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Freitag, 22.03.2024 - Jahrgang 16 - www.daz-augsburg.de

Schaden für die Stadtkultur

Ein Kommentar von Frank Heindl

Das Rätselraten hält an. Warum musste Tatjana Gürbaca gehen? Warum ließ die – nicht erst seit neuestem – als durchaus entscheidungsfreudig und resolut bekannte Intendantin ein Bühnenbild abbauen, dessen Beurteilung man nach Meinung vieler Zuschauer dem Publikum hätte überlassen können? Hatte Votteler andere als nur die angeführten künstlerischen Gründe, nach zwölf Monaten der Planung und einer intensiven Probenzeit in letzter Sekunde die Reißleine zu ziehen? Insider jedenfalls sprechen von einer „nicht nachvollziehbaren“ und „unprofessionellen“ Vorgehensweise.

Weil ein Mitglied des Philharmonischen Orchesters sich plump bei der Diözese über Tatjana Gürbacas Schlussbild beschwert hatte, wird auch darüber spekuliert, ob die Kirche Druck ausgeübt habe. Frau Votteler weist das von sich – in der Tat kann man sich schwer vorstellen, dass die neue Kirchenführung um Bischof Zdarsa nach Mixas glücklichem Abgang fahrlässig einen neuen Skandal vom Zaun brechen wollte.

Schon eher scheint plausibel, dass Votteler in der derzeitigen Situation das Risiko klein halten wollte. Die Möglichkeit von Buh-Rufen und aufgeregten Diskussionen aufgrund eines Bühnenbildes, das konservative Christen als antireligiös oder blasphemisch denunzieren hätten können – sie mag der Intendantin Sorgen gemacht haben. Denn formal hat zwar der Stadtrat endlich den Bau einer Ersatzspielstätte für das Theater beschlossen. Sicher aber ist in Augsburg nichts, das wird Frau Votteler mittlerweile gelernt haben, solange es nicht unverrückbar dasteht. Noch hat beispielsweise die Regierung von Schwaben den städtischen Haushalt nicht genehmigt, noch ist man in der SPD der Ansicht, dass eine Wiederbelebung der Komödie die preiswert-praktische Alternative zum Container auf dem Theaterparkplatz wäre, noch befürchten Skeptiker weitere Kostensteigerungen beim Ersatzbau. Dafür, dass die Intendanz das Theater möglichst wenig in öffentliche Diskussionen verstrickt sehen möchte, gibt es weitere Anhaltspunkte: Als am Sonntag bei Dierig mit „Mann ist Mann“ eine weitere Brecht-Premiere gefeiert wurde, wollten die Gerüchte nicht verstummen, der „erkrankte“ Freo Majer habe in Wahrheit aus ganz anderen Gründen die Regie Schauspieldirektor Markus Trabusch überlassen (müssen). So etwas kommt nicht nur in Augsburg vor – warum aber will man nicht darüber sprechen?

Könnte man es der Intendantin verübeln, wenn sie am Ende doch noch dünnhäutig und übervorsichtig geworden wäre? In diesem Fall wäre die künstlerische Freiheit am Theater Augsburg zum Opfer des unentschiedenen Hin und Her um die Ersatzspielstätte geworden. Für Theater und Ensemble, für das Publikum und die Kultur dieser Stadt ist das kein geringer Schaden und ein Bärendienst für die Kunst.