„Eine Zusammenfassung von allem, was ich je gemacht habe“
Schlagzeuger Walter Bittner über sein Schlagzeugspiel und die neue CD
DAZ: Herr Bittner, was für eine Rolle spielen die vielen Samples, die Sie in Ihren Stücken verwenden?
Walter Bittner: Diese Technologie ist für die Drums eine unglaubliche Bereicherung. Die Samples sind auch deshalb ein integrierter Bestandteil meines Schlagzeugstils geworden, weil ich mit ihnen ganz bewusst Stimmungen schaffen kann. Und weil ich das am Schlagzeug mache, ist es nicht nur illustrierend – ich kann diese Sounds gezielt ansteuern, sie als Improvisationsmuster und auch rhythmisch einsetzen. Die Sounds sind zwar elektronisch, aber sie sind nichts Vorgefertigtes: Bevor ich aufgenommene Sounds verwende, bearbeite ich sie immer.
DAZ: Und wo kommen diese Sounds her?
Walter Bittner: Viele Ideen entstehen im Unterricht. Ich spiele mit meinen Schülern oft zu Loops, und die basteln wir uns manchmal aus Sounds von Drum-Maschinen und Software-Plugins. Andere – wie etwa den Sound von Rudolf Diesels erstem Motor – habe ich selbst aufgenommen und zuhause bearbeitet. Solche Dinge könnte man live nie reproduzieren, wenn’s keine Samples gäbe.
DAZ: Hat das denn noch viel mit Schlagzeugspielen zu tun?
Walter Bittner: Für mich gibt’s beim Schlagzeug eine Zweiteilung in Afrika und Europa. Europa steht für Technik, differenziertes Kombinieren, die ganze europäische Schlagzeugtradition. Afrika – das ist das, was ich einfach Trommeln nenne, die Percussion. Als Drummer bist du oft der Groove-Macher in der Band – wenn ich das mit den Samples löse, komme ich auf der anderen Seite mehr zur Percussion zurück. Man könnte sagen, die Samples befreien mich oft vom herkömmlichen Drumming, ich kann dann zusätzlich anderes machen.
DAZ: Auf ihrer neuen CD interpretieren Sie unter anderem „Fuchs du hast die Gans gestohlen“. Wieso kommt man nach einem langen Musikerleben eigentlich wieder auf Kinderlieder zurück?
Walter Bittner: Die CD ist ja als Suite angelegt, das Ganze ist eigentlich eine autobiographische Sache. Ich bin seit 1981 in Augsburg, hatte also hier schon mein 30jähriges Jubiläum – die CD ist ein bisschen wie eine Zusammenfassung von allem, was ich je gemacht habe. Im ersten Teil geht’s um die musikalische Kindheit, um die frühen Einflüsse, wie man eben Musik kennenlernt. Im zweiten kommt dann die musikalische Pubertät, auch Punkte der Verzweiflung, die jeder verkraften muss, der ernsthaft Musik macht. Und der dritte Teil ist Zusammenfassung, Rückbesinnung – und der Versuch, alles Erlebte ins Jetzt zu transportieren. „Urbanity“ ist dafür das zentrale Stück, es fängt an mit indonesischen Marktklängen, aber es kommt auch ein Helikopter vor, und die Tradition der Jazzstandards wird am Schluss mit einem sehr harten Beat konfrontiert
DAZ: Und zwischendurch gibt’s noch den Song „Walk through my town“, den Sie schon 1996 veröffentlicht haben – auch damals haben Sie ihn selbst gesungen.
Walter Bittner: Ja, auf der CD „Nowhere town“ mit meiner damaligen Band Double you-be. Auch diese Vocal-Sachen gehören zu meiner musikalischen Entwicklung. Obwohl ich mich nicht als Sänger sehe, haben Singen und Sänger für mich immer eine große Rolle gespielt.
DAZ: Double you-be war ja auch eine großartige Band, an die man gerne zurückdenkt!
Walter Bittner: Chris Hirson, der Saxophonist bei Double you-be, war lange Zeit geradezu mein „Alter Ego”. Als er 2000 nach Berlin gegangen ist, war das ein Bruch für mich, auch wenn ich die Band erst 2008 aufgelöst habe. Ich bin erst wieder völlig in den Takt gekommen, seit ich mit Stephan Holstein zusammenarbeite. Das ist ein bisschen ähnlich wie damals mit Chris – ich brauche anscheinend immer einen Bläser für die gegenseitige Inspiration.
DAZ: Herr Bittner, vielen Dank für das Gespräch.
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Mit Walter Bittner sprach DAZ-Redakteur Frank Heindl