute so gut – wenn nicht noch besser geeignet – wie vor 45 Jahren“, so Köhler im DAZ-Interview.

Schulreferent Hermann Köhler - hier mit der Klasse 6a der Martinschule

Schulreferent Hermann Köhler - hier mit Sechstklässlern der Martinschule


DAZ: Herr Köhler, die Pläne der Bayerischen Staatsregierung, das Augsburger Bayernkolleg nach Marktoberdorf zu verlegen, hat die Bürgerschaft zusammengeschweißt wie selten. Quer durch alle politischen Lager und quer durch alle Generationen der Augsburger Stadtgesellschaft hat sich eine breite Allianz formiert, die sich mit Vehemenz für den Verbleib des Kollegs in Augsburg einsetzt. Ich würde mir gern von Ihnen erklären lassen, wie es aus Ihrer Sicht zu dieser breiten Allianz kommen konnte. Und am Ende noch eine Frage: Welchen Stellenwert hat das Bayernkolleg für den Schulreferenten der Stadt Augsburg?

Köhler: Im Gesamtkonzept des – von vielen Vergleichstests belegten – überaus erfolgreichen mehrgliedrigen bayerischen Bildungssystems sind die besonderen Markenzeichen eine hohe Durchlässigkeit zwischen den Bildunsgwegen und dass kein Abschluss ohne Anschluss bleiben soll. In diesem System spielen die Angebote des so genannten 2. Bildungsweges eine bedeutende Rolle. Im Großraum Augsburg wurde deshalb vor über 40 Jahren als ein Baustein des 2. Bildungsweges die Heimschule Bayernkolleg durch den Freistaat geschaffen. Dass dies ein Erfolgsmodell war und ist, zeigt sich an der durchgehenden Vollbelegung des Heimes und der Schule – für das kommende Schuljahr können z.B. über 40 Anfragen nicht berücksichtigt werden.

Allianz für das Bayernkolleg in Augsburg

Allianz für das Bayernkolleg in Augsburg


Jungen Menschen wird in dieser Einrichtung die Chance geboten, nach – warum auch immer – holprigen, verkorksten oder verzögerten Bildungsgängen einen Weg zu einem höherwertigen Schulabschluss einschlagen zu können. Vor allem nutzen in Augsburg inzwischen Abgänger von Haupt- bzw. Mittelschulen – zirka 42 Prozent der Kollegiaten – und auch junge Menschen mit Migrationshintergrund – Anteil zirka 36 Prozent – dieses Angebot.

So wie diese jungen Erwachsenen haben sich in den über 40 zurück liegenden Jahren zahlreiche, heute beruflich sehr erfolgreiche Frauen und Männer für den Weg über das Bayernkolleg entschieden. Diese persönlichen Erfahrungen und die Wahrnehmungen über die erfolgreiche Arbeit dieses Kollegs in breiten Kreisen der Bevölkerung führen in der Konsequenz auch zu einer einhelligen Unterstützung quer durch die Stadt und die Landkreise. Bayern braucht den 2. Bildungsweg, die Region Augsburg und die besonderen Gegebenheiten der Augsburger Stadtgesellschaft brauchen die Heimschule Bayernkolleg.

„Die Region Augsburg und die besonderen Gegebenheiten der Augsburger Stadtgesellschaft brauchen die Heimschule Bayernkolleg“

DAZ: In München sitzt eine CSU-Regierung, in Augsburg sitzt eine CSU-Regierung. Seit wann wissen Sie von den Plänen aus dem Hause Spaenle?

Köhler: In einem Gespräch am dritten Juni wurde ich durch das Kultusministerium persönlich zu den Überlegungen über eine mögliche Verlegung der Heimschule Bayernkolleg nach Marktoberdorf informiert.

DAZ: Warum gingen Sie damit nicht sofort an die Öffentlichkeit?

Köhler: Bereits unmittelbar nach dem Gespräch mit den Vertretern des Ministeriums wurde durch die SZ ein Gesprächskontakt mit mir gesucht, um von mir eine Einschätzung zu diesen Überlegungen des Staatsministeriums einzuholen. In diesem Gespräch habe ich die Bedeutung des Bayernkollegs für die Region Augsburg dargestellt und mich eindeutig für den Erhalt der Heimschule Bayernkolleg ausgesprochen.

DAZ: „Die Pläne sind verständlich, aber gefährlich“, sind Sie zitiert worden. Warum verständlich? Warum gefährlich?

