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Freitag, 14.03.2025 - Jahrgang 17 - www.daz-augsburg.de

Eine Turnier­mann­schaft kämpft sich ins Viertel­finale

Deutschland arbeitet sich gegen Algerien eine Runde weiter und steht somit am kommenden Freitag im Viertelfinale gegen Frankreich.

Von Udo Legner



Trotz der für diese WM-Partie ungewöhnlichen Kühle – gerade mal 16 Grad zeigte das Thermometer im Stadion von Porto Alegre – war die Ausgangslage sonnenklar: Algerien – auf Platz 22 der aktuellen Fifa-Weltrangliste – hatte mit dem Einzug ins Achtelfinale sein Soll bereits erfüllt. Ein Sieg gegen Deutschland wäre ein Triumph für die Ewigkeit und hätte den algerischen Nationaltrainer Vahid Halilhodczic aus Bosnien in den Fußballhimmel befördert.

Die deutsche Elf hingegen war zum Erfolg verdammt. Eine Niederlage gegen die Wüstenfüchse, ein erstmaliges Scheitern Deutschlands in einem WM-Achtelfinale – hätte angesichts der hohen Erwartungen der deutschen Fans das sichere Ende der Ära Jogi Löw als Bundestrainer bedeutet. Von der WM-Bühne des Fußballs zurück ins Spätzleland der Bausparfüchse – für Jogi Löw wäre dies die Höchststrafe.

Sicherheitsvariante mit Schweinsteiger

Im Vorfeld dieser Partie forderten viele Experten Sami Khedira für die Startformation. Sie versprachen sich davon mehr Kreativität und Überraschungsmomente im Spiel nach vorne.  Weltmeister im Ballbesitz – dies allein – das hatten die beiden letzten Vorrundenspiele gegen Ghana und die USA gezeigt – könnte für die K.O.-Runde zu wenig sein. Mats Hummels‘ fiebriger Infarkt gab wohl den Ausschlag dafür, dass sich der Bundestrainer für die Sicherheitsvariante mit Sebastian Schweinsteiger entschied. Zusammen mit Schweinsteiger standen sechs weitere Bayernspieler auf dem Platz.

Bereits die ersten Minuten machten deutlich, dass mit dieser defensiven Ausrichtung nicht zwangsläufig mehr Sicherheit ins deutsche Spiel kam. Das lag zum einen daran, dass sich die beiden gelernten Innenverteidiger Shkodran Mustafi und Benedikt Höwedes auf ihren Außenverteidigerpositionen schwer taten und nur wenig zum Spielaufbau beitragen konnten. Das lag auch an der fehlender Präzision beim Tiki-Taka im Mittelfeld, wo selbst dem ansonsten so konstanten Toni Kroos viele Abspielfehler unterliefen. Diese Ungenauigkeiten beim Kurzpassspiel und die fehlende Laufbereitschaft im deutschen Mittelfeld machten es dem Außenseiter Algerien leicht, sein Konterspiel aufzuziehen. Ein ums andere Mal profitierten die Algerier von den schlampigen Zuspielen der Deutschen, spielten sich blitzschnell durch die löchrige Viererkette und zwangen Manuel Neuer wiederholt zu spektakulären Rettungsaktionen weit außerhalb des Strafraums.

Torhüter Neuer bester Feldspieler

Erste Schrecksekunde für die Deutschen in der 9. Minute: Shkodran Mustafis verunglückte Flanke ist Ausgangspunkt eines klassischen Konters: nach einem langen Ball stürmt Islam Slimani allein auf das deutsche Tor zu. Die erste Großchance für Algerien, die Ausputzer Neuer durch eine riskante Grätsche zu vereiteln weiß. Nur fünf Minuten später lässt Sofian Feghouli Höwedes und Boateng schlecht aussehen, verzieht aber beim Abschluss. In der 17. Minute wird ein Kopfballtor von Slimani wegen Abseits nicht gegeben –  er hatte sich Bewacher Boateng problemlos entzogen. Bis zur 40. Minute gab es drei weitere Torchancen für Algerien, während bei den deutschen Feldspielern nur Torhüter Manuel Neuer als Feldspieler überzeugen sollte.

Erste offensive Akzente setzten die Deutschen erst in den letzten Minuten der ersten Halbzeit. In der 41. Minute lässt der algerische Torwart Rais M’Bholi einen Distanzschuss von Toni Kroos abprallen, doch Mario Götze versiebt diese Hundertprozentige. Es sollte Mario Götzes vorerst letzte Aktion bei dieser Weltmeisterschaft sein. In der zweiten Hälfte läuft für ihn Andre Schürrle vom FC Chelsea auf und sorgte für neuen Schwung und mehr Torgefahr.

Fazit zur ersten Halbzeit: Deutschland trägt schwer an der Bürde des Favoriten und findet kein Rezept gegen den schnellen Konterfußball der Algerier, die über weite Strecken des Spiels die bessere Mannschaft sind.

Steigerung in der zweiten Hälfte

In der zweiten Hälfte zollte Algerien dem hohen Tempo Tribut. Mit dem laufstarken Andre Schürrle wurde das deutsche Spiel variabler und verlagerte sich mehr und mehr in die gegnerische Hälfte. Mehrfach konnte der algerische Torhüter M’Bholi spektakulär klären, wobei ihm Thomas Müllers Schusseligkeit freilich half. Ein Höhepunkt war hierbei die Ausführung einer für die deutschen Filigranspieler dann doch etwas zu ambitionierte Freistoßvariante, bei der Müller vor lauter Genialität über die eigenen Füße stolperte. Khediras Einwechslung für den verletzten Mustafi und Lahms Einreihung in die Viererkette gab dem deutschen Spiel neue Dynamik. In den letzten Minuten setzte die deutsche Mannschaft alles daran, die Verlängerung zu vermeiden. Doch trotz der weitaus höheren Spielanteile war ihr kein Torerfolg vergönnt. Mit 0 : 0 ging es in die Verlängerung. Was über 90 Minuten nicht gelang, das glückte Andre Schürrle unmittelbar nach Wiederanpfiff nach Zuspiel von Thomas Müller mit einem fürwahr weltmeisterlichen Hackentrick-Tor. Die deutsche Elf bekam nun mehr Räume und selbst ein standesgemäßes Ergebnis schien noch möglich. Ausgerechnet Mesut Özil war es, der einen Abpraller zum 2:0 einschoss. Das Spiel schien gelaufen, als ein erfolgreicher Konter der Algerier in der vorletzten Minute der Nachspielzeit noch einmal verdeutlichte, wie knapp dieser Achtelfinalsieg war.

Fazit: Nach einer miserablen Halbzeit kann sich die deutsche Mannschaft steigern und kommt zum verdienten Sieg gegen Algerien, das sich bis zur letzten Minute gegen die Niederlage stemmte. Der Mythos von Deutschland als Turniermannschaft wird jetzt wieder bemüht werden. Allein die Tatsache, dass Deutschland auch in schwachen Spielen als Sieger vom Platz geht, berechtigt zu Optimismus.