Köhler: Ich habe Verständnis dafür gezeigt, dass in Zeiten der Mittelknappheit auf allen politischen Entscheidungsebenen legitimerweise immer notwendige Überlegungen zu effizientem finanziellem Ressourceneinsatz und für Einsparungen angestellt werden. Bei derartigen Überlegungen darf aber die Effizienz der eingesetzten Mittel – im Falle des Bayernkollegs reden wir dabei unter anderem über die Bildungschancen für junge Menschen und die aktuell immer wichtiger werdenden Themen, wie Fachkräftesicherung und Fachkräftegewinnung in der Region sowie Weiterqualifizierung – nicht außer Acht gelassen werden. Einsparungen in diesem Fall als wichtigste Entscheidungsgrundlage zu sehen, ist für die Bildungs- und Wirtschaftsregion Augsburg, für eine Großstadt mit einem Bevölkerungsanteil von über 40 Prozent Menschen mit Migrationshintergrund eine nicht nachzuvollziehende Begründung. Erfolgreiche schulische Angebote sollten nicht durch Verlegung an – geographisch betrachtet – Randlagen „klein gemacht“ werden, sie sollten eher Ansporn sein, solche Angebote auch in den ländlichen Räumen zu entwickeln.

DAZ: Die Stadt verhandelt nun mit dem Freistaat. Genauer gesagt, mit dem Ministerium für Unterricht und Kultus. Welche Personen der Stadt verhandeln eigentlich mit wem aus dem Ministerium und welches Verhandlungsziel verfolgen sie dabei? Besser gesagt: Mit welchem Pfund will denn die Stadt Augsburg wuchern? In der Vergangenheit ist die Stadt doch stets beim Freistaat abgeblitzt.

„Derzeit sprechen wir nicht über Kompromisse“

Köhler: Ich kann im Moment nicht nachvollziehen, auf welche Beispiele Sie im von mir verantworteten Bildungsbereich anspielen wollen. Ich denke aber, dass wir in den vergangenen Jahren gemeinsam mit dem Freistaat sehr zielorientiert an der Entwicklung von zum Beispiel ganztagsschulischen Angeboten mit all der dazugehörigen Infrastruktur im baulichen Bereich gearbeitet haben und noch dabei sind, unter finanzieller Beteiligung des Freistaates weitere Entwicklungen vorzunehmen. Im aktuellen Fall warten wir nach Gesprächen auf verschiedenen Ebenen mit unterschiedlicher Beteiligung auf das angekündigte Gespräch des Herrn Staatsministers für Unterricht und Kultus mit unserem Oberbürgermeister Dr. Kurt Gribl nach den Pfingstferien. Das Ziel der Stadt ist dabei klar formuliert: Die Heimschule Bayernkolleg muss in Augsburg erhalten bleiben.

DAZ: Wir werden hoffentlich nicht die laufenden Gespräche beeinflussen, wenn wir uns über mögliche Kompromisse unterhalten. Gehen wir mal davon aus, dass faire Verhandlungen Kompromisse zum Ziel haben. Also noch ein Mal die Frage: Womit könnte denn die Stadt den Freistaat vom Sparen in dieser Angelegenheit abhalten? Gute Argumente und wohlfeile Appelle werden unter Umständen nicht ausreichen.

Köhler: Die Heimschule Bayernkolleg ist eine rein staatliche Einrichtung und liegt in voller Verantwortung des Kultusministeriums – sowohl was die Unterrichtsinhalte, das Personal und den Sachaufwand für Heim und Schule anlangt. Die Stadt ist seinerzeit aus guten Gründen als Standort für dieses Schulangebot ausgewählt worden und der Standort ist heute so gut – wenn nicht noch besser geeignet – wie vor 45 Jahren. Wir wollen dem Freistaat nicht die Entscheidung über seine Einrichtung abnehmen. Unser Ziel ist, die nachvollziehbaren guten Gründe für den Erhalt der Heimschule in Augsburg deutlich zu machen.

DAZ: Wäre es für Sie ein gangbarer Weg, wenn die Stadt dem Staat entgegen käme, indem sie sich um die Unterbringung der Kollegiaten kümmern würde, also nach der Schließung des Wohnheims durch den Freistaat bereits bestehende städtische Gebäude als Wohnheim betreiben würde, während im Gegenzug der Freistaat weiterhin für den Sachaufwand des Schulgebäudes aufkäme?

Köhler: Derzeit sprechen wir nicht über Kompromisse, denn wir wollen und können nicht zusätzlich staatliche Aufgaben in den Katalog städtischer Handlungsfelder übernehmen.

DAZ: Herr Köhler, vielen Dank für das Gespräch.

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Fragen: Siegfried Zagler